Das Bild zeigt einen Mann, der mittels Strahlentherapie an der Schilddrüse behandelt wird.
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Teilchenbeschleuniger

Von: Onmeda-Redaktion, Astrid Clasen (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 12.10.2021

Teilchenbeschleuniger dienen dazu, kleinste geladene Teilchen durch elektrische Felder extrem zu beschleunigen. Die so erzeugte energiereiche Strahlung kommt in der Medizin zur Behandlung verschiedener gutartiger und bösartiger Erkrankungen (Krebs) zum Einsatz.

Allgemeines

Teilchenbeschleuniger sind also ein wichtiger Bestandteil der Strahlentherapie und Radioonkologie. In den hierbei verwendeten Anlagen findet die Beschleunigung mithilfe rasch wechselnder elektrischer Felder innerhalb eines Magnetfeldes statt: Entsprechend bezeichnet man sie als Wechselspannungsbeschleuniger (bzw. Hochfrequenzbeschleuniger, HF-Beschleuniger). Es besteht aber auch die Möglichkeit, Teilchen mit einem unveränderlichen (statischen) elektrischen Feld zu beschleunigen: Ein Beispiel für einen solchen Gleichspannungsbeschleuniger in der Medizin ist die Röntgenröhre.

Die zur Strahlentherapie verwendeten Teilchenbeschleuniger beschleunigen die Teilchen mit wechselnden elektrischen Feldern in geraden oder kreisförmigen Bahnen. Entsprechend unterteilt man sie in:

  • Linearbeschleuniger und
  • Kreisbeschleuniger (bzw. Ringbeschleuniger).

Die in der Medizin am häufigsten eingesetzten Teilchenbeschleuniger sind Linearbeschleuniger, die zur Erzeugung der künstlichen Strahlung Elektronen verwenden. Die Geräte sind weitgehend automatisiert und lenken die künstliche Strahlung zielgenau auf den Bereich des Körpers, der bestrahlt werden soll.

Je nach Anwendungsgebiet kann man dabei entweder direkt die beschleunigten Elektronen – also die Elektronenstrahlung – nutzen oder mit ihrer Hilfe eine andere Strahlung – eine sogenannte Sekundärstrahlung – erzeugen. Hierzu ist es nötig, die Elektronen im Gerät plötzlich abzubremsen: Dadurch entstehen hochenergetische Photonen.

  • Die Photonenstrahlung (auch als ultraharte Röntgenstrahlung oder Röntgenbremsstrahlung bezeichnet) dringt tiefer ins Gewebe ein und kann somit auch tiefer liegende Tumoren (z.B. in der Lunge) erreichen,
  • während die Elektronenstrahlung (auch Beta-Strahlung genannt) nur geringfügig ins Gewebe eindringt und deshalb zur oberflächlicheren Bestrahlung geeignet ist.

Meist kommen Teilchenbeschleuniger zum Einsatz, um bösartige Tumoren wie Lungenkrebs zu bestrahlen. Diese Behandlung ergänzt – je nach vorliegender Krebserkrankung – die operative Krebstherapie sowie die Chemo- und Immuntherapien. Neben bösartigen Erkrankungen setzen Ärzte Beschleuniger aber auch ein, um beispielsweise bestimmte Gelenkerkrankungen wie die Gelenkentzündung (Arthritis) und Gelenkverschleiß (Arthrose) zu behandeln. Wie oft und mit welcher Intensität die Bestrahlung nötig ist, richtet sich nach der jeweiligen Erkrankung.

Prinzip

Alle Teilchenbeschleuniger sind im Prinzip ähnlich aufgebaut: Sie verfügen über eine Teilchenquelle und eine Struktur, in der die Beschleunigung dieser Teilchen stattfindet. Bei zur Strahlentherapie verwendeten Beschleunigern besteht die Teilchenquelle typischerweise in einer sogenannten Glühkathode, die Elektronen in ein luftleeres Beschleunigungsrohr entsendet.

Die Beschleunigung geschieht heute überwiegend in geraden Beschleunigerröhren. Daher trägt diese Teilchenbeschleuniger auch den Namen Linearbeschleuniger. Daneben gibt es auch Beschleuniger, bei denen sich die Teilchen auf einer Kreisbahn bewegen: Diese heißen entsprechend Kreisbeschleuniger oder Ringbeschleuniger. Ein typisches Beispiel hierfür ist das sogenannte Betatron, das früher auch strahlentherapeutischen Zwecken diente.

Der Teilchenbeschleuniger beschleunigt die Teilchen, bis sie die erwünschte Energie erreichen. Die übliche Einheit für Energie ist Joule (J). Allerdings ist die Bewegungsenergie der Teilchen trotz ihrer extremen Beschleunigung sehr gering, sodass die Energieangabe in Joule unpraktisch wäre. Darum gibt man die Energie in diesem Fall in Elektronenvolt (eV) an:

1 eV = 1,6022 x 10-19 J

Überwiegend beschleunigen die in der Medizin verwendeten Teilchenbeschleuniger Elektronen auf Energien von etwa 20 Megaelektronenvolt (20 x 106 Elektronenvolt).

Die Teilchenbeschleunigung findet mithilfe rasch wechselnder elektrischer Felder innerhalb eines Magnetfeldes statt. Streufolien und Blenden im Teilchenbeschleuniger sorgen dafür, dass sich die Elektronenstrahlung auffächert und optimal auf das gewünschte Bestrahlungsfeld trifft. Elektronenstrahlung dringt nicht tief ins Köpergewebe ein und ist deshalb gut geeignet, um oberflächliche Tumoren zu behandeln.

Die Strahlentherapie mit einem Teilchenbeschleuniger kann auch eine andere Form der Strahlung nutzen: die Photonenstrahlung – als sogenannte ultraharte Röntgenstrahlung beziehungsweise Röntgenbremsstrahlung. Letztere Bezeichnung deutet dabei das zugrundeliegende Prinzip bereits an: Die beschleunigten Elektronen prallen auf eine Metallfolie, ihr abruptes Abbremsen erzeugt die Strahlung. Auch hier richten Blenden am Beschleuniger die Strahlung auf die zu behandelnde Körperregion aus. Die Photonenstrahlung dringt dabei tiefer ins Gewebe ein als Elektronenstrahlung. Sie eignet sich deshalb für die Behandlung von Tumoren im Innern des Körpers.

Die Menge der mit dem Teilchenbeschleuniger verabreichten Strahlung (die Energie- bzw. Äquivalentdosis) gibt man in der Einheit Gray an. Die heilende oder zumindest lindernde Dosis sowie deren Verteilung im Körper ermittelt der Arzt zusammen mit einem Medizinphysiker mithilfe eines speziellen Planungsrechnersystems. Es ist allerdings nicht üblich, die Dosis auf einmal zu verabreichen. Dazu ein Beispiel: Wenn sich jemand wegen Lungenkrebs einer Strahlentherapie mit heilender (kurativer) Absicht unterzieht, beträgt die eingestrahlte Dosis üblicherweise 60 bis 70 Gray. Diese Gesamtdosis verteilen die Ärzte auf Einzeldosen von etwa zwei Gray an fünf Tagen pro Woche über einen Zeitraum von sechs Wochen.

Die sogenannte Energiedosisleistung, die ein Teilchenbeschleuniger erzeugt, beträgt etwa 6 Gray pro Minute. Ein Linearbeschleuniger kann aufgrund seines Aufbaus zwar erheblich höhere Dosisleistungen erzeugen, diese sind dann allerdings nicht für strahlentherapeutische Zwecke geeignet.

Jeder Teilchenbeschleuniger verfügt über viele verschiedene Sicherheitssysteme, um die Funktion des Gerätes zu überwachen. Dazu gehören zum Beispiel auch Dosismessgeräte, die dafür sorgen, dass niemand eine höhere Dosis erhält als vom Arzt vorgesehen.

Anwendung

In der Medizin kommen Teilchenbeschleuniger überwiegend zur Krebstherapie zum Einsatz: Die Anwendung von Elektronenstrahlung eignet sich zur Bestrahlung oberflächlicherer Tumoren, während tiefer liegende Tumoren nur durch Photonenstrahlung (bzw. ultraharte Röntgenstrahlung) erreichbar ist.

Typische Anwendungsbeispiele für Teilchenbeschleuniger sind:

Neben Krebs können Teilchenbeschleuniger auch zur Behandlung verschiedener anderer Erkrankungen beitragen. Die Bestrahlung kann zum Beispiel gegen chronische Entzündungen und Verschleißerkrankungen der Gelenke (wie Arthrose) helfen.