Eine Frau schläft vor dem Laptop mit dem Kopf auf dem Tisch.
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Powernapping – die Kunst des Nickerchens

Von: Onmeda-Redaktion, Brit Weirich (Medizinautorin, M.A. Mehrsprachige Kommunikation)
Letzte Aktualisierung: 25.11.2021

Gerade vier Stunden gearbeitet und schon wieder müde? Lieber den Kopf auf die Tastatur legen als die Hände? Es ist der immer wiederkehrende Kampf gegen Körper und Gewissen: Schlafen oder durcharbeiten? Powernapping hilft dabei, die Energievorräte wiederaufzutanken.

Warum Schlaf so wertvoll sein kann

Ob Karl der Große, Albert Einstein oder Konrad Adenauer: In der Geschichte waren es nicht nur illustre Gestalten, die sich der belebenden Wirkung eines Nickerchens hingaben. Doch die Kultur des Mittagsschlafs scheint in Vergessenheit geraten zu sein. Und das, obwohl sich beim Biorhythmus nichts geändert hat: Viele übermannt täglich um die Mittagszeit eine Schwere und Müdigkeit, die ein konzentriertes Weiterarbeiten behindert.

Vereinzelte Exoten sorgen am Arbeitsplatz für Kopfschütteln, wenn sie vom letzten Mittagsschlaf im Bürostuhl erzählen. Wer es ausprobiert hat, stellt fest: Ein kurzes Nickerchen am Arbeitsplatz entspannt, gibt Kraft, macht einen aufnahmefähiger und verwandelt die Nachmittagstunden in eine produktive Zeit. Dennoch ist Powernapping für den Großteil der Chefs und Chefinnen ein Tabu. Es lohnt sich, gegen diesen schlechten Ruf anzuarbeiten – warum, haben wir hier zusammengestellt.

Mittagsschlaf, Nickerchen oder Powernapping

Der Begriff "Powernapping" kommt aus dem Englischen (power = Kraft, nap = Nickerchen). "Inemuri" lautet das Wort für die öffentliche Form des Kurzschlafs in Japan; in China spricht man von "Xeu-Xi". Hier misst man dem Mittagsschlaf den Wert eines Grundrechts bei. In vielen Ländern Südeuropas steht die Siesta für eine entspannte Auszeit von der Hitze. Als deutscher Begriff wäre wohl "kurzer Mittagsschlaf" oder "Nickerchen" treffend.

Powernapping als natürliches Doping

Die Forschung kennt inzwischen günstige Wirkungen des Powernappings auf Konzentration und Wohlbefinden. Wer einen kurzen Mittagsschlaf gehalten hat, reagiert nach dem Aufwachen schneller als vorher, ist aufmerksamer und konzentrierter bei der Arbeit und erfreut seine Mitmenschen mit guter Laune.

In Gedächtnistests schnitten die Ausgeschlafenen deutlich besser ab, da die kurze Schlafphase das Gehirn anspornt: Es speichert gelernte Informationen besser ab und holt sie schneller wieder hervor. Nickerchen lassen uns abschalten, Geist und Seele können sich erholen. Neuen Studien zufolge kann der Mittagsschlaf sogar verhindern, dass die Herzkranzgefäße verkalken und eine sogenannte koronare Herzkrankheit (KHK) entsteht.

Wenn die innere Uhr sich meldet

Im Laufe des Lebens ändert sich der Schlafrhythmus mehrmals. Viele erinnern sich an ihre entspannte Kindheit und die regelmäßigen Nickerchen nach dem Mittagessen. In den ersten Schuljahren bis zum Einsetzen der Pubertät stellt sich der Körper dann auf einen 24-Stunden-Rhythmus ein – mit nur einer Schlafphase: nachts. Tagsüber ruhen in dieser Phase nur die wenigsten. In der Teenager-Zeit ändert der Körper den Schlafrhythmus erneut und bei den meisten Menschen flammt danach das mittägliche Schlafbedürfnis wieder auf.

Die Folge: Viele Menschen in Mitteleuropa kämpfen bis ans Ende des Lebens gegen die Mittagsmüdigkeit an. Denn wer in unseren Breiten lebt, darf meist keine Schwäche zeigen und muss wach bleiben. So sieht es nicht überall aus: In Äquatornähe gönnen sich zwei von drei Menschen mittags eine Auszeit. Völlig zu recht, denn Powernapping befriedigt ein Grundbedürfnis. Dies bestätigt sich auch im fortgeschrittenen Alter: Etwa zwei Drittel der über Sechzigjährigen folgen ihrer inneren Uhr und halten einen Mittagsschlaf.

Nachholbedarf in Sachen Schlaf

Deutschlands Arbeitswelt tut sich mit Powernapping noch schwer. Nur wenige Chefs und Chefinnen handeln im Sinne des Nickerchens. So dulden seit ein paar Jahren einige Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen den kurzen Mittagsschlaf. Beispielhaft macht es die Universitäts-Pizzeria Regensburg, die extra einen Ruheraum eingerichtet hat. In Japan sind "Relax-Center", in denen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ausruhen können, genauso selbstverständlich wie so genannte "Nap-Shops" – Räume, in denen sich jeder stundenweise Platz für ein Nickerchen mieten kann.

Nickerchen! Wann und wie lang?

Nun fehlt noch der richtige Zeitpunkt. Die innere Uhr gibt die Stunde zwischen 13 und 14 Uhr für ein Schläfchen vor. Das Mittagessen löst die Schläfrigkeit allerdings nicht aus: Die Verdauung kann das Powernapping sogar etwas stören. Allein die Tageszeit entscheidet: Biologisch gesehen stellt die Müdigkeit am Mittag einen Teil des menschlichen "Programms" dar.

Aber auch das Nickerchen will geübt sein. Jene, die an einem normalen Arbeitstag mittags zu lange ruhen, wanken nachher eventuell schlaftrunken über die Gänge. So soll Powernapping eigentlich nicht wirken – und auch der Chef oder die Chefin wäre wohl wenig begeistert. Den meisten Menschen reichen 10 bis 30 Minuten, um Kraft zu tanken; doch selbst nach einem solch kurzen Schlaf braucht es einen gewissen Moment zum Aufwachen. Schon drei Minuten reichen, um wieder gut in Tritt zu kommen.

Wer seinen natürlichen Bedürfnissen folgt und sich zumindest ab und an mittags eine Auszeit gönnt, liegt goldrichtig. Ob die erholsamen 10 bis 30 Minuten dann Powernapping, Nickerchen, Büroschlaf oder sonst wie heißen, spielt keine Rolle.