Milnacipran

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 07.10.2016

Allgemeines

Der Einsatzbereich des Wirkstoffs sind zeitweilige depressive Beschwerden (Episoden einer Major Depression) bei Erwachsenen.

 

Welchen Zwecken dient dieser Wirkstoff?

  • Noradrenalin-Wirkung verstärken
  • Serotonin-Wirkung verstärken
  • Depressionen bessern

Gegenanzeigen

Im Folgenden erhalten Sie Informationen über Gegenanzeigen bei der Anwendung von Milnacipran im Allgemeinen, bei Schwangerschaft & Stillzeit sowie bei Kindern. Bitte beachten Sie, dass die Gegenanzeigen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Wann darf Milnacipran nicht verwendet werden?

Der Wirkstoff darf in den folgenden Fällen unter keinen Umständen angewendet werden:

  • bei Überempfindlichkeit gegen Milnacipran
  • zusammen mit anderen Antidepressiva aus der Wirkstoffgruppe der langwirksamen MAO-Hemmer: Es droht ein tödliches Serotonin-Syndrom
  • bei unkontrolliertem Bluthochdruck und schwerer oder schlecht behandelbarer Erkrankung der Herzkranzgefäße, da diese Grunderkrankungen durch steigenden Blutdruck oder einen schnelleren Herzschlag verschlimmert werden können.

Nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung durch den Arzt und unter seiner Kontrolle darf Milnacipran eingesetzt werden bei

  • Patienten mit Nierenfunktionsstörung: Aufgrund einer erschwerten Ausscheidung kann eine Verringerung der Dosis erforderlich sein
  • Störung der Harnentleerung in der Vorgeschichte, insbesondere bei gutartiger Prostata-Vergrößerung und anderen Hemmnissen in den Harnwegen: Die Beschwerden können sich durch die Noradrenalin-Wirkung verstärken
  • allen Patienten mit Bluthochdruck oder Herzerkrankungen: Es ist eine sorgfältige Kontrolle von Blutdruck und Herztätigkeit erforderlich
  • hohem Augeninnendruck oder einer speziellen Form des Grünen Stars (Engwinkelglaukom): Die Beschwerden können sich verschlimmern
  • Epilepsie oder Patienten mit Epilepsie in der Vorgeschichte: Die Behandlung ist abzubrechen, wenn der Patient einen Anfall erleidet
  • älteren Patienten, die Entwässerungsmittel (Diuretika) oder sonstige Wirkstoffe einnehmen, die die Natrium-Ausscheidung fördern, sowie bei Patienten mit Leberzirrhose oder Unterernährung: Diese Patienten erleiden besonders schnell einen Natrium-Mangel im Blut
  • Patienten mit Blutungsstörungen in der Vorgeschichte oder solchen, die Blutverdünner erhalten: Die Blutungsneigung kann sich verstärken.
 

Was müssen Sie bei Schwangerschaft und Stillzeit beachten?

Bisher gibt es keine hinreichenden Erfahrungen mit der Anwendung von Milnacipran bei Schwangeren. Tierexperimente ergaben keine Hinweise auf direkte oder indirekte gesundheitsschädliche Wirkungen in Bezug auf Schwangerschaft, die Kindesentwicklung vor und nach der Geburt sowie den Geburtsvorgang.

Wurden in der Schwangerschaft Serotonin-Wiederaufnahmehemmer eingenommen, beobachtete man allerdings gewisse Beschwerden bei den Säuglingen: Ein überschneller Atemrhythmus, Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme, Zittern, Bluthochdruck oder Muskelverspannungen, Schlafstörungen, Übererregbarkeit und in eher seltenen Fällen lang andauerndes Schreien. All diese Erscheinungen treten in den ersten Lebenstagen des Säuglings auf, sind meist von kurzer Dauer und nicht schwerwiegend. Als vorbeugende Maßnahme empfiehlt sich dennoch ein Verzicht auf die Einnahme von Milnacipran während der Schwangerschaft.

Da geringe Mengen von Milnacipran in die Muttermilch übergehen, ist Stillen während der Behandlung mit dem Wirkstoff verboten.

Was ist bei Kindern zu berücksichtigen?

Milnacipran sollte nicht bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren angewendet werden. Bei ihnen kommt es noch häufiger als bei Erwachsenen zu Selbstmordgedanken und -versuchen sowie Feindseligkeit (vorwiegend Aggressivität, Widersetzlichkeit und Wut). Wenn der Arzt jedoch eine Behandlung mit Milnacipran befürwortet, muss der Patient gegebenenfalls von seinen Angehörigen oder Pflegern sorgfältig auf Selbstmordgedanken oder -versuche hin überwacht werden.

Darüber hinaus fehlen Erkenntnisse aus Langzeitstudien zur Sicherheit bei Kindern und Jugendlichen in Bezug auf Wachstum, Reifung sowie der Entwicklung des Denkens und des Verhaltens.

Welche Nebenwirkungen kann Milnacipran haben?

Im Folgenden erfahren Sie das Wichtigste zu möglichen, bekannten Nebenwirkungen von Milnacipran. Diese Nebenwirkungen müssen nicht auftreten, können aber. Denn jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Medikamente. Bitte beachten Sie außerdem, dass die Nebenwirkungen in Art und Häufigkeit je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Häufige Nebenwirkungen:
Aufregung, Ängstlichkeit, Depression, Essstörungen, Schlafstörungen, Neigung zu Selbstmord, Migräne, Zittern, Schwindel, Empfindungsstörungen, Schläfrigkeit, Herzrasen, Herzklopfen, Hitzewallungen, Bluthochdruck, Verstopfung, Durchfall, Bauchschmerzen, Verdauungsstörungen, Erbrechen, Mundtrockenheit, Juckreiz, Hautausschlag, vermehrtes Schwitzen, Schmerzen der Skelettmuskulatur, Schwierigkeiten beim Harnlassen, häufiges Harnlassen, Störungen des Samenergusses, Erektionsstörungen, Hodenschmerzen, Müdigkeit.

Gelegentliche Nebenwirkungen:
Überempfindlichkeit, Fettstoffwechselstörung, Gewichtsabnahme, Panikattacken, Verwirrtheit, Wahnvorstellungen, Übersteigerung (Manie), verminderte Libido, Alpträume, Selbstmordgedanken, Gedächtnisstörungen, Sitzunruhe, Gleichgewichtsstörungen, Geschmacksstörungen, Ohnmacht, trockene Augen, Augenschmerzen, Weitstellung der Pupille, Störung des Scharfsehens, verschwommenes Sehen, Sehstörungen, Ohrensausen, Schwindel, Herzrhythmusstörungen, gestörte Reizleitung am Herzen (Schenkelblock), zusätzliche Herzschläge, Herzinfarkt, Durchblutungsstörugen von Fingern und Zehen, niedriger Blutdruck, Blutdruckabfall bei Körperlageveränderung, Husten, Atembeschwerden, trockene Nase, Erkrankungen des Rachenraums, Dickdarmentzündung, Magenschleimhautentzündung, Störungen der Magen-Darm-Bewegung, Bauchbeschwerden, Blähbauch, Magen-Darm-Geschwüre, Hämorrhoiden, Mundschleimhautentzündung, erhöhte Leberwerte, Nesselsucht, Hautentzündung, Hautbeschwerden, Muskelsteifigkeit, Muskelschmerzen, unnormale Urinfärbung, Harninkontinenz, Harnverhalten, Ausbleiben der Regelblutung, verstärkte Regelblutung, Menstruationsstörungen, Zwischenblutungen, Prostataerkrankung, Fieber, Brustschmerz, Schüttelfrost, Unbehagen, Unwohlsein.

Seltene Nebenwirkungen:
Störungen des Nebennierenfunktion und damit des Wasserhaushaltes, Realitätsverlust, unnormales Denken, Psychosen, Schlaganfall, ungewollte Bewegungen, Parkinson-ähnliche Beschwerden, Krampfanfälle, Angina pectoris, Leberentzündung, Leberzellschädigung, Lichtempfindlichkeitsreaktionen.

Sehr seltene Nebenwirkungen:
Natrium-Mangel im Blut, Aggression, Serotonin-Syndrom, Leberentzündung mit Zellauflösung, schwere Hautreaktion (Stevens-Johnson-Syndrom).

Besonderheiten:
Depressive Erkrankungen sind mit einem erhöhten Risiko für die Auslösung von Selbstmordgedanken, selbstschädigendem Verhalten und Selbstmord verbunden. Dieses erhöhte Risiko besteht, bis es zu einer deutlichen Linderung der Beschwerden kommt. Diese tritt nicht unbedingt schon während der ersten Behandlungswochen ein. Daher sind die Patienten bis zum Eintritt einer Besserung von Angehörigen oder Pflegern sorgfältig zu überwachen. Die bisherige Erfahrung zeigt, dass das Selbstmordrisiko zu Beginn einer Behandlung besonders groß ist.

Anzeichen eines Serotonin-Syndroms sind Durchfall, Aufregung, Verwirrung, Zittern, Muskelsteifigkeit, Gangstörungen, schwacher Blutdruck, Herzrasen, Schüttelfrost, Fieber und möglicherweise Koma. Kommt es zu solchen Beschwerden ist sofort ein Arzt zu befragen.

Entwickelt sich beim Patienten eine deutliche Übersteigerung (Manie), ist die Behandlung mit Milnacipran abzubrechen und der Arzt zu verständigen. Er wird dann in den meisten Fällen ein Antipsychotikum mit beruhigender Wirkung verordnen.

Die Behandlung mit Milnacipran ist abzubrechen, wenn der Patient eine Gelbsucht oder sonstige Anzeichen einer Leberfunktionsstörung zeigt. Die Behandlung darf erst dann fortgesetzt werden, wenn der Arzt eine andere Ursache ausgemacht hat.

 

Welche Wechselwirkungen zeigt Milnacipran?

Bitte beachten Sie, dass die Wechselwirkungen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Bei der Behandlung mit Milnacipran kann es zu einem lebensbedrohlichen Serotonin-Syndrom kommen, insbesondere bei gleichzeitiger Anwendung anderer Wirkstoffe, die den Stoffwechsel des Nervenbotenstoffs Serotonin beeinflussen. Dazu gehören:

  • langwirksame MAO-Hemmer (Tranylcypromin, Iproniazid); die gemeinsame Anwendung mit Milnacipran ist verboten
  • selektive MAO-A-Hemmer wie Linezolid, Moclobemid, Methylenblau); der Arzt wird die Patienten besonders sorgfältig überwachen
  • die Schmerzmittel Pethidin und Tramadol
  • die meisten Antidepressiva, darunter auch Johanniskraut.

Auch die gemeinsame Anwendung von Alpha-Sympathomimetika oder Beta-Sympathomimetika ist problematisch, da sie mit Bluthochdruckkrisen und Herzrhythmusstörungen verbunden sein kann. Dies gilt auch für Adrenalin, was Ärzte und Zahnärzte zur besseren Wirksamkeit einer örtlichen Betäubung anwenden.

Blutverdünner und Wirkstoffe mit Auswirkungen auf die Blutplättchenfunktion wie nicht-steroidale Antirheumatika und Acetylsalicylsäure oder andere durchblutungsfördernde Substanzen können zusammen mit Milnacipran das Risiko von Blutungen erhöhen.

Obwohl es keine Hinweise auf eine Wechselwirkung mit Alkohol gibt, wird wie bei allen anderen Psychopharmaka vom Alkoholgenuss abgeraten.

Bei älteren Patienten oder Patienten mit Nierenfunktionsstörungen ist die Ausscheidung des Wirkstoffs behindert, Wirkung und Nebenwirkungen von Milnacipran sind stärker. Der Arzt wird daher die Dosierung verringern. Dies gilt besonders für die Anwendung von Milnacipran zusammen mit dem Psychopharmakon Levomepromazin.

Manchmal setzt der Arzt zu Beginn der Behandlung zusätzlich ein Beruhigungsmittel oder Angstlöser ein, um der Entwicklung oder Verschlimmerung von Angstzuständen entgegenzuwirken. Allerdings können diese Medikamente nicht vor dem gesteigerten seelischen Antrieb schützen, der häufig Ursache für Selbstmordversuche zu Behandlungsbeginn ist.
 

 

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

  • Kommt es während der Behandlung zu Durchfall, Aufregung, Verwirrung, Zittern, Muskelsteifigkeit, Gangstörungen, schwachem Blutdruck, Herzrasen, Schüttelfrost oder Fieber, ist sofort ein Arzt zu befragen.
  • Das Selbstmordrisiko ist zu Beginn einer Behandlung besonders groß; die Patienten müssen sorgfältig überwacht werden.
  • Entwickelt sich beim Patienten eine deutliche Übersteigerung (Manie), ist die Behandlung mit dem Medikament abzubrechen und der Arzt zu verständigen.
  • Die Behandlung mit dem Medikament ist abzubrechen, wenn der Patient eine Gelbsucht oder sonstige Anzeichen einer Leberfunktionsstörung zeigt.
  • Während der Behandlung mit dem Medikament darf kein Alkohol getrunken werden.
  • Das Medikament kann Aufmerksamkeit und Reaktionsvermögen so weit beeinträchtigen, dass Autofahren und das Führen von Maschinen gefährlich sind.

Manchmal lösen arzneiliche Wirkstoffe allergische Reaktionen aus. Sollten Sie Anzeichen einer allergischen Reaktion wahrnehmen, so informieren Sie umgehend Ihren Arzt oder Apotheker.

 

Welche Medikamente beinhalten Milnacipran?

Folgende Tabelle zeigt alle erfassten Medikamente, in welchen Milnacipran enthalten ist.In der letzten Spalte finden Sie die Links zu den verfügbaren Anwendungsgebieten, bei denen das jeweilige Medikamente eingesetzt werden kann.

 
Medikament
Darreichungsform

 

So wirkt Milnacipran

Im Folgenden erfahren Sie mehr zu den Anwendungsgebieten und der Wirkungsweise von Milnacipran. Lesen Sie dazu auch die Informationen zu den Wirkstoffgruppen Antidepressiva, selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmer (sSNRI), zu welcher der Wirkstoff Milnacipran gehört.

Anwendungsgebiet des Wirkstoffs Milnacipran

Der Einsatzbereich des Wirkstoffs sind zeitweilige depressive Beschwerden (Episoden einer Major Depression) bei Erwachsenen.

 

Zu folgenden Anwendungsgebieten von Milnacipran sind vertiefende Informationen verfügbar:

Wirkungsweise von Milnacipran

Milnacipran gehört vom Einsatzgebiet her zur Wirkstoffgruppe der Antidepressiva und hinsichtlich des Wirkmechanismus zu den selektiven Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Hemmern (sSNRI).

Der Wirkstoff beeinflusst den Stoffwechsel von zwei Nervenbotenstoffen: Serotonin und Noradrenalin. Normalerweise werden sie von Nervenenden in den sogenannten synaptischen Spalt ausgeschüttet und lösen am nachfolgenden Nerv einen elektrischen Reiz aus. Danach werden Serotonin wie Noradrenalin in den ausschüttenden Nerv zurück aufgenommen.

Bei Depressionen scheint ein Mangel an beiden Botenstoffen zu bestehen. Milnacipran behindert die Wiederaufnahme der Botenstoffe aus dem Zwischenraum zwischen den Nerven. So hält ihr Effekt länger an und gleicht den Mangel aus.

Diese Wirkung ist sehr gezielt. Die Nebenwirkungen am Verdauungssystem, der Harnblase und den Geschlechtsorganen scheinen mit einer Hemmung der Wiederaufnahme von Noradrenalin im Zusammenhang zu stehen. Da Noradrenalin der Gegenspieler des Nervenbotenstoffes Acetylcholin ist, beruhen die meisten unerwünschten Effekte auf der Aufhebung der Acetylcholin-Wirkung.

 

Disclaimer:
Bitte beachten: Die Angaben zu Wirkung, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie zu Gegenanzeigen und Warnhinweisen beziehen sich allgemein auf den Wirkstoff des Medikaments und können daher von den Herstellerangaben zu Ihrem Medikament abweichen. Bitte fragen Sie im Zweifel Ihre*n Arzt*Ärztin oder Apotheker*in oder ziehen Sie den Beipackzettel Ihres Medikaments zurate.