Das wird schon wieder!? Diese 7 Sätze sind für Depressive keine Hilfe
Was Menschen mit Depressionen durchmachen, können Außenstehende nur schwer nachvollziehen. Sätze wie "Das wird schon wieder" oder "Du brauchst mal Urlaub" mögen gut gemeint sein, sie bewirken jedoch oft das Gegenteil. Lesen Sie, wie Sie es besser machen.

Einfach etwas zusammenreißen und dann geht es bald besser? Viele glauben tatsächlich, dass dies eine Möglichkeit ist, um eine Depression zu überwinden. Das ist allerdings ein Trugschluss. Eine echte Depression ist eine ernstzunehmende Erkrankung, die nichts mit einer vorübergehenden schlechten Stimmung zu tun hat.
Dass Depressive oft nur wenig hilfreiche Sätze zu hören bekommen, liegt zum einen daran, dass weite Teile der Bevölkerung zu wenig über die Erkrankung wissen. Zum anderen ist es aber auch gar nicht so leicht, die richtigen Worte zu finden – selbst dann nicht, wenn man sich mit den Beschwerden und der Behandlung einer Depression auskennt.
Diese Sätze sind bei einer Depression keine Hilfe:
1. "Du musst dich einfach etwas zusammenreißen."2. "Anderen geht es viel schlechter!"
3. "Das wird schon wieder."
4. "Iss Schokolade, das hebt die Stimmung."
5. "Das kommt sicher vom Stress."
6. " Wie wäre es mit Urlaub oder etwas mehr Schlaf?"
7. "Bei Antidepressiva wäre ich vorsichtig. Nicht, dass du süchtig wirst."
1. "Du musst dich einfach etwas zusammenreißen."
Kaum zu glauben – aber fast ein Drittel der Deutschen glaubt irrtümlich, Depressionen seien eine Form der Charakterschwäche. Das hat das „Deutschland-Barometer Depression“ ergeben, eine Befragung, die die Stiftung Deutsche Depressionshilfe gemeinsam mit der Deutsche Bahn Stiftung durchgeführt hat. 19 Prozent aller Befragten sind der Ansicht, dass "sich zusammenreißen" helfe. Dabei lassen sich Depressionen nicht mit reiner Willenskraft besiegen.
Der Depressive kann sich noch so sehr zusammenreißen, seine Depression wird dadurch nicht geheilt. Der Tippgeber verschlimmert das Problem möglicherweise sogar. Denn mit seinem Ratschlag vermittelt er dem Betroffenen das Gefühl der Unzulänglichkeit. Schlimmstenfalls denkt er dann: "Alle schaffen es – nur ich nicht".
Eine Depression ist keine Charakterschwäche. Anders als bei einem vorübergehenden, normalen Stimmungstief hilft Zusammenreißen nicht, um eine Depression in den Griff zu bekommen.
2. "Anderen geht es viel schlechter!"
Das eigene Leid erscheint viel kleiner, wenn man sich klarmacht, wie schlecht es anderen geht. Dies ist wohl der Gedanke derjenigen, die einem Depressiven diesen Satz auf den Weg gehen.
Eine echte Hilfe ist das allerdings nicht. Zum einen suggeriert diese Aussage, dass es dem Erkrankten doch so schlimm nicht gehen kann. Zum anderen sieht man Menschen mit Depressionen oft gar nicht an, wie sehr sie wirklich unter den Beschwerden leiden. Viele können die Symptome bis zu einem gewissen Grad vor anderen verbergen. Im Inneren sieht es jedoch ganz anders aus.
Eine Depression sollte immer ernstgenommen werden. Wichtig ist, Beschwerden nicht herunterzuspielen und die Situation des Erkrankten nicht mit anderen zu vergleichen.
3. "Das wird schon wieder."
Eigentlich dürfte es jedem klar sein: Sätze wie dieser sind für niemandem eine Hilfe. Schon gar nicht für eine Person, die an Depressionen leidet. Oft ist ein solcher Ratschlag das Ergebnis von Hilflosigkeit: Viele Außenstehende würden gern etwas Tröstendes sagen, die richtigen Worte zu finden fällt ihnen jedoch schwer.
Manchmal ist es schon eine Erleichterung, wenn einfach jemand zuhört – ohne besondere Worte oder Ratschläge auszusprechen.
Depression
4. "Iss Schokolade, das hebt die Stimmung."
Das Deutschland-Barometer Depression legt offen: Fast jeder Fünfte ist der Meinung, dass Schokolade für Depressive das richtige Mittel sei.
Die süße Nascherei mag zwar für den Moment eine gewisse Befriedigung bringen, sofern der Erkrankte überhaupt Appetit darauf hat. Als Behandlung für eine echte Depression ist diese Methode jedoch nicht geeignet.
Eine ausgeprägte Depression gehört in die Hände eines Profis. Je nach Schwere wird eine Depression mit unterschiedlichen Methoden behandelt. Dazu zählen vor allem Psychotherapie und/oder Medikamente.
5. "Das kommt sicher vom Stress."
Ob Ärger bei der Arbeit oder ein Todesfall: Psychische Belastungen sind der Auslöser einer Depression – das glauben zumindest 96 Prozent der Befragten.
In der Tat können Schicksalsschläge oder andere psychische Einflüsse, etwa traumatische Erlebnisse in der Kindheit, eine depressive Episode begünstigen. Aber: Auch diverse andere Faktoren spielen eine Rolle, so etwa biologische Komponenten wie genetische Veranlagung. So ist das Risiko zum Beispiel deutlich erhöht, wenn auch andere Familienmitglieder an Depressionen leiden.
Mit 63 Prozent aller Befragten wissen jedoch vergleichsweise wenige Menschen, dass erbliche Komponenten an der Entstehung einer Depression beteiligt sind. Auch die Tatsache, dass eine Depression mit Veränderungen im Hirnstoffwechsel einhergeht, ist nur rund zwei Dritteln klar. Und so wundert sich ein Außenstehender vielleicht, weil der Erkrankte in letzter Zeit gar keinem besonderen Stress ausgesetzt war, aber trotzdem über Beschwerden klagt.
Depressionen entstehen meist durch ein Zusammenspiel verschiedener psychosozialer und biologischer Einflüsse und nicht ausschließlich durch Stress. Mit einer normalen Stressreaktion, etwa nach einem Konflikt, hat eine Depression nichts zu tun.
6. "Wie wäre es mit Urlaub oder etwas mehr Schlaf?"
8 von 10 Deutschen glauben, der Depression sei mit einem Urlaub beizukommen. Eine Depression ist jedoch nicht mit einer normalen Erschöpfung gleichzusetzen, die sich nach einer Auszeit bessert.
Im Gegenteil: Ein Urlaub ist bei einer Depression oft keine gute Idee. Unter sonnigem Himmel, am Pool oder in schöner Natur erscheint dem Erkrankten der eigene Zustand häufig sogar noch bedrückender.
Und auch der gutgemeinte Rat, etwas zeitiger ins Bett zu gehen, wird einem Depressiven keine Erholung bringen. In vielen Fällen fühlen sie sich sogar erschöpfter und antriebsloser als vorher, wenn sie viel Zeit im Bett verbringen.
Weder Urlaub noch übermäßiger Schlaf sind geeignet, um eine Depression zu besiegen.
7. "Bei Antidepressiva wäre ich vorsichtig. Nicht, dass du süchtig wirst."
4 von 5 Deutschen sind der Meinung, Antidepressiva würden abhängig machen. Auch viele Depressive glauben das – und lehnen die Medikamente aus Angst ab.
Antidepressiva zählen zu den Psychopharmaka. Manche Psychopharmaka können tatsächlich abhängig machen, so zum Beispiel die beruhigend wirkenden Benzodiazepine. Der Konsument benötigt immer höhere Dosen, um noch einen Effekt zu spüren. Bei Antidepressiva ist das jedoch nicht der Fall.
Antidepressiva wirken auf den Hirnstoffwechsel ein, indem sie Botenstoffe wie Serotonin und Noradrenalin beeinflussen. So sorgen sie dafür, dass bestimmte Prozesse im Hirn wieder reibungslos ablaufen.
Wenn Patienten die Medikamente nach längerem Gebrauch nicht mehr einnehmen, können sogenannte Absetzerscheinungen auftreten. Sie lassen sich jedoch reduzieren, indem die Betroffenen das Medikament „ausschleichend“ absetzen, also schrittweise die Dosis verringern.
Antidepressiva machen weder "high" noch abhängig. Die Medikamente sind vor allem für Menschen mit einer mittelschweren bis schweren Depression von Nutzen, oft gemeinsam mit einer Psychotherapie.
Fazit: Die richtigen Worte finden
Die obigen Beispiele zeigen: Die richtigen Worte zu finden ist nicht leicht. Und das ist menschlich. Wer noch nie eine Depression erlebt hat, kann nur schwer nachempfinden, in welchem Zustand sich die Person befindet.
Auch wenn die Wortwahl vielleicht nicht zu hundert Prozent glücklich ist: Wichtig ist, dem Betroffenen zu vermitteln, dass er nicht allein ist und dass man ihm helfen will.
Was Angehörige tun können, um dem geliebten Menschen zu helfen, finden Sie in unserem Artikel Depression – Tipps & Hilfe für Angehörige.
Weitere Informationen
Onmeda-Lesetipps:
- Depression – Tipps & Hilfe für Angehörige
- Depression: Krankheit mit vielen Gesichtern
- Selbsttest Depression: Leiden Sie an einer Depression?
- Forum Depression & Burnout: Fragen Sie unseren Experten Dr. Riecke kostenlos um Rat
Linktipps:
- deutsche-depressionshilfe.de: Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe bietet auf Ihren Seiten umfassende Informationen zum Thema Depression.
- www.bapk.de: Beratung und Austausch für Angehörige: Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker
Quellen:
Pressemitteilung der Deutschen Depressionshilfe: Volkskrankheit Depression – So denkt Deutschland (28.11.2017)
Stiftung Deutsche Depressionshilfe & Deutsche Bahn Stiftung: Deutschland-Barometer Depression. Volkskrankheit Depression – so denkt Deutschland. www.deutsche-depressionshilfe.de (Stand: November 2017)
Depression – Angehörige und Freunde. Patienteninformation. Online-Informationen des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin: www.patienten-information.de (Stand: Oktober 2016)
Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN): Unipolare Depression. AWMF-Reg. Nr. nvl/005 (Stand: 16.11.2015)
Aktualisiert am: 24. Oktober 2018