Corona: Ist die Pandemie vorbei, wenn der Impfstoff da ist?
Bald könnte eintreten, worauf die Menschheit mit Hochspannung wartet: ein Impfstoff gegen das Coronavirus könnte zum Einsatz kommen. Wann ist es soweit? Und was passiert, wenn der Impfstoff endlich da ist? Ist die Pandemie dann vorbei?

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Vorsichtige Euphorie herrschte, als die Pharmahersteller Pfizer und BioNTech bekanntgaben, dass ihr Impfstoff in einer Phase-3-Studie eine Schutzwirkung von 90 Prozent erzielt hat, ohne dass es zu schweren Komplikationen kam. Das bedeutet, dass neun von zehn Menschen durch diese Impfung vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 geschützt wären. Die Weltgesundheitsorganisation fordert eine Schutzwirkung von mindestens 50 Prozent. Der potenzielle Impfstoff übertrifft diese Erwartungen also bei Weitem.
Video: Wie funktioniert der Corona-Impfstoff?
Getestet wurde an insgesamt 44.000 Probanden, von denen rund die Hälfte ein wirkungsloses Placebo erhielt. Der Impfstoff wird in zwei Dosen im Abstand von drei Wochen in einen Muskel gespritzt. Der Schutz soll 28 Tage nach Gabe der ersten Dosis eintreten. Mindestens 60 Tage lang müssen die Probanden, die den Impfstoff verabreicht bekommen haben, beobachtet werden. So wollen die Forscher sichergehen, dass nicht doch noch Komplikationen auftreten.
Auch der US-Hersteller Moderna gab nun bekannt, dass er in einer laufenden Phase-3-Studie mit seinem Impfstoff eine Schutzwirkung von 94,5 Prozent erzielt hat. Der Hersteller will einen Eilantrag auf Zulassung stellen. Die Verträglichkeit dieses Stoffes scheint ebenfalls gut zu sein.
Vielversprechende Impfstoffe stehen also bereit, auch wenn noch nicht garantiert ist, dass sie auch wirklich zugelassen werden. Denn es können theoretisch immer noch Komplikationen auftreten. Es befinden sich derzeit jedoch noch rund 200 weitere potenzielle Impfstoffe in der Prüfung.
Heißt das, dass der Impfstoff nun bald verfügbar sein wird?
Die Phase-3-Studie ist die für die Zulassung entscheidende Prüfungsphase, in der der Impfstoff an Freiwilligen getestet wird. Sie ist noch nicht abgeschlossen, die Erfolgsmeldung nur ein Zwischenergebnis.
Bis der Impfstoff zugelassen ist, kann es noch also noch eine Weile dauern. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geht davon aus, dass ein Impfstoff im ersten Quartal des kommenden Jahres in Deutschland erhältlich sein wird.
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Wie wirkt der Impfstoff?
Sowohl BioNTech als auch Moderna haben mRNA-Impfstoffe entwickelt, die auf einer völlig neuen Methode basieren. Normalerweise kommen bei einer Impfung Lebend- oder Totimpfstoffe zum Einsatz. So zum Beispiel bei der Grippe-Impfung. Sie enthalten das Virus in abgeschwächter oder zerstörter Form. Ein mRNA-Impfstoff dagegen enthält die genetischen Informationen des Virus-Antigens. Anhand von Antigenen erkennt unser Körper Eindringlinge und bildet Antikörper. Mit der Impfung erhält unser Körper den Bauplan für das Antigen von SARS-CoV-2 und stellt es selbst her. Von diesem Bruchstück des Virus selbst geht keine Gefahr aus. Doch unser Körper kann nun darauf zugeschnittene Antikörper produzieren. Kommt er dann tatsächlich mal mit dem Virus in Kontakt, ist das Immunsystem vorbereitet.
Ein mRNA-Impfstoff ist bislang noch nicht zugelassen. Er gilt jedoch als besonders arm an Nebenwirkungen. Außerdem lässt er sich relativ einfach und in größerer Menge herstellen. Das ist wichtig, weil der Impfstoff so recht zügig auf eventuelle Mutationen des Virus hin angepasst werden könnte.
Achtung: Bei dieser Impfung werden keine genetischen Informationen in unsere DNA eingebaut, wie an einigen Stellen behauptet wird. Das wäre so auch überhaupt nicht möglich.
Was passiert nach der Zulassung?
Auch nach der Zulassung eines Impfstoffs steht erst einmal nur eine begrenzte Zahl an Impfdosen zur Verfügung. Daher wird vermutlich gestaffelt geimpft. Ein konkreter Plan dafür liegt noch nicht vor. Die Ständige Impfkommission beim Robert Koch-Institut und Vertreter des Ethikrats und der Leopoldina haben jedoch gemeinsam eine Empfehlung ausgearbeitet.
Demnach dürfen sich zuerst medizinisches Personal und Risikogruppen impfen lassen. Anschließend wären Menschen mit systemrelevanten Berufen an der Reihe, zum Beispiel Lehrer. Erst danach bekommen auch andere Personen Zugang zum Impfstoff.
Ist die Pandemie dann vorbei?
Von dem Impfstoff erhofft man sich, dass er zu einer Herdenimmunität in der Bevölkerung führt. Das bedeutet, dass so viele Menschen immun gegen das Virus sind, dass eine neu entstehende Infektionskette sofort wieder abbricht. So kann sich die Krankheit nicht weiter ausbreiten. Indirekt sind dann auch diejenigen geschützt, die sich nicht haben impfen lassen. Ab wann das Prinzip der Herdenimmunität greift, ist je nach Krankheit verschieden. Matthias Schrappe, ehemaliger stellvertretende Vorsitzender des Sachverständigenrats Gesundheit der Bundesregierung, geht davon aus, dass rund 60 Millionen Menschen gegen Covid-19 geimpft werden müssen, um einen Gemeinschaftsschutz zu erreichen.
Video: Ist die Pandemie vorbei, wenn der Impfstoff da ist?
Er rechnet in einem Thesenpapier vor: Selbst, wenn Ärzte pro Tag rund 60.000 Menschen gegen SARS-CoV-2 impfen würden, würde es bis zur Herdenimmunität etwa vier Jahre dauern. Auch ist noch nicht klar, wie lange der Impfschutz halten wird.
Die Frage ist auch, ob sich überhaupt ausreichend viele Menschen impfen lassen werden. Eine Impfpflicht wird es nicht geben. Umfragen zufolge sind derzeit rund 70 Prozent der Deutschen grundsätzlich bereit, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen. Das würde für einen Gemeinschaftsschutz ausreichen.
Lesetipp: Herdenimmunität: Impfungen schützen auch die Gemeinschaft
Dass der Impfstoff da ist, heißt also nicht, dass wir sofort wieder sorglos leben können wie vor der Pandemie. Die AHA-Regel wird uns noch eine Weile begleiten. Ein entscheidender Schritt wäre mit der Zulassung eines Impfstoffs aber getan.
Wie sicher ist der Impfstoff?
Normalerweise dauert es mehrere Jahre, bis ein Impfschutz entwickelt, erprobt und zugelassen ist. Auch wenn man derzeit besonders schnell versucht, einen Impfstoff zu entwickeln und unter die Bevölkerung zu bringen – die Sicherheitsbestimmungen sind die gleichen wie auch bei anderen Impfstoffen. Jedoch werden Zulassungen und Genehmigungen beschleunigt und mehr Geld und Möglichkeiten zur Verfügung gestellt.
Auch wenn mRNA-Impfstoffe noch recht neu sind und deshalb bislang noch keiner zugelassen ist: Fachleute halten diese Art des Impfstoffs für besonders sicher. Nebenwirkungen kann es dennoch in seltenen Fällen geben, wie bei jedem anderen Impfstoff auch.
SARS-CoV-2: Impfstoff von Moderna erreicht Schutzwirkung von 94,5 %. Online-Information des Deutschen Ärzteblatts: www.aerzteblatt.de (Stand: 16.11.2020)
Online-Informationen des Paul-Ehrlich-Instituts: www.pei.de (Abrufdatum: 16.11.2020)
Online-Informationen des Robert-Koch-Instituts: www.rki.de (Abrufdatum: 16.11.2020)
Online-Informationen der Weltgesundheitsorganisation: www.euro.who.int (Abrufdatum: 16.11.2020)
Online-Informationen des Verbands forschender Arzneimittelhersteller: www.vfa.de (Abrufdatum: 16.11.2020)
Online-Informationen der Bundesregierung: www.bundesregierung.de (Stand: 12.11.2020)
Klare Mehrheit zu Impfung bereit. Online-Informationen der ARD: www.ard.de (Stand: 12.11.2020)
Pfizer and BioNTech Announce Vaccine Candidate Against COVID-19 Achieved Success in First Interim Analysis from Phase 3 Study. Pressemitteilung von BioNTech (9.11.2020)
Die Pandemie durch SARS-CoV-2/Covid-19, Thesenpapier 2. Online-Information von Matthias Schrappe: www.matthias.schrappe.com (Stand: 3.5.2020)
Letzte inhaltliche Prüfung: 17.11.2020Letzte Änderung: 18.11.2020