Schilddrüsenhormone

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 09.10.2007

auch bezeichnet als:
Thyreotherapeutika

Wirkstoffe

Folgende Wirkstoffe sind der Wirkstoffgruppe "Schilddrüsenhormone" zugeordnet

 

Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffgruppe

Schilddrüsenhormone sind für das normale Wachstum und die Reifung des menschlichen Körpers unentbehrlich und haben vielfältige Wirkungen. Sie beeinflussen den Kohlenhydrat-, Eiweiß-, Fett– und Mineralstoffwechsel, aber auch das Gehirn, die Muskulatur und das Herz. Gleichzeitig veranlassen Schilddrüsenhormone in den meisten Organen eine Steigerung des Sauerstoffverbrauchs und damit des Grundumsatzes. Es wird also mehr Energie verbraucht.

Bei einem Mangel an Schilddrüsenhormonen kommt es zu typischen Beschwerden der Schilddrüsenunterfunktion. Zu diesen Beschwerden gehören ungewollte Gewichtszunahme, Trägheit, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Verstopfung, sexuelle Störungen wie Potenzverlust sowie brüchige Haare und Nägel.

Alle Formen der Schilddrüsenunterfunktion werden im Zuge einer Hormonersatzbehandlung mit Schilddrüsenhormonen therapiert. Ziel jeder Behandlung ist es, die Konzentration der Schilddrüsenhormone im Blut wieder zu normalisieren.

Vielfach bildet sich durch eine Schilddrüsenunterfunktion ein Kropf. Dabei handelt es sich um eine krankhafte Vergrößerung der Schilddrüse. Die Schilddrüse versucht, die mangelhafte Hormonbildung in ihren Zellen durch eine Vermehrung der Zellmasse auszugleichen. Oft nimmt der Halsumfang bei Gabe von Schilddrüsenhomonen wieder ab. Ab einer gewissen Größe muss der Kropf jedoch durch eine Operation entfernt werden. Danach werden Schilddrüsenhormone eingesetzt, um einer weiteren Schilddrüsenvergrößerung vorzubeugen.

Meist muss eine Schilddrüsenunterfunktion lebenslang behandelt werden. Bei Jugendlichen kann sich eine Unterfunktion allerdings manchmal spontan bessern. Hat sich bei ihnen die vergrößerte Schilddrüse zurückgebildet, kann nach zwei bis drei Jahren die Therapie versuchsweise beendet werden. Wächst die Schilddrüse danach erneut, ist eine lebenslange Behandlung erforderlich.

Neben der Behandlung einer Schilddrüsenunterfunktion werden Schilddrüsenhormone sowohl zur Therapie weiterer Krankheitsbilder wie auch in der Diagnostik eingesetzt:

  • Zur Behandlung des Myxödem-Komas, einer seltenen lebensbedrohlichen Komplikation der Schilddrüsenunterfunktion, werden die Schilddrüsenhormone vom Arzt gespritzt. Sobald wie möglich sollte die Behandlung jedoch auf Tabletten umgestellt werden.
  • Schilddrüsenhormone werden als begleitende Behandlung bei der Thyreostatika-Behandlung der Schilddrüsenüberfunktion eingesetzt. So wird ein durch die Thyreostatika-Gabe hervorgerufener Schilddrüsenhormon-Mangel verhindert, der zum Wachstum der Schilddrüse (Kropf) führen würde.
  • Mit Schilddrüsenhormonen lässt sich die Hormonproduktion von bösartigen Schilddrüsengeschwüren (Tumoren) unterdrücken. Durch die hohe Konzentration von Schilddrüsenhormonen im Blut wird ein Regelkreis aktiviert, der die weitere Produktion dieser Hormone abstellt.
  • Des gleichen Regelkreises bedient sich der so genannte Schilddrüsen-Suppressionstest mit Schilddrüsenhormonen. Man prüft dabei, ob durch eine hoch dosierte Gabe der Hormone die körpereigene Produktion zum Erliegen kommt. Ist dies der Fall, funktionieren die körpereigenen Regelmechanismen. Lässt sich die Schilddrüse nicht unterdrücken, deutet dies auf einen unkontrollierbaren (autonomen) Tumor oder eine sonstige Störung der Regelmechanismen (so genannte Schilddrüsen-Autonomie) hin.

Für alle geschilderten Anwendungsbereiche stehen die beiden körpereigenen Schilddrüsenhormone Levothyroxin (L-Thyroxin oder T 4) und Trijodthyronin (Liothyronin oder T 3) zur Verfügung. Levothyroxin wird allein oder auch in Kombination mit Trijodthyronin (Levothyroxin + Trijodthyronin) eingesetzt. Auch die Gabe zusammen mit Kaliumjodid (Levothyroxin + Kaliumjodid) ist üblich.
 

Wirkung

Wie bei vielen anderen Hormonen unterliegt die Schilddrüsenhormoproduktion der Kontrolle durch die Gehirnteile des Zwischenhirns (Hypothalamus) und der Hirnanhangdrüse (Hypophyse). Ist die Schilddrüsenhormonproduktion längerfristig vermindert, reagiert der Organismus, indem er die Schilddrüse vergrößert, um eine höhere Leistung erbringen zu können. Angeregt wird dieser Prozess vom Zwischenhirn. Misst es eine zu niedrige Konzentration von Schilddrüsenhormonen im Blut, schüttet es das Hypothalamushormon Thyreoliberin an die Hirnanhangdrüse aus. Dort veranlasst das Hormon die Bildung des Hypophysehormons Thyreotropin (TSH). TSH gelangt mit dem Blut an die Schilddrüse und regt sie zu vermehrtem Wachstum an, was zur krankhaften Schilddrüsenvergrößerung, dem Kropf führt. Werden nun Schilddrüsenhormone in ausreichender Menge eingenommen, normalisiert sich ihre Konzentration im Blut. In der Folge stoppt das Zwischenhirn über den Regelkreis die vermehrte TSH-Produktion und die Schilddrüse wächst nicht weiter. Insbesondere bei Jugendlichen kann sich durch diese Behandlung eine Schilddrüsenvergrößerung zurückbilden.

Um die Schilddrüsenhormone Levothyroxin (L-Thyroxin oder T 4) und Trijodthyronin (Liothyronin oder T 3) zu bilden, braucht der Körper unbedingt Jod. Im T 4 sind nämlich vier Jodatome, im T 3 drei Jodatome eingebaut. Fehlt Jod oder Jodid (Salz des Jods) in der Nahrung, kommt es zu einer verringerten Hormonproduktion der Schilddrüse. Zur Behebung eines Jodmangels kann Kaliumjodid eingenommen werden.

Trijodthyronin (T 3) verweilt nur recht kurz im Blut, ein Medikament müsste entsprechend fünf- bis sechsmal täglich eingenommen werden. Daher hat sich Levothyroxin (T 4) mit seiner längeren Blutverweildauer zur Behandlung durchgesetzt. Es reicht eine einmal tägliche Einnahme, die stets nüchtern vor dem Frühstück erfolgen sollte. Speisereste im Magen verzögern unvorhersehbar die Aufnahme des Hormons in das Blut.

Die Behandlung mit Schilddrüsenhormonen sollte niedrig dosiert begonnen werden, um Nebenwirkungen wie Nervosität, Herzrasen und Schweißausbrüche zu vermeiden. Empfohlen werden Anfangsdosierungen von 12,5 bis 50 Mikrogramm Levothyroxin pro Tag. In ein- bis vierwöchigen Schritten sollte die Dosis gesteigert werden. Die letztendlich benötigte Menge pro Tag ist individuell sehr verschieden und liegt meist zwischen 100 und 300 Mikrogramm Levothyroxin.

Bei frischem Herzinfarkt sollten möglichst keine Schilddrüsenhormone gegeben werden. Ein Herzinfarkt geschieht immer dann, wenn die Versorgung einer Herzregion mit Nährstoffen und Sauerstoff durch die Verstopfung von Herzkranzgefäßen (Koronarien) unterbrochen wurde. Beschleunigen nun Schilddrüsenhormone den Herzschlag, benötigt das Herz mehr Nährstoffe und Sauerstoff, als die krankhaft veränderten Gefäße momentan liefern können. Dadurch kann sich die Situation des Betroffenen weiter verschlechtern. Ebenso sollte bei Herzrhythmusstörungen, Herzmuskelentzündungen und Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefäße die Behandlung mit Schilddrüsenhormonen nur vorsichtig und möglichst niedrig dosiert erfolgen.

Bei gleichzeitig bestehendem Diabetes müssen die Blutzuckerwerte sorgfältig überwacht werden. Die Wirkung von Insulin wird nämlich durch Schilddrüsenhormone zunächst verstärkt, andererseits wird das Insulin aber auch wesentlich schneller abgebaut. So kann es bei Schilddrüsenüberfunktion teilweise nach Mahlzeiten zu erhöhten Blutzuckerwerten kommen.