Alpha-Sympathomimetika

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 20.06.2016

auch bezeichnet als:
Adrenozeptor-Agonisten; Alpha-Adrenergika; Alpha-Adrenozeptor-Agonisten; Alpha-Adrenozeptoragonisten; Alpha-Agonisten; Alphamimetika; Sympathomimetika mit überwiegender Wirkung auf Alpharezeptoren

Wirkstoffe

Folgende Wirkstoffe sind der Wirkstoffgruppe "Alpha-Sympathomimetika" zugeordnet

Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffgruppe

Alpha-Sympathomimetika können bei den unterschiedlichsten Erkrankungen eingesetzt werden. Im Wesentlichen werden drei Untergruppen von Alpha-Sympathomimetika unterschieden:
  • Auf den ganzen Körper wirkende Alpha-Sympathomimetika:
    Sie werden unter anderem bei niedrigem Blutdruck, bei Kreislaufbeschwerden wie der orthostatischen Regulationsstörung und bei einem allergischen Schock eingesetzt. Vertreter solcher Alpha-Sympathomimetika sind die Wirkstoffe Etilefrin und Oxilofrin.
  • Örtlich wirkende Alpha-Sympathomimetika:
    Hierzu gehören beispielsweise Phenylephrin und Xylomethazolin. Sie werden bei Schnupfen, Nasennebenhöhlenentzündung im Rahmen von Erkältungskrankheiten oder Allergien eingesetzt. Bei Erkältungserkrankungen führen sie auch zum schnelleren Abheilen von Mittelohrentzündung. Am Auge verringern Alpha-Sympathomimetika die Rötung der Augen bei Bindehautentzündung.
    Für kleine operative Eingriffe wird das Alpha-Sympathomimetikum Adrenalin als Zusatz zu Mitteln zur örtlichen Betäubung verwendet.
  • Im Gehirn wirksame Alpha-Sympathomimetika:
    Diese Alpha-Sympathomimetika wie zum Beispiel Clonidin und Moxonidin werden zur Behandlung von Bluthochdruck genutzt. Ein weiteres der so genannten zentralen Alpha-Sympathomimetika ist Modafinil, dessen anregende Eigenschaften zur Bekämpfung von Schlafanfällen (Narkolepsie) genutzt sowie Dexamfetamin, Guanfacin und Atomoxetin, die bei ADHS eingesetzt werden. Cathin wiederum unterstützt bei Übergewicht die Gewichtsabnahme.

Wirkung

Alpha-Sympathomimetika (Alpha-Adrenozeptor-Agonisten) wirken auf das vegetative Nervensystem. Da es von uns nicht willentlich beeinflusst werden kann, wird es auch unwillkürliches oder autonomes Nervensystem genannt.

Das vegetative Nervensystem durchzieht mit seinen Fasern den gesamten Körper und wird von untergeordneten und daher unbewußten Hirnregionen gesteuert. Es hat die Aufgabe, unsere Körper- und Organfunktionen zu koordinieren und zu regulieren. Es wird von zwei Nervensträngen beherrscht, dem Sympathikus und dem Parasympathikus, die Gegenspieler sind. Stellt sich der Mensch auf Ruhe und Nahrungsaufnahme ein, übernimmt der Parasympathikus die Steuerung. Im Wachen, bei Aktivität und in Stress-Situationen ist der Sympathikus aktiviert. Er steigert die Fähigkeit zur Arbeitsleistung und stellt Energie für das bewusste Handeln bereit: Die Aufmerksamkeit ist gesteigert, die Pupillen weiten sich, Muskelspannung und Schweißproduktion steigen. Die Muskeln von Magen, Darm, Harnblase und Gebärmutter erschlaffen, der Mund ist trocken, weil weniger Speichel produziert wird. Die Blutgefäße (außer denen des Herzens und der Skelettmuskulatur) verengen sich, das Herz schlägt schneller, der Blutdruck wird erhöht und die Atmung beschleunigt sich.

Normalerweise wird die Erregung des Sympathikus durch körpereigene Botenstoffe ausgelöst wie Adrenalin und Noradrenalin (auch "Stresshormone" genannt). Die Sympathomimetika ahmen diese Wirkung nach, sie aktivieren den Sympathikus durch Bindung an die Rezeptoren für diese Botenstoffe. Je nachdem, an welche Rezeptoren des Sympathikus die Sympathomimetika binden, lösen sie unterschiedliche Teilreaktionen aus.

Die verschiedenen Rezeptoren sind mit "alpha" und "beta" benannt und werden noch spezieller in die Untertypen "alpha-1", "alpha-2", "beta-1" und "beta-2" unterteilt. Je gezielter die Alpha-Sympathomimetika an die Alpha-Rezeptoren binden, umso vorhersagbarer ist ihre Wirkung.
  • Im Bereich der Haut, der Bindehaut, an der Muskulatur, den Herzkranzgefäßen, im Magen-Darm-Trakt und an den Nieren sorgen Alpha-Sympathomimetika dafür, dass sich große und kleine Gefäße verengen. An den Schleimhäuten, besonders der Nasenschleimhaut, führt die Verengung der erweiterten Gefäße bei Schnupfen zu einer erwünschten Abschwellung.
  • Wird ein Alpha-Sympathomimetikum zusammen mit einem Mittel zur örtlichen Betäubung in das Unterhautfettgewebe gespritzt, kann durch Zusammenziehung der kleinen Blutgefäße die Dauer der örtlichen Betäubung verlängert und zusätzlich eine verringerte Blutung bei operativen Eingriffen erreicht werden.
  • Gehirnwirksame Alpha-Sympathomimetika wie Clonidin und Moxonidin bewirken dort überraschenderweise keine Blutdrucksteigerung, sondern eine Blutdrucksenkung. Durch ihren ausschließlichen Angriff an alpha-2-Rezeptoren steigern sie nicht die Erregung des Sympathikus, sondern dämpfen sie. Die Blutgefäße erweitern sich, der Herzschlag nimmt ab und der Blutdruck sinkt. Gehirnwirksame Alpha-Sympathomimetika dürfen nicht plötzlich abgesetzt werden, da es ansonsten zu einem lebensgefährlichen Blutdruckanstieg kommen kann. Atomoxetin, Dexamfetamin, Guanfacin und Modafinil wirken insgesamt anregend auf die Gehirntätigkeit, senken aber nicht den Blutdruck. Der zugrundeliegende Wirkmechanismus konnte bisher noch nicht vollständig geklärt werden. Ebenfalls anregend wirkt Cathin, auf welche Weise es jedoch den Appetit hemmt, ist bisher noch unbekannt.
  • Bei örtlicher Anwendung am Auge bewirken Alpha-Sympathomimetika eine Zusammenziehung des Linsenmuskels. Dadurch öffnet sich der Schlemmsche Kanal, das Kammerwasser kann besser abfließen und der Druck im Auge sinkt.
  • Alpha-Sympathomimetika veranlassen eine Verlangsamung der Darmbeweglichkeit und führen zum Zusammenziehen der Schließmuskeln von After und Harnblase. Außerdem bewirken sie das Zusammenziehen der Muskulatur an der Gebärmutter.
Alle auf den ganzen Körper wirkende Alpha-Sympathomimetika (wie Etilefrin und Oxilofrin) weisen vermehrt Nebenwirkungen auf. Anders als die örtlichen oder auf das Gehirn wirksamen haben diese Alpha-Sympathomimetika nämlich noch eine Restwirkung auch auf die beta-Rezeptoren. Dadurch werden unter anderem Mundtrockenheit, Herzrhythmusstörungen und Herzrasen, aber auch Schläfrigkeit und Potenzstörungen ausgelöst.

Alpha-Sympathomimetika, welche die Gehirntätigkeit anregen, verursachen zum Teil aber auch störende und quälende Erregungszustände, gesteigerte Reizbarkeit, Konzentrations- und Schlafstörungen zur Folge.

Alpha-Sympathomimetika, die zum Abschwellen der Nasenschleimhaut eingesetzt werden, sollten nur kurzfristig und in möglichst niedriger Dosierung zur Anwendung kommen. Die verminderte Durchblutung der Nasenschleimhaut schädigt sie sonst, und es kann auch zu allgemeinen körperlichen Nebenwirkungen kommen. Das gilt besonders für die Anwendung bei Kindern. Für Säuglinge und Kleinkinder ist zudem die Sprayform ungeeignet: Es besteht die Gefahr der Einatmung mit Atemstörungen und Koma als Folge!

Zu erwähnen ist auch die Gefahr einer Abhängigkeit von abschwellenden Nasentropfen. Wer sie zu oft und lange benutzt, macht vielfach die Erfahrung, ständig unter einer verstopften Nase zu leiden. Die Gewöhnung an das abschwellende Alpha-Sympathomimetikum ist eine Sucht, die nur sehr schwer zu beherrschen ist. Es kann versucht werden, dieser Abhängigkeit mit allmählich verminderter Anwendung und abwechselndem Einträufeln in nur ein Nasenloch beizukommen. So kann man die Dosis ohne Luftnot langsam verringern.