Menschen sitzen auf einem Steg und lassen ihre Beine ins Wasser baumeln.
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Amöben: Einzellige Krankheitserreger

Von: Brit Weirich (Medizinautorin, M.A. Mehrsprachige Kommunikation), Dr. rer. nat. Geraldine Nagel (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 12.05.2022

Amöben sind Einzeller, die überall auf der Welt vorkommen, etwa im Süßwasser und in feuchten Boden. Doch auch im menschlichen Körper sind sie zu finden. Während manche Amöben harmlos sind, können andere Erkrankungen hervorrufen. Welche Amöbeninfektionen es gibt und mit welchen Beschwerden sie einhergehen. 

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Was sind Amöben?

Amöben (Amoeba proteus) sind Einzeller, die zu den Protozoen (Urtierchen) und hier zur Gruppe der Rhizopoda (Wurzelfüßer) zählen. Der Begriff Amöben geht auf das griechische Wort amoibe zurück und bedeutet so viel wie "Wechsel" oder "Veränderung" – und das hat seinen Grund: Amöben besitzen keine feste Zellwand, wodurch sie ihre Gestalt ständig ändern können. Deshalb spricht man auch von Wechseltierchen.

Amöben: Aufbau

Amöben bestehen als Einzeller nur aus einer Zelle. Wie alle Einzeller sind Amöben Wurzelfüßler: Charakteristisch für die Zellmembran, die die Zelle zusammenhält, sind wurzelähnliche Ausstülpungen (Pseudopodien).

Amöben sind durchsichtig und mit einer Größte von 0,1 bis 1 Millimeter (mm) mit dem bloßen Auge kaum zu erkennen. Das Zellinnere von Amöben besteht wie alle einzelligen Organismen aus flüssigem Endoplasma. Dieses enthält wiederum Zellorganellen, die verschiedene Funktionen übernehmen. Im Zellkern, den Amöben wie alle Eukaryoten besitzen, liegt Erbinformation in Form von DNA vor. 

Amöben: Nahrungsaufnahme und Verdauung

Amöben besitzen sogenannte Nahrungsvakuolen. Das sind pulsierende Bläschen, über die die Nahrungsaufnahme stattfindet: Die Einzeller ernähren sich von Bakterien und kleineren Einzellern. Sie fangen ihre Beute zunächst mithilfe der Zellausläufer. Dazu umschließen sie diese erst mit den Wurzelfüßchen und schließen die Nahrungspartikel dann in die Nahrungsvakuolen in ihrem Inneren ein. Innerhalb dieser Bläschen wird die Nahrung verdaut. Dieser Prozess wird Phagozytose genannt.

Amöben besitzen zusätzlich eine sogenannte kontraktile Vakuole. Dabei handelt es sich ebenfalls um ein Bläschen, das an unterschiedlichen Stellen im Zellinnern liegen kann. Die kontraktile Vakuole dient dazu, überflüssiges Wasser aus der Zelle herauszubefördern. Da der Salzgehalt innerhalb der Amöben höher ist als das sie umgebende Süßwasser, fließt ständig Wasser in die Zelle hinein. Mithilfe der kontraktilen Vakuole können Amöben den Einstrom ausgleichen und so verhindern, dass sie platzen.

Amöben: Fortbewegung

Um sich fortzubewegen, verändern Amöben ihre Gestalt. Dieser Fortbewegungsprozess, der als amöboid bezeichnet wird, erfolgt in drei Schritten:

  1. Extension: Die Einzeller schieben die Scheinfüßchen oder Pseudopodien aus dem Zellkörper in die gewünschte Bewegungsrichtung heraus und vergrößern sie. Dafür bildet die Amöbe sogenanntes Ektoplasma, das in die Scheinfüßchen fließt und so für eine Verlängerung sorgt.
  2. Adhäsion: Dank der sogenannten Adhäsionskräfte haften die Scheinfüßchen der Amöben am Untergrund.
  3. Retraktion: Der restliche Zellkörper folgt den Scheinfüßchen nach.

Vom beweglichen Stadium können Amöben in ein Dauerstadium übergehen. Dazu wandeln sie sich in rundliche, unbewegliche Zysten um. Als Zysten sind Amöben relativ widerstandsfähig, solange die Umweltbedingungen günstig sind und es nicht zu trocken oder zu warm wird. Trocknen die Zysten aus, sterben die Einzeller ab – ebenso bei Temperaturen über 55 Grad Celsius.

Amöben: Fortpflanzung

Amöben pflanzen sich erst ab einer gewissen Größe fort. Das geschieht durch die sogenannte Querteilung – eine Form der ungeschlechtlichen Vermehrung. 

Amöben: Vorkommen

Amöben kommen fast überall auf der Welt vor. Man findet sie vor allem im Süßwasser, etwa in

  • Seen und Tümpeln,
  • Teichen
  • und Pfützen.

Doch auch im Meerwasser und in feuchten Böden fühlen sich die Einzeller wohl, etwa in schlammiger Erde oder an Gewässerrändern und -oberflächen (Kahmhaut) und teilweise auch in Wasserversorgungssystemen – also überall dort, wo besonders viele Bakterien zu finden sind, da diese der primäre Nahrungsbestandteil von Amöben sind.

Doch nicht nur in der Natur, auch im menschlichen Körper kommen Amöben vor, etwa im Darm oder im Mundraum. 

Amöben als Krankheitserreger

Für den Menschen sind vor allem folgende Amöben von Bedeutung:

  1. krankheitserregende Amöben, die im menschlichen Körper vorkommen
  2. krankheitserregende Amöben, die in der Natur vorkommen

Krankheitserregende (pathogene) Darmamöben

Zur Gruppe der krankheitserregenden Amöben zählt ausschließlich der Erreger Entamoeba histolytica. Er kommt weltweit vor und kann zu einer Infektionskrankheit namens Amöbenruhr führen, die meist mit starken Durchfällen einhergeht. Erkrankungen durch Entamoeba histolytica treten vor allem in tropischen und subtropischen Ländern auf.

Eine Infektion mit dieser Amöben-Art ist meldepflichtig. Den größten Teil seines Lebenszyklus verbringen diese parasitisch lebenden Amöben im Darm des Menschen. Die Zysten von Entamoeba histolytica werden mit dem Stuhl ausgeschieden und können über fäkale Verunreinigungen von Wasser oder Nahrung andere Menschen infizieren. 

Daneben gibt es auch harmlose Amöben, die auf Schleimhäuten (z. B. im Darm oder im Mundraum) vorkommen. Dann spricht man von sogenannten apathogenen, also nicht krankmachenden Amöben.

Zu den apathogenen Amöben, die bei vielen Menschen im Darm vorkommen, zählen zum Beispiel die Arten 

  • Entamoeba coli
  • Entamoeba dispar
  • Entamoeba hartmannii
  • oder Endolimax nana.

Die Amöbenart Entamoeba gingivalis findet man dagegen im Mundraum in den Zahnzwischenräumen und Zahnfleischtaschen.

Krankheitserregende (pathogene) freilebende Amöben

 Zu den im Süßwasser und im Boden freilebenden Amöben zählen die Gattungen

  • Acanthamoeba,
  • Balamuthia
  • und Naegleria.

Sie verursachen beim Menschen nur gelegentlich Infektionen. Bei manchen Menschen besiedeln sie die Schleimhäute von Nase, Mundraum oder Augen, ohne Beschwerden hervorzurufen. Vor allem bei Acanthamoeba und Balamuthia kann es außerdem mehrere Wochen oder Monate dauern, bis es zum Ausbruch einer Erkrankung kommt. 

Granulomatöse Amöbenenzephalitis (GAE)

Akanthamöben können eine Granulomatöse Amöbenenzephalitis (GAE) auslösen. Mit dieser Erkrankung infizieren sich fast ausschließlich immunschwache Personen, etwa ältere Menschen oder Menschen mit einer Autoimmunerkrankung.

Eine GAE löst eine Gehirnentzündung aus, sie entwickelt sich eher schleichend. Erste Symptome sind

Im weiteren Verlauf kann es zur Bewusstlosigkeit oder sogar zum Koma kommen. Zudem lässt sich bei Erkrankten eine erhöhte Zahl an Leukozyten (weißen Blutkörperchen) feststellen. Die GAE endet meist tödlich.

Hornhautentzündung (Amöbenkeratitis)

Akanthamöben können auch eine Hornhautentzündung, die sogenannte Amöbenkeratitis, hervorrufen. Das geschieht, wenn die Parasiten zum Beispiel aus dem Leitungswasser in Kontaktlinsenflüssigkeit und so ins Auge gelangen. 

Primäre Amöben-Meningoenzephalitis (PAM)

In sehr seltenen Fällen gelangen Amöben wie Naegleria fowleri beim Baden in stehenden Gewässern in den menschlichen Körper. Über die Nasenschleimhaut können die Wechseltierchen entlang der Nerven bis ins Gehirn wandern und dort nach wenigen Tagen eine Entzündung hervorrufen (sog. Primäre Amöben-Meningoenzephalitis oder Primäre Amöben-Enzephalitis, auch PAM oder PAME). Die Letalität ist hoch, sie liegt bei rund 90 Prozent. Darüber gibt es vor allem aus den USA, Australien und Frankreich vereinzelte Berichte – aus Deutschland bislang nicht. Weltweit wurden laut Robert Koch-Institut (RKI) bislang rund 250 Fälle gemeldet, wobei Fachleute eine höhere Dunkelziffer vermuten.

Die bisher dokumentierten Fälle lassen darauf schließen, dass sich vor allem Kinder und junge Menschen mit PAM infizieren, auch ohne, dass eine Immunschwäche vorliegt. Neben Symptomen wie

  • Fieber,
  • Übelkeit und Erbrechen,
  • Kopfschmerzen
  • und Nackensteifigkeit

ist eine Veränderung der körperlichen Wahrnehmung und der Körperkontrolle charakteristisch für Primäre Amöben-Enzephalitis. 

Mit Amöben der Gattung Naegleria infizieren sich Menschen vermutlich in warmen Süßgewässern, wenn die Amöben etwa beim Tauchen das Riechepithel durchdringen und so das zentrale Nervensystem erreichen.

Bei einem Einzelfall in den USA gelangte die Amöbenart Balamuthia mandrillaris durch eine Nasendusche (mit Leitungswasser) bis ins Gehirn und verursachte dort tödliche Schäden. Leitungswasser in den USA hat nicht immer eine solche Trinkwasserqualität wie in Deutschland. Aus diesem Grund rät die US-amerikanische Behörde für Lebens- und Arzneimittelüberwachung (FDA, Food and Drug Adminsitration), für Nasenduschen in den USA nur destilliertes Wasser zu nehmen – oder Leitungswasser dafür mindestens fünf Minuten lang abzukochen. In Deutschland ist das Abkochen von Leitungswasser für Nasenduschen in der Regel nicht notwendig, sofern nicht bestimmte Erkrankungen vorliegen (wie eine Mukoviszidose) oder Betroffene kürzlich im Nasenraum operiert wurden.

Legionärskrankheit: Bakterien nutzen Amöben zur Vermehrung

Freilebende Amöben nehmen zudem manchmal Bakterien wie Legionellen in sich auf und können so zur Verbreitung von Krankheiten beitragen. Das kann zum Beispiel aufgrund von alten Wasserleitungen geschehen.

Legionellen sind ursächlich für die sogenannte Legionärskrankheit, auch Legionellen-Infektion oder Pontiac-Fieber genannt. In Deutschland wird laut RKI jährlich eine Inzidenz von etwa 1,1 pro 100.000 Einwohner*innen verzeichnet. Rund 80 Prozent der Betroffenen sind über 50 Jahre alt. Hauptursache ist die Ansiedlung von Legionellen im Trinkwasser aus dem Wasserhahn. Charakteristisch für diese Erkrankung ist eine starke Lungenentzündung. Auch das Gehirn kann betroffen sein. 

Krankheiten durch Amöben behandeln und vorbeugen

Bei einigen der durch Amöben ausgelösten Erkrankungen ist die Überlebenschance sehr gering. Die oftmals lange Inkubationszeit und die unspezifischen Symptome, die sich zu Beginn mitunter zeigen, erschweren eine schnelle Diagnose und Behandlung zusätzlich.

Die Therapie richtet sich nach der jeweilig ausgelösten Erkrankung. Bei Amöbenruhr verabreicht die*der Ärztin*Arzt etwa das Antibiotikum Metronidazol. Auch bei PAM und GAE wird mithilfe von Antibiotika und anderen Wirkstoffen therapiert. So kommen zum Beispiel Antiparasitika wie Pentamidin oder Flucytosin zum Einsatz. Oft muss die Medikation über mehrere Jahre erfolgen.

Vorbeugen kann man durch Amöben ausgelösten Erkrankungen bedingt, indem man in Risikogebieten folgende Sicherheitsmaßnahmen beachtet:

  • Möglichst nicht im ungechlorten und stehenden Süßwasser baden, wenn dieses über 30 Grad Celsius beträgt
  • Falls gebadet wird, den Kopf nicht untertauchen, damit kein potenziell belastetes Wasser in die Nase gelangt
  • Vorsicht bei Gartenarbeit: Vor allem Menschen mit Immunschwäche sollten den Kontakt zu feuchter Erde meiden, wenn Hautverletzungen vorliegen