Gefäßerweiternde Mittel auf Nitro-Basis

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 30.09.2007

auch bezeichnet als:
Nitrate; Nitro-Verbindungen; Nitrovasodilatatoren

Wirkstoffe

Folgende Wirkstoffe sind der Wirkstoffgruppe "gefäßerweiternde Mittel auf Nitro-Basis" zugeordnet

Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffgruppe

Gefäßerweiternde Mittel auf Nitro-Basis können die Versorgung des Herzens mit Blut und Sauerstoff durch eine Durchblutungssteigerung der herzversorgenden Herzkranzgefäße verbessern. Außerdem entlasten sie das Herz in seiner Pumpfunktion. Einsatzbereiche sind je nach Wirkstärke und -dauer Herzenge (Angina Pectoris), Herzinfarkt, akutes Herzversagen, Hochdruck im Lungenkreislauf und Herzmuskelschwäche.
Bei hoher Dosierung oder Langzeit-Anwendung gewöhnt sich der Körper sehr schnell an die Wirkstoffe. Diese so genannte Nitrattoleranz kann den gefäßerweiternden Effekt bereits innerhalb von 24 Stunden deutlich abschwächen. Um den Gewöhnungseffekt möglichst zu umgehen, wird daher bei stabiler Angina Pectoris während der Nacht eine Einnahmepause (das so genannte nitratfreie Intervall) eingelegt.

Die Nitrate gliedern sich in drei Untergruppen:
  • Nitratester
    mit Glyceroltrinitrat (Nitroglycerin), Isosorbiddinitrat, 5’-Isosorbidmononitrat und Pentaerythrityltetranitrat.
    Glyceroltrinitrat wirkt innerhalb von 30 Sekunden für etwa eine halbe Stunde. Isosorbiddinitrat wirkt innerhalb von fünf Minuten für etwa ein bis zwei Stunden. Diese beiden Wirkstoffe werden daher bei einem akuten Angina Pectoris-Anfall eingesetzt. Die Wirkungsdauer kann deutlich verlängert werden durch spezielle arzneiliche Retard-Formen und Depotpflaster (die Bezeichnungen weisen darauf hin, dass der Stoff in dieser Form fortwährend an den Körper abgegeben wird).
    Isosorbidmononitrat und Pentaerythrityltetranitrat wirken von sich aus etwas langsamer, aber dafür hält der Effekt über mehrere Stunden an, so dass diese Wirkstoffe meistens für die Vorbeugung von Angina Pectoris-Anfällen verwendet werden.
  • NO-Donatoren
    wie Molsidomin und die AminosäureL-Arginin.
    Molsidomin kann im Rahmen einer Angina Pectoris-Therapie bei vermehrten nächtlichen Herzschmerzen abends anstelle der Nitratester eingesetzt werden. Bei diesem Wirkstoff ist die Toleranzentwicklung weniger ausgeprägt, ansonsten wirkt er genauso wie Glyceroltrinitrat. L-Arginin dient in hohen Dosen von 2,5 Gramm täglich dem Herz- und Gefäßschutz und ist eher als Nahrungsergänzungsmittel anzusehen.
  • Eine dritte Untergruppe enthält nur den Wirkstoff Nitroprussid-Natrium. Diese lichtempfindliche Substanz wirkt innerhalb weniger Minuten blutdrucksenkend. Sie wird heute praktisch ausschließlich in Kliniken als Infusion zur Beherrschung von Blutdruckkrisen und bei Operationen zur Blutdruckabsenkung verwendet. Der Wirkstoff erweitert nicht nur stark die Venen, sondern auch Arterien, deshalb kann ein gefährlicher Blutdruckabfall erfolgen und die Herzfrequenz reflexartig ansteigen. Ein weiterer Nachteil ist die Freisetzung von hochgiftigen Cyanid-Ionen (auch als Blausäure bekannt). Deshalb wird immer gleichzeitig Natriumthiosulfat zum Entgiften verabreicht und Nitroprussid-Natrium nicht über einen längeren Zeitraum als 48 Stunden gegeben.

Wirkung

Die gefäßerweiternden Mittel auf Nitro-Basis sind eigentlich prodrugs. Sie werden im Körper mittels Enzymen aus der Wand der Blutgefäße in die eigentliche Wirksubstanz Stickstoffmonoxid (NO) überführt. Diese auch vom Körper selbst gebildete chemische Verbindung wirkt in allen Blutgefäßen erweiternd. Auf das Herz wirkt Stickstoffmonoxid sowohl versorgungsfördernd als auch entlastend:
  • Werden die Herzkranzgefäße aufgrund von Einlagerungen und Entzündungen der Gefäßwände (Arteriosklerose), Blutgerinnseln oder Krämpfen (Koronarspasmen) verengt, erhält die Herzmuskulatur nicht mehr genügend Sauerstoff. Die Unterversorgung der Herzmuskulatur macht sich dann in starken Schmerzen und Druckgefühlen im Herzbereich bemerkbar, der so genannten Angina Pectoris oder Herzenge. Stickstoffmonoxid führt dem Herzmuskel mehr Blut und Sauerstoff zu, indem es die Herzkranzgefäße durch Entspannung der Gefäßmuskulatur erweitert.
  • Stickstoffmonoxid entspannt nicht nur die Herzkranzgefäße, sondern auch die großen Venen in Körper und Lunge. Dadurch verbleibt mehr Blut im Körper und es veringert sich die Blutmenge, die zum Herzen zurückfließt. Das Herz muss weniger Blut pro Minute pumpen und wird dadurch zusätzlich entlastet.
Abgesehen von diesen Wirkungen auf Herz und Gefäße mindert Stickstoffmonoxid die Anhaftungsfähigkeit der Blutplättchen und ihre Neigung zur Zusammenballung. So hat die Substanz auch eine günstige Wirkung auf die Fließfähigkeit des Blutes.

Die Nebenwirkungen von gefäßerweiternden Mitteln auf Nitro-Basis sind weitgehend die Folge des gefäßentspannenden Effektes. So können vor allem zu Beginn der Behandlung oft Kopfschmerzen auftreten. Sie beruhen wahrscheinlich auf einer Überdehnung von Gehirngefäßen und bessern sich mit längerer Therapiedauer. Außerdem kann es zu Schwindel, Übelkeit, Schwächegefühl und Hautrötungen (dem so genannten Flush) kommen. Bei höherer Dosierung der Wirkstoffe besteht die Gefahr eines stärkeren Blutdruckabfalls, der eine Herzschlagbeschleunigung zur Folge hat. Gefäßerweiternde Mittel auf Nitro-Basis dürfen folglich nicht bei einem schweren Blutdruckabfall wie etwa einem Schock verwendet werden. Grundsätzlich sollte eine Therapie mit den genannten Substanzen nicht plötzlich beendet, sondern mit langsam verminderten Dosen ausgeschlichen werden.