Schreiendes Baby
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Schreibaby, Schreikinder

Von: Onmeda-Redaktion
Letzte Aktualisierung: 18.01.2022

Von Geburt an ist Schreien für lange Zeit die einzige Möglichkeit für ein Baby, seine Bedürfnisse auszudrücken. Hat es Hunger, schreit es. Drückt die Luft im Bauch, schreit es ebenfalls. Oder wenn es ihm zu warm ist, zu kalt, zu laut oder es sich einsam fühlt. Ein sogenanntes Schreibaby aber schreit häufiger, anhaltender und aus scheinbar unerklärlichem Grund – und lässt sich kaum bis gar nicht beruhigen.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Allgemeines

Schreien ist besonders im ersten Lebensjahr also völlig normal – alle Babys schreien, und zwar etwa ab der zweiten Lebenswoche sehr viel (zumindest gefühlt) und vorwiegend nachmittags und in der ersten Hälfte der Nacht. Für gewöhnlich gibt es aber einen erkennbaren Grund und der Säugling lässt sich nach einer Weile beruhigen.

Was ist ein Schreibaby?

Als sogenannte Schreikinder oder Schreibabys werden Säuglinge bezeichnet, die

  • an mindestens drei Tagen in der Woche
  • mehr als drei Stunden am Tag schreien, quengeln oder reizbar sind,
  • und das außerdem über mindestens drei Wochen.

Schreibaby oder Schreikind ist die allgemein gebräuchliche Benennung. Genau genommen gehört exzessives Schreien aber zu den Regulationsstörungen und nimmt meist einen typischen Verlauf:

Je nach Häufigkeit und Dauer des Schreiens und auch, wenn das Baby sich gar nicht beruhigen lässt, kann das an den Nerven der Eltern zerren:

  • Zum einen möchte man dem Schreibaby helfen und fühlt sich schnell hilflos.
  • Zum anderen kommt man selber kaum zur Ruhe und ist mit der Zeit überfordert.
  • Besonders, wenn das erste Kind ein Schreibaby ist, zweifeln Eltern eventuell an sich selbst und geben sich die Schuld an der Situation.

Dreimonatskoliken

Lange Zeit wurden Schreikinder automatisch mit dem Begriff Dreimonatskolik in Verbindung gebracht. Mittlerweile weiß man, dass nur selten eine Dreimonatskolik (Magen-Darm-Beschwerden bzw. Blähungen in den ersten drei Lebensmonaten) Ursache für exzessives Schreien ist. Häufig sind diese Beschwerden erst eine Folge des Schreiens, da die Babys dabei viel Luft schlucken.

Daher werden Schreikinder inzwischen dem Sammelbegriff der Regulationsstörung zugeordnet. Regulationsstörungen im Säuglings- und Kleinkindalter (0-3 Jahre) umfassen neben dem exzessiven Schreien auch beispielsweise Schlafstörungen und Fütterungsstörungen.

Ursachen

Gesunde schreiende Säuglinge lassen sich meist nach kurzer Zeit beruhigen, etwa durch

  • Körperkontakt,
  • die Stimme der Bezugsperson,
  • eine frische Windel,
  • Schlaf oder
  • eine Mahlzeit.

Ist das nicht der Fall, sollten Sie die Ursachen ärztlich abgeklären lassen.

Denn scheinbar unerklärliches Schreien kann einen ernsthafteren Hintergrund haben. Für die Regulationsstörung im Säuglings- und Kleinkindalter (Schreikinder) lässt sich selten eine einzige Ursache ausmachen. Stattdessen spielen oft mehrere Faktoren eine Rolle, die für sich genommen nicht zwingend eine merkliche Auswirkung auf das Baby hätten. Tatsächlich sind die Ursachen für das Schreien nicht zwingend nur beim Kind zu suchen – auch das soziale Umfeld und die Einstellung der Eltern können einen großen Einfluss haben.

Zu den möglichen Ursachen für exzessives Schreien gehören beispielsweise:

  • Milcheiweißallergie (Kuhmilchallergie) – sowohl bei Säuglingen, die mit Säuglingsersatznahrung ernährt werden, aber auch bei gestillten Babys, da die Allergie in seltenen Fällen über die Muttermilch ausgelöst werden kann, wenn die Mutter Kuhmilchprodukte zu sich nimmt
  • Verzögerung der Reifung nach der Geburt (z.B. Finden eines eigenen Schlaf-Wach-Rhythmus)
  • Traumatisierung vor oder während der Geburt
  • psychische Belastungen auf Seiten der Eltern
  • Überforderung der Eltern
  • keine soziale Unterstützung
  • schlechte Eltern-Kind-Beziehung
  • problembelastete Partnerschaft der Eltern

Aber Achtung: Eltern fühlen sich schnell unzulänglich und fragen sich, wo ihre Fehler liegen, wenn sie ein Schreikind haben. Sein Handeln zu hinterfragen schadet nicht, aber selten kann das Thema "Schreibaby" darauf reduziert werden, dass die Eltern Fehler gemacht haben. Häufig spielen viele Umstände zusammen und bilden einen Teufelskreis, aus dem man nur mithilfe von außen herausfindet.

Symptome

Schreikinder zeichnen sich – so sagt schon der Name – durch übermäßiges Schreien aus. Zum exzessiven Schreien kommen aber noch weitere Symptome, die besonders bei Schreikindern auftreten können und zu dem Sammelbegriff der Regulationsstörung führen:

  • langanhaltendes Quengeln und Unruhe
  • schlechter Schlaf-Wach-Rhythmus:
    • kurze Tagesschlaf-Phasen (weniger als 30 min am Stück)
    • Einschlafprobleme
    • kurze Gesamtschlafdauer

Das kann man tun!

Wenn Sie unsicher sind, ob Sie ein Schreikind haben, können Sie zunächst versuchen, es mit folgenden Mitteln zu beruhigen:

  • Überprüfen Sie zunächst naheliegende Bedürfnisse:
    • Hat Ihr Kind Hunger? Gerade in den ersten Monaten trinken Säuglinge nicht immer gleiche Mengen und halten keine festen Uhrzeiten für ihre Mahlzeiten ein. Es kann also sein, dass Ihr Baby schon wieder hungrig ist, obwohl Sie es erst vor einer halben Stunde gestillt haben.
    • Ist Ihr Kind müde oder überreizt? Ihr Baby hatte rund 40 Wochen seine Ruhe in Ihrem Bauch. Geräusche und Licht kamen nur gedämpft zu ihm durch. Mit der Geburt beginnt der "Stress" – viele Babys sind von lauten oder anhaltenden Geräuschen oder zu vielen Eindrücken überfordert. Da kann es helfen, den Kinderwagen mit einem Tuch abzudecken oder den Schlafraum etwas abzudunkeln.
    • Fehlt dem Baby Nähe? Die meisten Säuglinge lassen sich beruhigen, wenn sie Körperkontakt zu einer Bezugsperson haben. Die wenigsten Babys mögen es, alleine im Stubenwagen oder im Kinderwagen zu liegen. Schon das kann zu Schreiattacken führen. Tragen Sie Ihr Baby, wenn möglich, viel am Körper, beispielsweise in einem Tragetuch.
    • Ist die Windel voll? Eine naheliegende Lösung, die man aber zwischen all den anderen Aufgaben, die mit Baby anfallen, einfach einmal übersehen kann.
    • Ist dem Baby warm? Hat Ihr Baby einen feuchten Nacken, ist ihm zu warm. Hat es kalte Arm- und Fußgelenke, ist ihm zu kalt.
  • Massieren Sie Ihrem Baby den Bauch. Die meisten Babys reagieren entspannt darauf und genießen den Körperkontakt. Massieren Sie immer mit leichtem Druck und grundsätzlich im Uhrzeigersinn.
  • Vielen Säuglingen tut es auch gut, im Fliegergriff getragen zu werden – dabei liegt Ihr Baby auf dem Bauch auf Ihrem Unterarm, der Kopf ruht in Ihrer Hand.
  • Verzichten Sie auf Kuhmilchprodukte bzw. reduzieren Sie deren Aufnahme. In einigen Fällen kann eine Lebensmittelallergie hinter dem exzessiven Schreien stecken.

Wenn alles nichts hilft und Ihnen die Situation über den Kopf wächst, wenden Sie sich an Ihren Kinderarzt oder eine Schreiambulanz. Adressen von Schreiambulanzen bekommen Sie bei Ihrem Kinderarzt, in Kinderkliniken oder beim Jugendamt.

Und machen Sie sich immer wieder bewusst: Ihr Baby schreit nicht, um Sie zu ärgern!

Wenn organische Ursachen (wie beispielsweise eine Allergie) Grund für das Schreien sind, müssen diese behandelt und wenn möglich beseitigt werden. Häufig lässt sich das Schreien so zumindest reduzieren.

Es ist auch möglich, dass der Arzt nach umfassender Anamnese keinerlei Auslöser für das exzessive Schreien ermitteln kann. In einem solchen Fall handelt es sich um eine sogenannte "unkomplizierte Regulationsstörung", die natürlich nicht weniger belastend für die Eltern ist.

In diesem Fall, aber auch, wenn Probleme im sozialen Umfeld des Babys Ursache für das übermäßige Schreien sind, ist es sinnvoll, sich Hilfe zu suchen:

  • Häufig hilft es schon, den durch das Schreien verunsicherten Eltern beratend zur Seite zu stehen. Zur Beratung der Eltern gehört z.B.:
    • Entwicklungsberatung
    • psychotherapeutische Gespräche
    • Anleitung zur Selbsthilfe
  • therapeutische Hilfe – diese kann ambulant, stationär, aber auch im häuslichen Umfeld erfolgen

Gefahren

Exzessives Schreien kann weitreichende Folgen für das Schreikind haben. So kann die Eltern-Kind-Beziehung dauerhaft belastet und gestört sein, was sich wiederum auf die Entwicklung des Kindes auswirkt. In extremen Fällen kann das Kindeswohl akut gefährdet sein, beispielsweise wenn überforderte Eltern das Baby aus Verzweiflung schütteln, um es zum Schweigen zu bringen. Oftmals entsteht ein gefährliches Schütteltrauma.

Aber auch die geistige Gesundheit des Kindes kann auf Dauer leiden, wenn sich Eltern beispielsweise zurückziehen oder im Gegenteil aggressiv reagieren, weil sie das Schreien nicht mehr ertragen können.

Daher ist es sowohl für das Kind, aber auch für die Eltern wichtig, dass schon früh Hilfe in Anspruch genommen wird, wenn das Schreien überhand nimmt und zur Belastung wird.