Thyreostatika

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 19.09.2007

auch bezeichnet als:
Medikamente zur Behandlung der Schilddrüsenüberfunktion

Wirkstoffe

Folgende Wirkstoffe sind der Wirkstoffgruppe "Thyreostatika" zugeordnet

Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffgruppe

Thyreostatika werden bei verschiedenen Formen einer Schilddrüsenüberfunktion eingesetzt. Man unterscheidet dabei grundsätzlich zwei Ausprägungen. Die immunogene Form, die durch das körpereigene Immunsystem verursacht wird, und eine nicht-immunogene Form:
  • Die immunogene Überfunktion ist durch eine Schilddrüsenvergrößerung gekennzeichnet. Hier spielen Überreaktionen des Immunsystems eine Rolle, die die Schilddrüse übermäßig aktivieren. Musterbeispiel eines solchen Überfunktionstyps ist Morbus Basedow, bei dem es auch zur Kropfbildung (Struma) kommen kann.
  • Eine nicht-immunogene Überfunktion entsteht, wenn sich bestimmte Bereiche der Schilddrüse nicht mehr dem hormonellen Regelkreis unterwerfen. Normalerweise unterliegt die Schilddrüsentätigkeit der Kontrolle durch die Gehirnteile des Zwischenhirns (Hypothalamus) und der Hirnanhangdrüse (Hypophyse). Misst das Zwischenhirn eine zu niedrige Konzentration von Schilddrüsenhormonen im Blut, schüttet es das Hypothalamushormon Thyreoliberin an die Hirnanhangdrüse aus. Dort veranlasst Thyreoliberin die Bildung des Hypophysehormons Thyreotropin (TSH). TSH gelangt mit dem Blut an die Schilddrüse und regt sie zur Produktion von Schilddrüsenhormonen an. Hat sich die Konzentration der Schilddrüsenhormone im Blut normalisiert, stoppt das Zwischenhirn über den Regelkreis die vermehrte TSH-Produktion und die Hormonproduktion ebbt ab.

    Bei der Überfunktion produziert die Schilddrüse eigenständig und unkontrolliert zu viel Schilddrüsenhormone. Wegen dieser Eigenständigkeit wird der Zustand auch als Autonomie bezeichnet. Die Autonomie kann durch gutartige Knoten verursacht sein, aber auch bei bösartigen Veränderungen wie dem Schilddrüsenkarzinom auftreten. Weitere mögliche Ursachen sind Schilddrüsenentzündungen, eine verstärkte Freisetzung des TSH-Hormons aus der Hirnanhangdrüse oder eine Vergiftung mit Jod oder Schilddrüsenhormonen.
Ziel der Überfunktionsbehandlung ist es, die Konzentration der Schilddrüsenhormone im Blut wieder zu normalisieren. Damit lassen sich die typischen Beschwerden, etwa Herzrhythmusstörungen, Haarausfall, Nervosität, vermehrtes Schwitzen und ungewollter Gewichtsverlust, lindern.

Zusätzlich zu diesen medikamentösen Behandlungsmethoden kann eine operative Behandlung erfolgen. Das ist immer dann besonders sinnvoll, wenn die Schilddrüsenerkrankung sich auf einen bestimmten Bereich in der Schilddrüse begrenzt, so dass dieses Areal operativ entfernt werden kann. Außerdem kann so eine insgesamt vergrößerte Schilddrüse wieder verkleinert werden.

Wirkung

Thyreostatika sind Mittel, die eine zu starke Produktion von Schilddrüsenhormonen normalisieren. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Wirkungsmechanismen unterscheidet man dabei vier Untergruppen:
  • Wirkstoffe, die den Aufbau der Schilddrüsenhormone hemmen
    Hierzu gehören beispielsweise Thiamazol, das unmittelbar nach Aufnahme in den Körper in Thiamazol umgewandelte Carbimazol und Propylthiouracil.
    Diese Wirkstoffe verhindern den Einbau von Jodid in das Grundgerüst der Schilddrüsenhormone (Thyreoglobuline), so dass keine funktionstüchtigen Hormone mehr entstehen. Diese Wirkung kann man noch durch eine möglichst jodidarme Diät unterstützen. Der Wirkungseintritt dieser Behandlung ist allerdings verzögert, da nur die Neubildung der Hormone unterdrückt wird. Schon vorhandene Schilddrüsenhormone werden noch eine Weile ausgeschüttet.
  • Wirkstoffe, die die Aufnahme und den Einbau von Jodid in die Schilddrüse verhindern.
    Dazu zählt beispielsweise die Substanz Natrium-Perchlorat. Perchlorat blockiert den Jodidaufnahme-Mechanismus der Schilddrüsenzelle und verdrängt bereits dort befindliches freies Jodid. Sogar die Wiederverwendung des beim Abbau der verbrauchten Schilddrüsenhormone freiwerdenden Jodids wird durch Perchlorat verhindert, seine Ausscheidung wird beschleunigt. So hemmt Perchlorat die Herstellung der Schilddrüsenhormone und führt zur Jodidverarmung.
    Für manche Röntgenuntersuchungen der Schilddrüse müssen jodidhaltige Kontrastmittel gegeben werden. Bei empfindlichen Patienten kann Perchlorat in solchen Fällen verhindern, dass zu viel Jodid aus den Kontrastmitteln in den Körper aufgenommen wird. Die Wirkung tritt bei Perchlorat rasch ein, hält allerdings nur geringe Zeit an. Aufgrund der kurzen Wirkdauer und auch der schweren Nebenwirkungen wird Perchlorat nicht in der Dauertherapie eingesetzt.
  • Wirkstoffe, die verhindern, dass Schilddrüsenhormone freigesetzt werden
    Hat die Schilddrüse die Schilddrüsenhormone gebildet, werden sie im Körper mit dem Blut verteilt. Dazu müssen sie allerdings besonders verpackt sein, das heißt, sie sind an Transporteiweiße gebunden. Um am Zielort wirksam zu werden, trennen sich die Schilddrüsenhormone von den Eiweißen durch Einwirkung von Enzymen. Diese Enzyme werden durch Kaliumjodid, aber auch Jod als Element blockiert, womit sie die Wirkung der Schilddrüsenhormone verhindern. Der Effekt tritt sehr schnell ein, daher dienen die Substanzen sowohl zur Operationsvorbereitung bei Schilddrüsenüberfunktion wie auch zur kurzfristigen Behandlung einer thyreotoxischen Krise.
  • Wirkstoffe zur Radiojodtherapie
    Das radioaktive Jodatom J131 zerstört vor Ort durch Strahlung das Schilddrüsen-Gewebe. Da sich das Jod fast ausschließlich im Schilddrüsengewebe anreichert und die Strahlung nur etwa einen Millimeter ins Gewebe eindringt, treten bei dieser Behandlung kaum Nebenwirkungen auf.