Impfstoffe

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 02.09.2007

auch bezeichnet als:
Vakzine

Wirkstoffe

Folgende Wirkstoffe sind der Wirkstoffgruppe "Impfstoffe" zugeordnet

Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffgruppe

Impfstoffe dienen der Vorbeugung von Infektionskrankheiten. Es handelt sich um eine Gruppe verschiedenartiger Substanzen, die eine gemeinsame Aufgabe haben: Sie werden in den Körper eingebracht, um das Immunsystem auf den Kontakt mit krank machenden Mikroorganismen vorzubereiten oder gegen diese zu wappnen.

Die Anwendung eines Impfstoffs wird Impfung oder Immunisierung genannt. Eine Impfung regt das Immunsystem des Körpers an, eine Abwehr gegen einen bestimmten Mikroorganismus aufzubauen. Sie schützt nicht vor dem späteren Eindringen des Krankheitserregers, wohl aber vor dem Ausbruch einer Infektionskrankheit; deshalb spricht man auch von einer Schutzimpfung. Man unterscheidet zwei Arten der Impfung:
  • Die aktive Immunisierung:
    Impfstoffe, die bei einer aktiven Immunisierung eingesetzt werden, sind Abkömmlinge eines Krankheitserregers, zum Beispiel eines Virus oder eines Bakteriums. Es handelt sich dabei um abgeschwächte Erreger, Teile von ihnen oder den von ihnen produzierten Giften (Toxinen). Sie sind dem Erreger oder dem Giftstoff ähnlich genug, um die Immunabwehr anzuregen, aber sie haben die Fähigkeit verloren, Krankheitssymptome auszulösen. Solche Impfstoffe sind zum Beispiel:
    1. Viren: Masern, Röteln, Mumps, Kinderlähmung (Poliomyelitis), Grippe, Frühsommer-Meningoenzephalitis-Viren (FSME), Tollwut, Gelbfieber, Hepatitis A und Hepatitis B sowie Gürtelrose-Viren
    2. Bakterien: Erreger einer Lungenentzündung (Streptococcus pneumoniae), einer bakteriellen Hirnhautentzündung (Meningokokken), einer für Kinder lebensgefährlichen Entzündung im Hals-Nasen-Ohren-Bereich (Haemophilus influenzae), einer Tuberkulose (Mykobakterium tuberculosis) oder von Cholera (Vibrio cholerae)
    3. Toxine von Bakterien: Tetanus (Wundstarrkrampf), Diphtherie, Keuchhusten.

  • Die passive Immunisierung:
    Bei einer passiven Impfung wird nicht das Immunsystem selbst zur Abwehr angeregt, sondern dem Körper werden fertige Abwehrstoffe (Immunglobuline, Antikörper) zugeführt. Diese Möglichkeit wird in vier Fällen gewählt:
    1. Wenn eine aktive Immunisierung zu gefährlich wäre, weil bei aktiven Impfstoffen immer eine krank machende Restaktivität möglich ist. So werden schwangere Frauen ausschließlich passiv mit Röteln-Immunglobulinen immunisiert. Sind Frauen nicht durch eine frühere Rötelerkrankung oder Impfung immun, besteht die Gefahr einer Erstansteckung der Schwangeren. Röteln aber können bei Ungeborenen schwere Mißbildungen (zum Beispiel Taubheit) verursachen.
    2. Wenn die Infektion mit dem Krankheitserreger bereits stattgefunden hat, die Krankheit aber noch nicht zum Ausbruch kam. Eine aktive Impfung würde den Körper noch zusätzlich belasten. Beispiele für passive Impfungen in solchen Fällen sind die passive Tollwut-Impfung oder die Behandlung mit Tetanus-, Milzbrand- oder Diphtherie-Gegengiften (Antitoxinen).
    3. Wenn der Patient ein geschwächtes Immunsystem hat und kaum oder keine eigenen Abwehrstoffe bilden kann. Dies ist zum Beispiel der Fall bei Behandlungen mit Glucocorticoiden, Zytostatika, Immunsuppressiva (Immunologika) oder Bestrahlungen.
    4. Wenn eine Immunreaktion praktisch "vorweggenommen" werden soll, damit es nicht zur Bildung eigener Antikörper kommt. Ein Beispiel ist die Gabe von Immunglobulin Anti-D. Es wird gespritzt, wenn bei einer Schwangerschaft eine Blutunverträglichkeit zwischen Mutter und Kind besteht. Bei jeder Geburt kommt die Mutter in Kontakt mit dem kindlichen Blut. Bei Unverträglichkeit bildet sie dagegen Antikörper. Hat das nächste Kind wieder die gleichen Bluteigenschaften, kommt es zur Fehlgeburt. Die verabreichten Antikörper binden die kindlichen Blutfaktoren und sie werden abgebaut, ohne bei der Mutter eine eigene Immunreaktion hervorzurufen. Immunglobulin Anti-D dient auch zur Behandlung eines Patienten, der eine unverträgliche Blutkonserve erhalten hat.
Die meisten Impfstoffe sind Eiweiße. Sie müssen in den Körper gespritzt werden, weil sie sonst im Magen-Darm-Trakt zerstört würden. Eine Ausnahme ist die so genannte Schluckimpfung gegen Kinderlähmung (Poliomyelitis). Die Einnahme der abgeschwächten lebenden Viren ahmt den natürlichen Infektionsweg nach.

Impfempfehlungen, also Angaben darüber, in welchem Alter und unter welchen Bedingungen eine Impfung durchzuführen ist, werden von der ständigen Impfkommission (Stiko) des Bundesgesundheitsministeriums herausgegeben. Einige Impfungen (Standard- oder Routineimpfungen) werden allen Menschen ab dem Kindesalter empfohlen. Andere sind nur für bestimmte Gruppen notwendig. Dazu gehören Personen, die aufgrund einer beruflichen Tätigkeit oder während einer Reise besonderen Infektionsgefahren ausgesetzt sind (Indikationsimpfungen). Manchmal können mehrere Impfstoffe gemeinsam verabreicht werden, man spricht dann von einer Kombinationsimpfung mit einem so genannten polyvalenten Impfstoff.

Nach einer Impfung erhält man einen Impfpass beziehungsweise wird jede Impfung in einen vorhandenen Pass eingetragen. Ein solches Dokument ist sorgsam aufzubewahren.

Wirkung

Impfungen nutzen das körpereigene Verteidigungsprinzip gegen Krankheiterreger aus. Bei jeder Ansteckung reagiert das Immunsystem. Dabei zerstören Abwehrzellen (Fresszellen) die Mikroorganismen entweder direkt oder sie bilden so genannte Antikörper (Immunglobuline), welche die Erreger oder seine Gifte binden und unschädlich machen. In den meisten Fällen bilden sich so genannte Gedächtniszellen aus. Kommt der Körper zu einem späteren Zeitpunkt in Kontakt mit dem Erreger, reagiert die Immunabwehr schneller und effektiver. Der geimpfte Mensch ist geschützt (immun), weil die eingedrungenen Bakterien oder Viren umgehend angegriffen und rasch vernichtet werden - Krankheitszeichen treten erst gar nicht in Erscheinung.
  • Aktive Impfstoffe täuschen dem Körper eine Infektion mit einem oder mehreren Krankheitserregern vor. Sie regen dadurch die Ausbildung einer speziell gegen diese Erreger gerichtete Immunantwort einschließlich der Bildung von Gedächtniszellen an. Eine aktive Impfung kann mit lebenden, aber abgeschwächten Erregern erfolgen. Der dadurch erzielte Impfschutz ist vollständig und lang anhaltend. Besonders gut wirksam sind Impfstoffe, die lebende Viren enthalten. Die Viren vermehren sich im Körper und regen die Immunabwehr stark an. Doch solche Impfstoffe dürfen keinesfalls bei kranken oder immungeschwächten Menschen sowie bei schwangeren Frauen eingesetzt werden, denn hier könnten sie tatsächlich Krankheitssymptome auslösen beziehungsweise das Ungeborene schädigen. Geringer ist diese Gefahr, wenn eine aktive Impfung durch die Gabe von abgetöteten (inaktivierten) Erregern oder Teilen von Viren oder Bakterien in den Körper erfolgt. Werden abgeschwächte, giftige Stoffwechselprodukte von Bakterien (Toxine) eingesetzt, glaubt der Körper an eine Infektion, löst eine Abwehrreaktion aus und bildet Gedächtniszellen aus.

    Die Reaktion auf aktive Impfstoffe ist manchmal von leichten Krankheitszeichen begleitet. Gelegentlich beobachtet man Rötung, Druckempfindlichkeit oder Schwellung am Ort, an dem der Impfstoff in den Körper gespritzt wurde. In seltenen Fällen sind Überempfindlichkeitsreaktionen (Rötung, Hautausschläge) gegen den Impfstoff selbst oder gegen einen der zugesetzten Hilfsstoffe möglich. Nach einer Impfung fühlt man sich gelegentlich schlapp, Kinder haben manchmal leichtes Fieber oder einen Hautausschlag, weil der Körper sich wie im Fall einer echten Infektion mit dem Erreger auseinander setzen muss. Deshalb dürfen aktive Impfungen nicht durchgeführt werden, wenn die betreffende Person erkrankt oder gerade von einer schweren Infektion genesen ist. Bei Menschen mit angeborener oder erworbener Immunschwäche muss der Arzt Risiko und Nutzen sorgfältig abwägen.

    Selten reicht eine einzelne aktive Impfung aus, um einen andauernden Schutz zu erzielen. In der Regel sind drei Impfungen in kurzen Abständen nötig, um einen Impfschutz für zehn Jahre zu erzielen. Nach Ablauf dieser Zeit muß erneut geimpft werden. Manchal bedarf es allerdings lediglich einer einzelnen Auffrischungsimpfung (Booster-Impfung), einer Art Erinnerung, dann ist der Körper weitere Jahre geschützt.

    Nachteil einer aktiven Impfung ist, dass durchschnittlich zwei Wochen vergehen, bis das Abwehrsystem aktiviert ist. Deshalb sind aktive Impfstoffe nutzlos, wenn die Infektion bereits stattgefunden hat.

  • Passive Impfstoffe verleihen dem Körper sofortigen Schutz vor Infektionskrankheiten, weil es sich um einsatzbereite Abwehrstoffe handelt. Diese Impfstoffe sind gegen die Erreger selbst oder gegen ihre krank machenden Gifte gerichtet.

    Vorteil ist, dass sie auch für Personen mit gestörter Immunabwehr oder schwangere Frauen geeignet sind. Sie können in einigen Fällen sogar vor dem Ausbruch der Krankheit schützen, wenn die Erreger bereits in den Körper eingedrungen sind. Deshalb erhält man beispielsweise nach einer Verletzung eine passive Impfung gegen Tetanus (Wundstarrkrampf), wenn kein aktiver Impfschutz nachweisbar ist.

    Nachteil ist, dass der Körper passive Impfstoffe rasch abbaut und ihre Wirkung daher auf einige Wochen, maximal wenige Monate beschränkt ist.

    Passive Impfstoffe werden aus menschlichem oder tierischem Blut gewonnen, in einigen Fällen auch gentechnisch hergestellt. Selten werden Überempfindlichkeitsreaktionen wie leichtes Fieber oder Hautausschläge beobachtet, in Einzelfällen kann ein Schock mit starkem Blutdruckabfall eintreten.
Impfstoffe sind wichtige Werkzeuge im Kampf gegen krank machende Mikroorganismen, denn Vorbeugen ist stets besser als Heilen. Doch leider lassen sich nicht gegen alle Infektionskrankheiten Impfstoffe herstellen.