Das Bild zeigt ein Gespräch zwischen einem älteren Patienten und einem Arzt.
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Strahlentherapie (Radiotherapie)

Von: Wiebke Posmyk (Medizinjournalistin, Diplom-Pädagogin, M.A. Media Education)
Letzte Aktualisierung: 17.12.2021

Mithilfe der Strahlentherapie (Radiotherapie) werden bösartige Tumorzellen im Körper geschädigt – mit dem Ziel, dass ein Tumor schrumpft, langsamer wächst oder das Wachstum einstellt. Bei der Strahlentherapie kommt ionisierende Strahlung zum Einsatz, wie etwa Röntgen- oder Elektronenstrahlung.

Allgemeines

Die Therapie von Krebserkrankungen basiert auf drei Säulen:

Wann eine Strahlentherapie am besten geeignet ist, hängt von vielen Faktoren ab, so zum Beispiel von der Krebsart und davon, wie weit fortgeschritten die Erkrankung ist. Manche Krebsarten reagieren sehr sensibel auf Strahlung und können daher mit einer Strahlentherapie gut behandelt werden. Häufig kombinieren Ärzte jedoch verschiedene Therapien miteinander. Bei manchen Tumorarten können zusätzlich auch weitere Behandlungsformen sinnvoll sein, so etwa eine Hormontherapie oder eine Immuntherapie.

Die Strahlentherapie wird auch als Radiotherapie, Bestrahlung oder Radioonkologie bezeichnet.

Es gibt unterschiedliche Arten der Strahlentherapie. In den meisten Fällen handelt es sich um eine sogenannte äußere Strahlentherapie – dabei liegt die Strahlenquelle außerhalb des Körpers, das heißt, die betroffene Körperstelle wird von außen mithilfe eines Geräts bestrahlt. Bei der inneren Strahlentherapie (Brachytherapie) hingegen bringt man die Strahlenquelle in den Körper – entweder direkt in den Tumor oder in unmittelbarer Nähe des Tumors.

Eine Strahlentherapie kommt nicht nur infrage, wenn es darum geht, eine Krebserkrankung zu heilen. Auch im fortgeschrittenen, nicht mehr heilbaren Stadium von Krebs kann eine Strahlentherapie sinnvoll sein, so zum Beispiel, um durch ein vermindertes Tumorwachstum mögliche Schmerzen zu lindern. Im Gegensatz zur Chemotherapie hat die Strahlentherapie den Vorteil, dass gesundes Gewebe weitgehend geschützt werden kann.

Im weitesten Sinne zählt auch die Behandlung mit elektromagnetischen Wellen aus anderen Frequenzbereichen zur Strahlentherapie – so zum Beispiel mit Mikrowellen im Rahmen einer Hyperthermie, also einer gezielten Erwärmung des Köpers oder Teilen davon.

Wirkung und Ziele

Die Strahlentherapie hat auf gesunde Zellen eine andere Wirkung als auf Tumorzellen. Diesen Effekt macht sich die Strahlentherapie zunutze.

Die Zelle ist das kleinste funktionsfähige Element in einem Organismus – und auch in jedem Tumor. Die meisten Zellen müssen ständig ersetzt werden. Dies geschieht durch Zellteilung. Bevor sich eine Zelle teilt, kopiert sich die im Zellkern befindliche Erbsubstanz (DNA) – somit entstehen nach der Teilung zwei funktionsfähige Zellen mit der identischen DNA.

Die in der Strahlentherapie verwendete Strahlung hemmt oder verhindert die Zellteilung im Körper – die Zelle stirbt irgendwann ab. Dass dabei vor allem Tumorzellen zugrunde gehen und weniger gesunde Zellen, liegt an einer Besonderheit: Jede Zelle ist in einem gewissen Maß dazu in der Lage, kleine Defekte zu reparieren. Bei gesunden Zellen ist dieser Reparaturmechanismus deutlich ausgeprägter als bei Tumorzellen, sie sind also widerstandsfähiger gegen Strahlung. Das heißt, bei einer Strahlentherapie nehmen zwar auch gesunde Zellen Schaden, sie können sich jedoch besser davon erholen.

Die Dosiseinheit für die Strahlung ist das Gray (Gy). Sie gibt an, wie viel Energie das bestrahlte Gewebe aufnimmt. Wie hoch die bei der Strahlentherapie verwendete Strahlendosis ist, hängt unter anderem davon ab, wie empfindlich der Tumor auf die Strahlung reagiert. Meist liegt die Dosis zwischen 40 und 70 Gray.

Zu Beginn der Therapie entscheidet der Arzt, wie hoch die Gesamtdosis sein soll. Um den Patienten zu schonen, wird die Dosis in mehrere Einzeldosen unterteilt, die in Abständen über mehrere Wochen hinweg gegeben werden. Die Gabe in kleinen Einzeldosen ist verträglicher und wird Fraktionierung genannt.

Ziele

Eine Strahlentherapie kann unterschiedliche Ziele verfolgen. Sie dient nicht nur dazu, den Patienten zu heilen, sondern soll auch Beschwerden lindern.

Die Strahlentherapie kann entweder als Einzeltherapie oder in Kombination mit anderen Therapieformen sinnvoll sein. Häufig wird sie in Begleitung zu Operation oder Chemotherapie angewandt (sog. additive Strahlentherapie).

Je nach Ziel unterscheidet man zwischen kurativer und symptomatischer beziehungsweise palliativer Strahlentherapie:

  • Die kurative Strahlentherapie hat das Ziel, die Krebserkrankung zu heilen, so z.B. bei einem Tumor, aber auch, um nach einer Operation einem Rückfall vorzubeugen (adjuvante Strahlentherapie).
  • Bei der symptomatischen oder palliativen Strahlentherapie ist das Ziel, Beschwerden zu lindern oder auch das Leben zu verlängern. Sie kommt zum Einsatz, wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist. Vor allem Schmerzen können durch eine Strahlentherapie gut behandelt werden, so z.B. Knochenschmerzen durch Tochtergeschwulste.

Formen

Es gibt mehrere Formen der Strahlentherapie. In den meisten Fällen wird der betroffene Körperbereich von außen bestrahlt (äußere Strahlentherapie). Es gibt aber auch die Möglichkeit, die Strahlenquelle direkt in den Körper einzubringen (innere Strahlentherapie).

Äußere Strahlentherapie (externe Strahlentherapie)

Die am häufigsten eingesetzte Form der Strahlentherapie ist die äußere oder externe Strahlentherapie. Dabei gibt ein Gerät Strahlung ab, die an der betroffenen Körperstelle durch die Haut bis in den Tumor dringt. Die Strahlenquelle befindet sich also außerhalb des Körpers.

Die zur äußeren Strahlentherapie verwendeten Geräte werden regelmäßig gewartet und verfügen über Sicherungssysteme, die gewährleisten, dass die Bestrahlung genau wie geplant abläuft. Heutzutage kommen meist sogenannte Linearbeschleuniger zum Einsatz, welche unterschiedliche Strahlungsarten produzieren. Während tieferliegende Tumore zum Beispiel gut mit ultraharten Röntgenstrahlen erreicht werden, sind für oberflächlichere Krebsherde negativ geladene Teilchen gut geeignet (sog. Elektronen).

Innere Strahlentherapie (Brachytherapie)

Eine Strahlentherapie kann nicht nur von außen oder während einer Operation (intraoperativ) erfolgen, sondern auch im Inneren des Körpers beziehungsweise direkt am Körper durchgeführt werden. So kann die Strahlenquelle zum Beispiel in unmittelbarer Nähe des Tumors oder direkt im Tumor platziert werden (Brachytherapie).

Der Vorteil der Brachytherapie (griech. brachys = kurz) ist, dass die Strahlen sehr kurze Wege zurücklegen, sodass das gesunde Gewebe weitgehend geschont wird. Ob die innere Strahlentherapie im Einzelfall geeignet ist, hängt jedoch von vielen Faktoren ab, so zum Beispiel von:

  • dem Ort und der Lage des Tumors
  • der Größe des Tumors
  • der Art des Tumors
  • dem Fortschritt der Erkrankung

Es gibt bei der inneren Strahlentherapie mehrere Möglichkeiten, die Strahlenquelle zu platzieren:

  • auf der Haut(sog. Oberflächenapplikation), z.B. bei Hautkrebs
  • in Hohlräume des Körpers (sog. intrakavitäre Brachytherapie), die dicht am Tumor liegen, z.B. in der Speiseröhre oder in den Bronchien
  • direkt in das Tumorgewebe (interstitielle Brachytherapie), z.B. in Brust oder Prostata

Um die Strahlenquelle in den Körper zu bringen, können kleine radioaktive Metallteilchen zum Einsatz kommen – sogenannte Seeds. Der Arzt führt sie beispielsweise über eine Kanüle in den Tumor ein. Die Strahlung der etwa reiskorngroßen Seeds hat nur eine Reichweite von wenigen Millimetern. Mit der Zeit nimmt die Strahlung ab, sodass die Seeds dauerhaft im Körper verbleiben können.

Afterloading

Da das Arbeiten mit Strahlung mit einer hohen Strahlenbelastung für das medizinische Personal verbunden ist, wurde ein sogenanntes Nachladeverfahren entwickelt: das Afterloading. Dabei wird die Strahlenquelle computergesteuert und nicht von Menschenhand in den Körper eingesetzt.

Beim Afterloading können auch stärkere Strahlungsquellen verwendet werden, die jedoch nur relativ kurz im Körper des Patienten bleiben. Vor der Bestrahlung platziert der Arzt beispielsweise einen Applikator in einer Körperöffnung, die sich in der Nähe des Tumors befindet und prüft dann noch einmal mittels Ultraschall oder Röntgenuntersuchung, ob der Applikator in der richtigen Position sitzt. Erst dann wird der Applikator nachträglich computergesteuert mit dem Strahlungsmaterial beladen – daher auch die Bezeichnung Nachladeverfahren.

Der Patient befindet sich dabei in einem abgeschirmten Zimmer, kann sich aber über Mikrofon und Lautsprecher mit dem medizinischen Personal austauschen. Ärzte und Assistenten kommen so nicht mit der Strahlung in Kontakt – was früher grundsätzlich der Fall war. Nach der Bestrahlung wird die Strahlenquelle wieder entfernt. Meist erfolgt die Bestrahlung mehrfach im Abstand einiger Tage.

Nebenwirkungen

Eine Strahlentherapie kann mit unterschiedlichen Nebenwirkungen einhergehen. Dank besserer Planung und moderner Technik können die Nebenwirkungen heutzutage jedoch eingeschränkt werden. Wirklich schwere Nebenwirkungen treten bei der Strahlentherapie eher selten auf – vielmehr handelt es sich meist um vorübergehende Symptome, die kurz nach der Behandlung wieder abklingen. Die meisten Patienten fühlen sich während einer ambulanten Strahlentherapie kaum durch die Nebenwirkungen eingeschränkt. Ob und inwiefern sie arbeiten, Sport treiben oder reisen dürfen, entscheidet der Arzt im Einzelfall.

Dennoch hängen Art und Ausmaß der Nebenwirkungen vor allem von der Strahlendosis und der bestrahlten Körperregion ab. Aber auch die Schwere der Erkrankung und der Allgemeinzustand des Patienten spielen eine Rolle. Je kleiner die Einzeldosis, desto geringer sind die Nebenwirkungen und desto kleiner ist das Risiko von Spätschäden. Ein gewisses Maß an Nebenwirkungen muss fast jeder Patient in Kauf nehmen. Eine positive Einstellung ist das beste Mittel, um Beschwerden durch die Strahlentherapie zu trotzen.

Zu möglichen akuten Nebenwirkungen einer Strahlentherapie zählen beispielsweise Symptome wie:

Lokale Nebenwirkungen treten in der Regel nur im Bereich der bestrahlten Region auf – zu Haarausfall auf dem Kopf kann es demnach nur dann kommen, wenn auch tatsächlich der Kopfbereich bestrahlt worden ist.

Nach einigen Monaten bis Jahren können noch Spätreaktionen auftreten, so zum Beispiel eine Verfärbung der Haut.

Manche Patienten stellen sich die Frage, ob eine Strahlentherapie selbst zu Krebs führen kann. Dieses Risiko ist jedoch im Vergleich zum Nutzen verschwindend gering – vielmehr wird die Strahlung exakt auf das kranke Gewebe gerichtet und die Strahlendosis auf das Nötigste reduziert.

Ablauf

Wie sieht der Ablauf einer Strahlentherapie aus? Je nach Einzelfall wird der Arzt die Strahlentherapie mit anderen Behandlungsformen kombinieren, und auch die Art und Dauer der Strahlentherapie individuell festlegen.

Ist eine Strahlentherapie geplant, sucht der Patient zunächst den Radioonkologen auf. Im Idealfall bringt der Patient alle relevanten Unterlagen mit, so zum Beispiel Berichte über vorangegangene Operationen oder Röntgenbilder. Nach einer körperlichen Untersuchung wird der Arzt mit dem Patienten Ziel und Ablauf der Strahlentherapie besprechen. Im Gespräch besteht die Möglichkeit, offene Fragen zu klären, etwa die nach den Nebenwirkungen. Manchmal kann es dem Patienten helfen, wenn er eine nahestehende Person zum Aufklärungsgespräch mitbringt – so kann er die Informationen später eventuell besser verarbeiten und sich mit seinem Gegenüber austauschen.

Vor Beginn der Strahlentherapie arbeitet der Arzt je nach Art der Erkrankung einen individuellen Behandlungsplan aus, in welchem er den genauen Ablauf inklusive Strahlendosis, Zeitplan und Strahlenart festlegt. Hierbei kann eine Computertomographie des betreffenden Körperbereichs sinnvoll sein, damit der Arzt bestimmen kann, wo genau bestrahlt wird. Noch bevor die erste Behandlung erfolgt, muss der Patient schriftlich einwilligen, dass er die Therapie wünscht.

Anschließend wird die Therapie simuliert: Der Patient kommt unter ein spezielles Röntgengerät, das als Simulator dient. Nun nimmt der Arzt exakt die geplanten Einstellungen vor; anhand des Geräts kann er testen, ob der Behandlungsplan optimal ist. Dies ist wichtig, um zu gewährleisten, dass die Strahlen auch tatsächlich den erkrankten Körperbereich treffen und gesundes Gewebe so gut wie möglich geschont wird.

Zur Durchführung werden Markierungen auf der Haut aufgebracht, um sicherzustellen, dass immer die gleiche Stelle bestrahlt wird. Die Bestrahlung erfolgt dann in vier bis fünf Einzeldosen pro Woche über mehrere Wochen oder auch einmal pro Tag (Fraktionierung). Das gesunde Gewebe kann sich in der Zeit zwischen den Bestrahlungen wieder erholen.

Nach der letzten Bestrahlung führt der Arzt ein abschließendes Gespräch mit dem Patienten und untersucht ihn nochmals. Da sich die Wirkung der Strahlung nach dem Behandlungsende noch verstärken kann, ist eine Kontrolluntersuchung sinnvoll. Die Nachsorge erfolgt in Zusammenarbeit mit den behandelnden Ärzten des Patienten.