Eine junge, bedrückt aussehende Frau wird von einer anderen Frau getröstet.
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PTBS: Was ist eine posttraumatische Belastungsstörung?

Von: Wiebke Posmyk (Medizinjournalistin, Diplom-Pädagogin, M.A. Media Education), Miriam Funk (Medizinredakteurin und Redaktionsleitung)
Letzte Aktualisierung: 17.03.2023

PTBS steht für posttraumatische Belastungsstörung. Auslöser einer PTBS ist ein extrem belastendes Ereignis. Dies kann zum Beispiel körperliche Gewalt, Kriegserlebnisse oder eine Naturkatastrophe sein. Wann es sich um eine posttraumatische Belastungsstörung handelt, welche Symptome auftreten und wie die Therapie aussieht, lesen Sie hier.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Was ist eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)?

Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) ist eine verzögerte und lang anhaltende, starke Reaktion auf eine extreme Traumatisierung. Diese Reaktion ist durch intensive Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen gekennzeichnet. Eine andere Bezeichnung ist post traumatic stress disorder (PTSD).

Eine posttraumatische Belastungsstörung kann prinzipiell jeden Menschen treffen, der zuvor etwas außergewöhnlich Bedrohliches, also ein Trauma, erlebt hat. Dabei kann die Bedrohung nur wenige Sekunden angedauert haben – etwa bei einem Überfall. Sie kann aber auch mehrere Monate oder Jahre hinweg anhalten, wie im Falle einer Kriegsgefangenschaft.

Nicht nur Personen, die unmittelbar Opfer einer traumatischen Situation waren, können eine posttraumatische Belastungsstörung entwickeln. Auch Augenzeug*innen können betroffen sein.

Häufigkeit von PTBS

Über die Häufigkeit der posttraumatischen Belastungsstörung gibt es unterschiedliche Angaben, die zum Teil stark voneinander abweichen. Schätzungen zufolge erkranken zwischen 2 und 7 von 100 Personen einmal in ihrem Leben an einer PTBS. Frauen erhalten die Diagnose etwa doppelt so häufig wie Männer.

Unterschiede PTBS und akute Belastungsreaktion und Anpassungsstörung

Eng verwandt mit der PTBS sind die akute Belastungsreaktion und die Anpassungsstörung:

  • Die Anpassungsstörung entwickelt sich nach einer entscheidenden Lebensveränderung, etwa nach dem Tod des*der Partners*Partnerin. Die Störung setzt meist innerhalb eines Monats nach der Veränderung ein und hält nicht länger als sechs Monate an.
  • Eine akute Belastungsreaktion tritt – im Gegensatz zur posttraumatischen Belastungsstörung – unmittelbar nach dem Trauma auf. Sie bildet sich normalerweise nach wenigen Stunden bis Tagen zurück, kann aber auch in eine PTBS übergehen.

Posttraumatische Belastungsstörung: Symptome

Typische Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTSB) sind:

  • sich aufdrängende Erinnerungen an das Erlebte (Intrusionen), aber auch Erinnerungslücken
  • körperliche Symptome einer vegetativen Übererregung wie Schlaflosigkeit oder Reizbarkeit
  • emotionaler und sozialer Rückzug

Intrusionen: Belastende Erinnerungen

Charakteristisch für eine PTBS: Betroffene durchleben die belastende Situation in Gedanken und Gefühlen immer wieder. Fachsprachlich wird dieses Wiedererleben als Intrusion bezeichnet. Intrusionen können zum Beispiel in Form von Albträumen auftreten, aber auch als sogenannte Flashbacks.

Flashbacks (englisch für Rückblende) sind albtraumartige Bilder oder Eindrücke des Ereignisses, die plötzlich in Erinnerung treten. So leiden Betroffene etwa unter Flashbacks und erleben das traumatische Erlebnis immer wieder neu. So haben sie in diesen Momenten beispielsweise große Angst oder körperliche Schmerzen.

Oft haben Menschen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung wiederholt intensive Albträume. Tagträume und Ängste treten ebenfalls häufig auf. Aber auch teilweise oder vollständige Erinnerungslücken (psychogene Amnesie) sind möglich.

Manche Betroffene sind überzeugt davon, sie seien schuld an dem, was ihnen wiederfahren ist. Sie sind nicht in der Lage, ihre belastenden Gedanken zu unterdrücken.

Symptome einer vegetativen Übererregung

Menschen mit PTBS befinden sich in einem Zustand vegetativer Übererregung. Obwohl das Erlebte längst vorbei ist, hält das Gefühl der Bedrohung weiter an. Das heißt: Der Körper ist ständig in Alarmbereitschaft – so, als sei er unmittelbar in Gefahr. Mögliche Symptome dieser erhöhten Wachsamkeit sind zum Beispiel

Emotionaler und sozialer Rückzug

Menschen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung vermeiden Situationen, die sie in irgendeiner Form an das Trauma erinnern könnten (sog. Stimuli oder Trigger). Sie versuchen, inneren und äußeren Reizen zu entfliehen, um sich zu schützen. Sie ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück und zeigen kein Interesse mehr an Dingen, die ihnen vorher Freude bereitet haben. Menschen mit PTBS wirken gleichgültig, lustlos und teilnahmslos, quasi „emotional taub“.

Weitere Symptome bei PTBS

Eine posttraumatische Belastungsstörung führt häufig dazu, dass die Betroffenen müde und erschöpft sind. Manche entwickeln Depressionen oder auch Suizidgedanken. Weitere mögliche Symptome sind Entfremdungsgefühle (Depersonalisation) und körperliche Beschwerden ohne eine organische Ursache.

Bei Kindern kann sich eine PTBS auch durch Verhaltensauffälligkeiten bemerkbar machen. So kann es beispielsweise sein, dass das Kind häufig aggressiv reagiert – oder dass es die traumatische Situation immer wieder nachspielt.

Wann treten die ersten Symptome auf?

Die ersten Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung zeigen sich oft erst Wochen bis mehrere Monate nach dem belastenden Erlebnis. In seltenen Fällen vergehen sogar Jahre, bis die Symptome einer PTBS auftreten.

Es ist aber auch möglich, dass sich die PTBS aus einer sogenanntenakuten Belastungsreaktionentwickelt. Eine akute Belastungsreaktion tritt im Gegensatz zur PTBS unmittelbar nach einem traumatischen Erlebnis auf. Mögliche Symptome sind zum Beispiel Ängste, depressive Verstimmung, körperliche Beschwerden und eine veränderte Wahrnehmung. In der Regel klingt die akute Belastungsreaktion nach einigen Stunden bis Tagen ab – der*die Betroffene hat das Erlebte bewältigt. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Dann kann sich eine posttraumatische Belastungsstörung daraus manifestieren.

Komplexe PTBS (kPTBS): Dauerhafte Persönlichkeitsveränderung

Besteht die posttraumatische Belastungsstörung länger als zwei Jahre, kann es sich um eine komplexe PTBS handeln. Dazu kann es nach schweren, dauerhaften oder wiederholten Traumatisierungen kommen. Bei der komplexen PTBS sind die Symptome besonders schwer und beeinträchtigen das Denken, die Gefühle und die sozialen Beziehungen anhaltend. 

Posttraumatische Belastungsstörung: Ursachen

Eine PTBS entsteht durch ein Trauma. Ein Trauma ist eine außergewöhnliche und extreme Situation, die jeden Menschen stark belasten würde. Zu möglichen traumatischen Ereignissen zählen etwa

  • Krieg,
  • Naturkatastrophen wie z.B. Erdbeben,
  • körperliche Gewalt, Folter, Gefangenschaft,
  • schwere Unfälle,
  • sexueller Missbrauch/Vergewaltigung, aber auch
  • die Diagnose einer schweren Erkrankung wie Krebs oder Herzinfarkt.

Aber: Nicht jeder Mensch, der eine ungewöhnlich belastende Situation (Traumatisierung) durchlebt, erkrankt in der Folge an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Vielmehr spielen auch andere Einflüsse wie die Resilienz eine Rolle.

Bestimmte Faktoren können das Risiko für eine PTBS erhöhen. Dazu zählen eine geringe Unterstützung aus der Familie oder Trennungserlebnisse in der Kindheit.

Aus neurobiologischer Sicht tendieren Menschen mit PTBS dazu, auf Stress übermäßig stark zu reagieren. Ihr Gehirn ist nicht in der Lage, das Erlebte angemessen zu verarbeiten. Dabei spielen verschiedene Gehirnregionen eine Rolle, so vor allem die Amygdala (Mandelkern), der Hippocampus und das Hormonsystem. Unter anderem konnten Forschende nachweisen, dass bei einer PTBS die Amygdala überaktiv ist. Die Amygdala wird aufgrund ihres Aussehens auch Mandelkern genannt. Sie ist unter anderem dafür zuständig, äußere Reize richtig einzuordnen. Stuft die Amygdala eine Situation als gefährlich ein, setzt sie eine entsprechende Reaktion in Gang – zum Beispiel eine Fluchtreaktion. Auch konnte bei Menschen mit PTBS eine Verkleinerung des Hippocampus nachgewiesen werden. Aufgabe des Hippocampus ist unter anderem, starke emotionale Reaktionen zu kontrollieren.

Diagnose der PTBS

Je eher eine Person mit PTBS Hilfe bekommt, desto besser. Daher ist eine frühzeitige Diagnose wichtig.

Einer posttraumatischen Belastungsstörung ist immer ein extrem belastendes Ereignis vorausgegangen. Dieses Ereignis kann im Einzelfall schon länger zurückliegen. Auch kann es sein, dass es sich um ein Ereignis aus der Kindheit handelt, an das sich die Person nur noch bruchstückhaft erinnert. Um herauszufinden, ob ein solches Ereignis stattgefunden hat, muss der von ärztlicher oder psychotherapeutischer Seite sehr behutsam vorgegangen werden.

Weitere Hinweise auf eine PTBS geben die typischen Symptome. So leidet der*die Betroffene zum Beispiel unter Flashbacks, in denen er das traumatische Erlebnis immer wieder erlebt. Standardisierte Fragebögen können Fachleuten helfen, den Verdacht zu bestätigen.

Die Diagnose PTBS wird gestellt, wenn die Symptome länger als einen Monat anhalten. Um auszuschließen, dass eine körperliche Erkrankung zu den Beschwerden führt, wird der*die behandelnde Arzt*Ärztin den betroffenen Menschen umfassend untersuchen.

Therapie bei PTBS

Welche Therapie bei PTBS die richtige ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Je nachdem, wie schwer die Traumatisierung ist, können Betroffene die Behandlung ambulant oder in einer Klinik durchführen.

  • Erste Hilfe nach dem Trauma: Von besonderer Bedeutung ist zunächst, die Person vor einer weiteren traumatischen Einwirkung zu schützen. Das heißt zum Beispiel: Ist das Trauma aufgrund von jahrelanger körperlicher Gewalt im Familienkreis entstanden, ist es oberstes Ziel, die Person aus diesem Umfeld zu holen.
  • Stabilisierung: Im nächsten Schritt geht es darum, die Person zu stabilisieren und ihr Sicherheit zu vermitteln. So werden etwa Techniken vermittelt, um mit Erinnerungen und damit verbundenen Gefühlen wie zum Beispiel Angst besser umgehen zu können. Dabei können ganz unterschiedliche Ansätze hilfreich sein.
  • Gespräche können in der Psychotherapie hilfreich sein, um den erlebten Kontrollverlust zu bewältigen, aber auch Rollenspiele oder Entspannungsübungen. Manche Therapeut*innen arbeiten mit inneren Bildern (sog. imaginative Verfahren). Der*die Betroffene versucht sich zum Beispiel einen sicheren Ort vorzustellen, den er*sie bei Bedrohung aufzusuchen kann. So lernt man, dass man negative Gefühle aus eigener Kraft bewältigen kann.
  • Medikamentöse Behandlung: In manchen Fällen werden zur Unterstützung Medikamente, meist Antidepressiva, verschrieben. Dazu zählen zum Beispiel Wirkstoffe aus der Gruppe der Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) wie Citalopram, Paroxetin oder Sertralin. Beruhigungsmittel wie Benzodiazepine sollten – wenn überhaupt – nur kurzfristig zum Einsatz kommen, da sie abhängig machen können.

Bearbeitung des Traumas

Generell gilt: Manchmal ist es besser, die Person nicht mit dem traumatischen Erlebnis zu konfrontieren. Das Trauma sollten Patient*in und Therapeut*in nur dann direkt bearbeiten, wenn die Person entsprechend stabil ist. Zudem sollte die betroffene Person der belastenden Situation nicht mehr ausgesetzt sein. Eine Traumabearbeitung sollten nur qualifizierte Psychotherapeut*innen durchführen.

In der Therapie werden Betroffene Schritt für Schritt mit dem Erlebten konfrontiert . Ziel der Therapie ist es, das Geschehene verarbeiten zu können und einen guten Umgang damit zu finden. Dabei ist es wichtig, dass das Erlebte behutsam und unter erfahrener Anleitung angesprochen wird, da sich die Traumatisierung und die PTBS ansonsten verschlimmern können.

Zur Traumabearbeitung kommen verschiedene Therapien und Techniken infrage, zum Beispiel:

  • Verhaltenstherapie(kognitiv-behaviorale Therapie): Bei diesem Ansatz üben Betroffene positive Verhaltensweisen und Einstellungen ein, um das Trauma besser bewältigen zu  können.
  • EMDR: EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) bedeutet so viel wie "Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegungen." Bei der Technik folgt der*die Betroffene mit den Augen bestimmten Fingerbewegungen. Gleichzeitig werden gedanklich bestimmte Aspekte des Traumas aufgerufen. Wie genau EMDR wirkt, ist noch nicht abschließend erforscht. Forschende sind der Ansicht, dass bei einer PTBS die rechte Hirnhälfte Bilder des Traumas abspeichert, während das Sprachzentrum in der linken Gehirnhälfte gehemmt ist. Das Erlebte kann so nicht in Worte gefasst und verarbeitet werden. Durch die Augenbewegungen werden beide Hirnhälften gleichzeitig stimuliert. Dies löst nach aktueller Theorie einen Verarbeitungsprozess aus.
  • psychodynamisch-imaginative Therapie: Therapeut*in und Patient*in erarbeiten mithilfe von sog. imaginativen Techniken individuelle Strategien, um das Trauma zu bewältigen. Betroffene lernen dabei, sich mithilfe von inneren Bildern von dem Erlebten zu distanzieren.

Tipps für Angehörige

Wer ein Trauma erleidet, braucht Menschen, die zuhören. Folgende Tipps können hilfreich sein:

  • aufmerksam zuhören und Gefühle ernst nehmen
  • Betroffene ermutigen, fachkundige Hilfe in Anspruch zu nehmen
  • Suizidgedanken ernst nehmen und gegebenenfalls ärztliche Hilfe einholen

Verlauf einer PTBS

Eine posttraumatische Belastungsstörung kann mit therapeutischer Hilfe überwunden werden. Sie kann aber auch sehr lange anhalten. Bleibt eine PTBS unbehandelt, nimmt sie häufig einen chronischen Verlauf. Die Beschwerden bleiben dann über Jahrzehnte oder lebenslang bestehen. Dies wiederum kann zu Depressionen oder Angststörungen führen. Auch können Medikamenten- oder Alkoholmissbrauch die Folge sein.

Viele Menschen scheuen sich, nach einem Trauma professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Je früher sie sich jedoch in Behandlung begeben, desto höher ist die Chance, das Erlebte zu bewältigen.