Das Bild zeigt einen kleinen Jungen, der an der Tafel steht und eine Matheaufgabe löst.
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Mathe lernen mit der Matte: Kinder begreifen schneller, wenn sie sich bewegen!

Von: Till von Bracht (Medizinredakteur, M.A. Sportwissenschaften)
Letzte Aktualisierung: 10.01.2022 - 13:34 Uhr

1, 2, hüpf, 4, 5, hüpf, 7, 8, hüpf: Was sich anhört, als würden Erstklässler auf dem Pausenhof ihrer Grundschule das bekannte Hüpfspiel „Himmel und Hölle“ spielen, könnte der Mathematikunterricht der Zukunft sein. Zumindest wenn es nach den neuesten Erkenntnissen von Professor Jacob Wienecke von der Universität Kopenhagen geht.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Mathe lernen mit der Matte: Kinder begreifen schneller, wenn sie sich bewegen!

Etliche Unterrichtsstunden in Deutschland laufen seit Jahren nach demselben Prinzip ab: Der Lehrer kommt in den Klassenraum. Die Kinder verstauen ihre Smartphones und sagen ein gemeinsames „Guten Morgen, Herr Mustermann“ auf. Anschließend geht der Lehrer an die Tafel, erklärt das kleine Einmaleins oder wie man eine Gleichung nach x auflöst – und die Kinder schreiben mehr oder weniger motiviert mit.

Aber ist ein solcher Lehrervortrag auch wirklich die beste Methode, um Kindern Mathe beizubringen? Mitnichten!

Schon seit Jahren weiß man, dass Kinder Zahlen, Zahlenräume, Formen und Muster der Mathematik besser begreifen, wenn sie sich regelmäßig bewegen und dabei körperliche oder objektbezogene Erfahrungen machen. Ein Beispiel: Erst wenn Kleinkinder die Erfahrung gemacht haben, dass sich ein Würfel nicht auf eine Pyramide stapeln lässt, können sie einen Turm aus Bauklötzen nachbauen. Diese Erfahrungen erleichtern es dem Kind, sich später mit symbolischen Objekten wie Buchstaben oder Zahlen auseinanderzusetzen.

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Wie sich diese Erkenntnisse sinnvoll in die Praxis umsetzen lassen, machen einige Grundschulen aus Skandinavien vor – zum Beispiel die Drumsö lågstadieskola in Helsinki.

Hier wird die Unterrichtsstunde nicht vom Lehrer, sondern vom 8-jährigen Jonas begonnen. Mit einer kleinen Glocke in der Hand läutet der Grundschüler zum Unterrichtsbeginn. Anschließend zieht er eine Karte aus einem Stapel, auf der das Wort "Helikopter" geschrieben steht. Nun beginnt er, seine Arme seitlich zu kreisen – eben wie ein Helikopter. Erst vorwärts, dann rückwärts. Und alle Kinder machen freudig mit. Die Morgengymnastik dauert einige Minuten, dann kehrt Ruhe ein und die Lehrerin übernimmt den Unterricht.

"Wenn man sich bewegt, wird das Herz-Kreislauf-System angeregt" erklärt Tobias Bauer, der am Friedrich-Dessauer-Gymnasium in Aschaffenburg den Fachbereich Sport leitet. Dadurch werde mehr Blut ins Gehirn gepumpt und die Konzentration gesteigert.

Professor Jacob Wienecke von der Universität Kopenhagen wollte es aber noch etwas genauer wissen. Er stellte sich die Frage, ob nicht nur körperliche Aktivität an sich eine Rolle spielt, sondern auch die Art der Bewegung.

Er und sein Team untersuchten die mathematischen Leistungen von insgesamt 165 Kindern im Alter zwischen sieben und acht Jahren. Alle Kinder mussten zu Beginn der Studie sowie sechs Wochen später einen standardisierten Mathetest absolvieren.

Die Wissenschaftler unterteilten die Kinder in drei Gruppen, in denen sie auf unterschiedliche Weise Mathe lernten:

  • Gruppe 1 – Mathe lernen mit Körpereinsatz: Die Unterrichtsstunden fanden auf dem Fußboden statt. Um die mathematischen Aufgaben zu lösen, sollten die Kinder ihren ganzen Körper einsetzen, zum Beispiel indem sie mit ihren Armen und Beinen Zahlen und Zeichen formen.
  • Gruppe 2 – feinmotorisches Lernen: In dieser Gruppe saßen die Kinder wie üblich auf ihren Plätzen. Allerdings konnten sie zur Lösung von einfachen Rechenaufgaben oder geometrischen Aufgaben Lego-Bausteine zur Hilfe nehmen.
  • Gruppe 3 – die inaktive Kontrollgruppe: Die Kinder in Gruppe drei wurden auf „klassische Art“ unterrichtet. Sie saßen stets still auf ihren Plätzen und versuchten die Aufgaben mithilfe von Stift, Papier, Geodreieck und so weiter zu lösen.

Das Ergebnis: Die Kinder aus Gruppe 1 konnten bei dem Mathetest sechs Wochen später signifikant mehr Aufgaben richtig beantworten, als die Kinder aus Gruppe 2 und 3. Es zeigte sich also wieder einmal: Bewegung hilft dem Lernen auf die Sprünge!

Oder wie es der anerkannte Sportpädagoge und Direktor des Sportwissenschaftlichen Instituts der Uni Basel Prof. Dr. Uwe Pühse formuliert: "Der Körper ist mehr als nur ein Stativ für den Kopf."