Kontaktsperre: 6 Tipps gegen den Coronavirus-Blues
Die Corona-Pandemie verändert das soziale Leben gravierend. Millionen Menschen verbringen nun die meiste Zeit des Tages zu Hause. Nicht nur Alleinlebende trifft das physische Kontaktverbot hart. Auch für Personen, die zu Depressionen oder Ängsten neigen, ist das Leben ohne direkte soziale Kontakte eine Herausforderung. Was kann man jetzt tun, um nicht in die Grübelfalle zu tappen – oder gar in eine Depression zu rutschen? Sechs Tipps gegen den Corona-Blues.

Inhaltsverzeichnis
Das Feierabendbier unter Kollegen, gemeinsames Musizieren, der Filmabend mit Freunden … all das bleibt in Zeiten von Corona auf der Strecke. Jeder ist nun angehalten, sein Leben auf so wenig direkte Kontakte wie möglich zu beschränken und vorwiegend in den eigenen vier Wänden zu bleiben. Wie lange dieser Zustand andauern soll, ist ungewiss. Das macht nicht nur Angst, es kann auch zu Gefühlen von Einsamkeit, Verunsicherung, Leere, Ohnmacht oder Verzweiflung führen. Die möglichen Folgen: Angstzustände, Depressionen, Schlafstörungen, aber auch psychosomatische Beschwerden wie Verdauungsprobleme, Schwindel oder Kopfschmerzen.
Kein Wunder, dass die Telefone bei der Deutschen Telefonseelsorge derzeit kaum noch stillstehen. Im Durchschnitt gehen jetzt doppelt so viele Anrufe dort ein wie noch vor der Corona-Krise, berichtet der Deutschlandfunk. Der Mensch hat von Natur aus ein Bedürfnis nach Nähe. Entsprechend hoch ist jetzt der Gesprächsbedarf.
Das Coronavirus stellt somit nicht nur eine körperliche, sondern für viele Menschen auch eine psychische Bedrohung dar. Ohne Kontakte droht die Einsamkeit. Vielen bleibt jetzt jede Menge Zeit zum Grübeln. Anfällige Personen können so leicht eine depressive Verstimmung beziehungsweise eine Depression entwickeln. Auch für viele Menschen mit Angsterkrankungen oder anderen psychischen Beschwerden sind die sozialen Einschränkungen durch das Coronavirus belastend. Die ungewohnte Situation verunsichert – und schürt entsprechend Ängste und Sorgen. Fake News und übertriebene Berichterstattung können dies noch beschleunigen.
Nun gilt es, aktiv zu bleiben und bewusst gegenzusteuern – und so zu erleben, dass man der Situation nicht hilflos ausgeliefert ist. Daher ist jetzt eines besonders wichtig: Selbstfürsorge.
1. Denken Sie positiv und tun Sie sich etwas Gutes
"Ich werde mich mit dem Coronavirus anstecken und schwer krank werden."
"Ich werde durch die Corona-Krise meinen Job verlieren."
"Ich halte die Situation nicht aus."
"Ich bin ausgeliefert und kann nichts tun."
Negative Gedanken wie diese sind angesichts der Situation absolut nachvollziehbar. Auf lange Sicht helfen sie jedoch nicht weiter. Wer sich in solchen Gedanken verstrickt, ist schnell davon überzeugt, dass sie Realität sind. Gefühle von Hilflosigkeit und Handlungsunfähigkeit sind die Folge.
Mit positiven Gedanken und Verhaltensweisen können Sie aktiv gegensteuern:
- Zeitlich entzerren: Machen Sie sich bewusst, dass diese Zeit auch wieder vorbeigehen wird. Kontaktbeschränkungen werden schrittweise gelockert werden. Nach und nach wird wieder eine gewisse Normalität in den Alltag einkehren. Die Erkenntnis, dass die jetzige Situation nur eine vorübergehende ist, kann für manche Menschen beruhigend und hoffnungsvoll sein.
- Chancen sehen: Für manche ist die Isolation auch eine Chance, einmal "herunterzufahren" und innezuhalten. Vielleicht ist jetzt die Zeit, um endlich das lange geplante Buch zu schreiben. Oder wieder das Musikinstrument auszupacken, das schon seit Jahren auf dem Schrank verstaubt. Oder, um sich einfach nur zu entspannen.
- Entspannen: Meditation und Achtsamkeitsübungen sind gut geeignet, um sich negativer Gedanken bewusst zu werden und bewusst abzuschalten. Eine leicht zu erlernende Entspannungstechnik für Anfänger ist die progressive Muskelentspannung. Wer bislang noch kein Entspannungsverfahren ausprobiert hat, findet im Internet diverse Anleitungen.
- sich etwas Gutes tun: Kochen Sie sich z.B. Ihr Lieblingsessen, hören Sie Musik oder nehmen Sie ein entspannendes Bad.
- raus aus der Hilflosigkeit: Konzentrieren Sie sich auf die Dinge, die Sie beeinflussen können (z. B. Hygiene einhalten, um sich nicht anzustecken) – und nicht auf solche, auf die Sie keinen direkten Einfluss haben (z. B. die Kontaktsperre zu beenden).
Gut zu wissen: Gefühle von Angst, Aufregung oder Überforderung sind jetzt völlig normal. Es gibt keinen Grund, sich deswegen zu verurteilen. Die Nichtregierungsorganisation Mental Health Europe rät, solchen Gefühlen gezielt Ausdruck zu verleihen – zum Beispiel, indem man sie in einem Tagebuch festhält, ein Bild dazu malt oder mit anderen darüber spricht.
2. Geben Sie dem Tag eine Struktur
Fallen regelmäßige Termine oder Verpflichtungen weg – etwa der Weg zur Arbeit oder der wöchentliche Sportkurs –, gerät der Alltag völlig durcheinander. Gerade Menschen, die zu Depressionen neigen, geht es oft schlechter, wenn ihr Tagesablauf nicht strukturiert ist.
Daher gilt: Sorgen Sie für eine Struktur, auch, wenn Sie nicht unmittelbar von einer Depression betroffen sind. Die Stiftung Deutsche Depressionshilfe empfiehlt, den Tag und am besten die ganze Woche im Vorfeld zu planen. Im Plan halten Sie zum Beispiel fest, wann
- Sie morgens aufstehen,
- Sie arbeiten (wenn Sie Homeoffice machen),
- es eine Pause gibt,
- Sie ins Bett gehen oder wann
- Sie Sport, Entspannung oder andere Aktivitäten verrichten möchten.
Versuchen Sie, sich an diese Struktur weitgehend zu halten und nicht etwa deutlich länger zu schlafen. Planen Sie gezielt angenehme Aktivitäten ein. Das könnte zum Beispiel sein, ein Buch zu lesen, einen lieben Menschen anzurufen oder einen Film zu gucken.
3. Bleiben Sie körperlich und geistig in Bewegung
Ein Kontaktverbot bedeutet nicht, 24 Stunden am Tag zu Hause bleiben zu müssen. Bleiben Sie aktiv, am besten an der frischen Luft. Wer sich regelmäßig bewegt, kann erste Symptome einer Depression lindern und das Wohlbefinden steigern. Gut geeignet sind zum Beispiel
- ein täglicher, langer Spaziergang,
- Walking,
- Joggen oder
- eine Radtour.
Auch in der Wohnung kann man sich körperlich betätigen, zum Beispiel mithilfe von Fitnessvideos zum Mitmachen.
Ebenso wichtig wie körperliche Aktivität ist die geistige. Beschäftigen Sie sich zum Beispiel mit Denksport, lesen Sie ein Buch oder schreiben Sie.
Lesen Sie mehr: Die besten Sportalternativen zum Fitnessstudio
4. Halten Sie soziale Kontakte aufrecht
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Vor allem Personen, die allein in einem Haushalt wohnen und/oder sich schnell einsam fühlen, trifft das Kontaktverbot hart. Wer anfällig für eine Depression ist, verstrickt sich jetzt schnell in negative Gedanken.
Machen Sie sich bewusst: Es handelt sich um ein physisches Kontaktverbot und nicht um ein soziales. Kontakte sind erlaubt, nur eben nicht direkt. Ob Telefon, E-Mail oder Chat: Heutzutage gibt es viele Möglichkeiten der Kontaktaufnahme. Mit einem Videoanruf können Sie Freunde und Bekannte in Bild und Ton "ins Haus" holen. Das ist zwar kein Ersatz für einen persönlichen Kontakt, kann aber eine Zeitlang ein guter Kompromiss sein.
Trotz der räumlichen Distanz kann die Corona-Krise zusammenschweißen, sitzen wir doch gewissermaßen alle im selben Boot. Im Austausch kann man gemeinsame Sorgen und Ängste teilen und sich Trost spenden. Daneben bietet sich aber auch die Möglichkeit, einmal über ganz andere Dinge zu sprechen oder zu schreiben – jenseits der Corona-Krise. So kann man zum Beispiel gemeinsam bereits Pläne für die Zukunft schmieden, für die Zeit, in der die Kontaktsperre aufgehoben ist. Eine solche gedankliche Auszeit von der aktuellen Situation kann sehr wohltuend sein. Sie macht bewusst, dass es neben dem Coronavirus auch weiterhin noch viele andere (positive) Themen gibt.
5. Vorsicht vor Fake News und Panikmache
"Bald sind die Supermärkte geschlossen", "Jeder sollte eine Atemschutzmaske tragen", "Das Coronavirus wurde im Labor entwickelt und absichtlich verbreitet" – das Internet ist voll von kuriosen oder schlicht falschen Behauptungen wie diesen. Wer solche Fake News glaubt, verfällt leicht in Panik.
Angesichts der Informationsfülle ist es jedoch nicht leicht, zwischen seriösen und unseriösen Angaben zu unterscheiden. Es empfiehlt sich, sich auf die offiziellen Angaben der Behörden und anerkannten Gesundheitseinrichtungen zu verlassen. Dazu zählen etwa
- das Robert-Koch-Institut,
- die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA),
- das Bundesgesundheitsministerium und
- die Weltgesundheitsinformation WHO (mit Informationen in englischer Sprache)
Aktuelle Fallzahlen in den einzelnen Ländern bietet das Coronavirus Resource Center der Johns Hopkins Universität. Wer sich an diese Quellen hält und/oder regelmäßig eine Nachrichtensendung guckt, ist in der Regel ausreichend informiert.
Je intensiver und öfter man sich mit dem Coronavirus beschäftigt, desto mehr rückt dieses Thema für einen selbst in den Mittelpunkt. Aus Angst, etwas zu verpassen, werden manche zum regelrechten Nachrichtenjunkie: Sie prüfen stündlich oder gar minütlich auf diversen Seiten, ob es etwas Neues gibt. Allzu leicht kann man sich in Online-Foren oder Chats gegenseitig so sehr mit Befürchtungen aufschaukeln, dass aus einer leichten Besorgnis eine Angst oder gar eine Panik wird.
Andere wichtige oder schöne Themen verlieren dadurch an Bedeutung. Gerade für psychisch labile Personen ist es jedoch wichtig, sich auf andere Dinge zu konzentrieren und dem Thema Coronavirus nicht zu viel Raum zu geben. Daher gilt: Informieren – ja, Panikmache und übertriebene Informationssuche – nein! Gönnen Sie sich bewusst eine Nachrichtenpause und nehmen Sie sich stattdessen Zeit für etwas anderes.
Tipp: Die negativen Nachrichten in der Berichterstattung überwiegen in der Regel deutlich. Aber es gibt auch positive Berichte. Manchen hilft es, gezielt solche positiven Nachrichten zu lesen, um wieder Hoffnung und Zuversicht zu gewinnen.
Auch wenn es zunächst schwerfällt: Achten Sie ganz bewusst darauf, sich nicht von übertriebenen oder plakativen Berichterstattungen leiten zu lassen. Informieren Sie sich stattdessen bei einer seriösen Quelle – nur so oft, wie es Ihnen persönlich gut tut.
6. Bei leichten Depressionen: Digitale Hilfestellungen
Mögliche Anzeichen einer (beginnenden) Depression sind Freudlosigkeit, Interessenverlust, eine gedrückte Stimmung und Antriebslosigkeit. Sind diese Symptome eher leicht ausgeprägt, können vorübergehend spezielle Apps unterstützen. Zwei Beispiele:
iFightDepression
Das Tool iFightDepression der Stiftung Deutsche Depressionshilfe richtet sich an Menschen mit einer leichten Depression. Das Online-Programm bietet nicht nur Informationen über Depressionen, sondern auch praktische Tipps im Umgang mit der Erkrankung.
Für eine bestmögliche Behandlung sollten Personen Online-Programme wie IFightDepression normalerweise nur nutzen, wenn sie parallel von einem Psychotherapeuten oder einen Arzt begleitet werden. In der Corona-Krise ist das allerdings nicht immer so einfach möglich. Daher lässt die Stiftung Deutsche Depressionshilfe das Programm nun auch als alleinige Maßnahme zur Selbsthilfe zu – zunächst für einen Zeitraum von sechs Wochen.
Moodpath
Die kostenlose App ist in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin entwickelt worden. Das Programm ermittelt über einen bestimmten Zeitraum die Stimmung des Nutzers und bewertet, ob es sich tatsächlich um eine Depression handeln könnte. Auch bietet die App die Möglichkeit, den eigenen Stimmungsverlauf zu dokumentieren. Darüber hinaus stehen dem Nutzer verschiedene Informationsmaterialien und Kurse zur Verfügung, zum Beispiel geführte Meditationen oder Schlafhilfen.
Wichtig: Solche Apps sind kein Ersatz für eine professionelle Therapie.
Wenn Selbsthilfe nicht reicht
Wichtig bei einem Notfall
In einer akuten psychischen Krise gilt: Suchen Sie umgehend eine psychiatrische Klinik oder einen Arzt auf oder rufen Sie den Notarzt unter der Telefonnummer 112.
Wer unter Ängsten, Depressionen oder anderen psychischen Beschwerden leidet, schafft es nicht immer aus eigener Kraft, aktiv gegenzusteuern. Ein erster Schritt kann sein, Personen aus dem Umfeld um Unterstützung zu bitten. Bei akutem Redebedarf kann die Telefonseelsorge weiterhelfen. Dabei gibt es die Möglichkeit, anonym zu bleiben. Die Telefonseelsorge erreichen Sie kostenlos und rund um die Uhr unter den Nummern:
- 0800 - 111 0 111 und
- 0800 - 111 0 222.
Reichen solche Maßnahmen nicht aus, sollte man sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Auch in der Corona-Krise stehen Menschen mit Ängsten, Depressionen oder anderen psychischen Beschwerden alle Hilfsangebote zur Verfügung. Ärzte, psychiatrische Kliniken und psychotherapeutische Praxen sind nach wie vor geöffnet. Personen, die wegen einer psychischen Erkrankung in Behandlung sind, können also auch weiterhin die Praxis aufsuchen.
Zudem bieten viele Psychotherapeuten jetzt vermehrt Video-Sprechstunden oder Telefonate für Patienten an, die bereits bei ihnen in Therapie sind. Bislang war die Zahl solcher Angebote begrenzt, angesichts der aktuellen Situation wurden die Regelungen nun gelockert. Dies gilt vorerst für das zweite Quartal 2020.
iFightDepression Tool. Online-Informationen der Stiftung Deutsche Depressionshilfe: www.deutsche-depressionshilfe.de (Abrufdatum: 23.3.2020)
Hinweise für an Depression erkrankte Menschen während der Corona-Krise. Online-Informationen der Stiftung Deutsche Depressionshilfe: www.deutsche-depressionshilfe.de (Abrufdatum: 23.3.2020)
Pressemitteilung des Deutschlandfunks: Doppelt so viele Anrufe bei der Telefonseelsorge wegen Corona-Virus (21.3.2020)
Coronavirus: Videosprechstunden unbegrenzt möglich. Online-Information der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KVB): www.kbv.de (Stand: 16.3.2020)
Coronavirus: 8 ways to look after your mental health. Online-Informationen von Mental Health Europe: mentalhealth.org.uk (Stand: 13.3.2020)
Tipps bei häuslicher Quarantäne (PDF). Online-Informationen des Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK): www.bbk.bund.de (Stand: 2020)
Weitere Informationen
Onmeda-Lesetipps:
- Warum Zusammenhalt in der Corona-Krise besonders wichtig ist
- Wie lange dauert die Corona-Krise?
- Interview: Wie gehe ich mit der Angst vor dem Coronavirus um
- Weitere Informationen rund um das Coronavirus finden Sie in unserer Themeninsel
Linktipps:
- iFightDepression: Online-Programm für Menschen mit leichten Depressionen
- zur App Moodpath
- Informationen zum neuartigen Coronavirus der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
- Informationen der WHO (in englischer Sprache)
- Bundesgesundheitsministerium: Tagesaktuelle Informationen zum Coronavirus
Letzte Änderung: 26.03.2020