Eine Frau reibt sich die schmerzenden Augen
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Morbus Behçet: Chronische Entzündung der Blutgefäße

Von: Dr. rer. nat. Brit Neuhaus (Medizinautorin und Biologin)
Letzte Aktualisierung: 14.08.2023 - 13:30 Uhr

Morbus Behçet ist eine entzündlich-rheumatische Erkrankung, die mit einer chronischen Entzündung der Blutgefäße (Vaskulitis) einhergeht. Darüber hinaus sind verschiedene Organe betroffen, insbesondere Augen, Haut und Schleimhäute. Lesen Sie alles über Symptome, Diagnostik und Behandlung der Erkrankung.

Zusammenfassung

  • Definition: Morbus Behçet ist eine chronische Gefäßentzündung. Sie zählt zu den rheumatischen Erkrankungen und befällt auch verschiedene Organe, vor allem Augen, Haut und Schleimhäute.

  • Symptome: Häufigste Symptome sind große, schmerzhafte Aphthen im Mund, Geschwüre an den Genitalien, Augenentzündungen, verschiedene Hautveränderungen und Gelenkentzündungen.

  • Ursachen: Die Ursachen sind nicht genau geklärt, wahrscheinlich spielen erbliche Faktoren und das Immunsystem eine wichtige Rolle.

  • Diagnose: Die Diagnose erfolgt anhand der typischen Symptome, einer Blutuntersuchung sowie des sogenannten Pathergie-Tests: Dabei führt ein Nadelstich zu einer typischen Hautreaktion, nämlich der Bildung einer Papel im Bereich der Einstichstelle.

  • Behandlung: Die Behandlung erfolgt in der Regel mit schmerzstillenden und entzündungshemmenden Medikamenten.

  • Verlauf: Morbus Behҫet verläuft chronisch in Schüben. Mit Behandlung ist die Prognose in der Regel gut, ohne Behandlung sind schwerwiegende Komplikationen möglich.

Was ist Morbus Behçet?

Morbus Behçet – auch Morbus Adamantiades-Behҫet oder Behҫet-Krankheit genannt – ist eine rheumatische Erkrankung, die zu einer chronischen Entzündung der Blutgefäße (Vaskulitis) führt. Sowohl die Venen als auch die Arterien sind betroffen. Darüber hinaus kommt es zu einer Beteiligung verschiedener Organe, die jedoch bei jeder*jedem Patient*in unterschiedlich ausgeprägt ist. Morbus Behҫet verläuft deshalb sehr variabel.

Die Krankheit betrifft Männer und Frauen gleichermaßen, ist aber regional unterschiedlich weit verbreitet. In West- und Mitteleuropa zählt Morbus Behҫet zu den seltenen Erkrankungen, in Deutschland ist etwa einer von 200.000 Menschen betroffen. Die höchste Prävalenz findet man in der Türkei, dort sind bis zu 300 von 100.000 Einwohnern erkrankt. Auch türkischstämmige Menschen in Deutschland haben eine höhere Wahrscheinlichkeit für Morbus Behҫet, bei ihnen sind etwa 77 von 100.000 Menschen betroffen.

Erste Symptome treten in der Regel im jungen Erwachsenenalter auf, im Mittel zwischen dem 20. und 35. Lebensjahr. Im Einzelfall erkranken auch Kinder, in diesem Fall tritt Morbus Behҫet oft familiär gehäuft auf.

Welche Symptome verursacht Morbus Behçet?

Morbus Behҫet verursacht zahlreiche Symptome, allerdings tritt nicht jedes bei allen Betroffenen auf. Die häufigsten Anzeichen dieser Erkrankung betreffen Haut, Schleimhäute und Augen:

  • orale Aphthen, also schmerzhafte Geschwüre der Mundschleimhaut, die innerhalb von ein bis zwei Wochen abheilen
  • Aphthen an den Schleimhäuten des Genitalbereichs
  • Hautveränderungen, insbesondere akneartige, eitrige Pusteln (Papulopusteln), Haarbalgentzündungen, Hautgeschwüre und Erythema nodosum (rötlich-violett verfärbte, schmerzhafte Knoten im Unterhautfettgewebe, die vor allem im Bereich der Unterschenkel auftreten und nach zwei bis drei Wochen spontan ausheilen)
  • Augenbeteiligung mit verschiedenen Formen der Augenentzündung (insbesondere Uveitis, also eine Entzündung der mittleren Augenhaut).
  • Entzündungen der Gelenke (Arthritis)

Aphthen treten auch bei ansonsten gesunden Menschen auf, beispielsweise am Zahnfleisch, an den Lippen oder den Wangen. Allerdings bilden sie sich bei Morbus Behҫet besonders häufig im hinteren Teil der Mundhöhle, im Rachen und am Gaumen. Sie sind bei nahezu allen Betroffenen zu finden. 

Zu einer Augenbeteiligung und den damit einhergehenden Symptomen wie Lichtempfindlichkeit, Schmerzen, Rötungen und verminderter Sehkraft kommt es bei bis zu 80 Prozent der Patient*innen. Oft sind es diese Beschwerden, die Betroffene zu einem Arztbesuch veranlassen und die letztlich zur Diagnose des Morbus Behҫet führen. Eine Augenbeteiligung kann bei chronischem Verlauf zu Folgeschäden bis hin zur Erblindung führen.

Weitere mögliche Symptome

Weitere mögliche Symptome bei Morbus Behҫet sind unter anderem:

  • Thrombosen und Aussackungen der Gefäßwände (Aneurysmen) als Folge der typischen Vaskulitis
  • Gelenkschmerzen (Arthralgie)
  • Sehnenscheidenentzündungen (Tenosynovitis) und Entzündungen der Sehnenansätze (Enthesitis)
  • Beteiligung von Speiseröhre, Magen und Darm (beispielsweise Geschwürbildung, Durchfall, Entzündungen)
  • Fieberschübe
  • Nebenhodenentzündung (Epididymitis)
  • Beteiligung des zentralen Nervensystems, z. B. Entzündungen des Gehirns und der Gehirnhäute, Sinusvenenthrombose, Kopfschmerzen, Lähmungserscheinungen, Krampfanfälle
  • Beteiligung von Herz oder Nieren (selten)

Was sind die Ursachen für Morbus Behçet?

Es ist noch nicht im Detail geklärt, wie es zu Morbus Behçet kommt. Fachleute gehen aber davon aus, dass erbliche Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Ein Grund dafür ist die regional sehr unterschiedliche Verbreitung. Außerdem weisen bis zu 70 Prozent der Betroffenen eine bestimmte Genvariante auf, das sogenannte HLA-B51-Allel. Darüber hinaus trägt das Immunsystem zur Entstehung der Krankheit bei. Als klassische Autoimmunerkrankung, bei der sich die Immunabwehr gegen körpereigene Zellen und Gewebe richtet, gilt sie jedoch nicht.

Möglicherweise erhöhen auch bestimmte virale und bakterielle Infekte die Wahrscheinlichkeit, an Morbus Behçet zu erkranken.

Diagnostik bei Morbus Behçet

Ein Verdacht auf Morbus Behçet ergibt sich oft aufgrund der häufigsten Symptome, vor allem der wiederkehrenden Aphthen in der Mundhöhle, die bei fast allen Betroffenen auftreten. Kommen mindestens zwei weitere typische Anzeichen hinzu, wie zum Beispiel Aphthen an den Genitalien oder schwere Augenentzündungen, erhärtet sich der Verdacht auf Morbus Behҫet.

Oft erfolgt daraufhin eine Blutuntersuchung, bei der vor allem erhöhte Entzündungswerte (Blutsenkung und C-reaktives Protein) auffallen. Allerdings beweisen diese nicht, dass ein Morbus Behҫet vorliegt, da die Entzündungswerte auch bei vielen anderen Erkrankungen erhöht sind.

Pathergie-Test

Deshalb wird in der Regel ein weiterer Test durchgeführt: Beim sogenannten Pathergie-Test sticht die*der Ärztin*Arzt mit einer Kanüle in die Haut. Bei Menschen mit Morbus Behçet kommt es innerhalb von 24 bis 48  Stunden zu einer typischen Hautreaktion. Dabei bildet sich an der Einstichstelle ein Knötchen oder ein mit Eiter gefülltes Bläschen.

Da viele der Symptome bei Morbus Behҫet unspezifisch sind und auch bei anderen Erkrankungen auftreten können, ist die Diagnose nicht immer leicht zu stellen und zum Teil langwierig.

Ist Morbus Behçet heilbar?

Eine ursächliche Therapie gibt es bei Morbus Behҫet nicht, die Erkrankung ist nicht heilbar. Die Behandlung richtet sich nach den individuellen Symptomen, der Schwere der Erkrankung und der Häufigkeit der Schübe. Da die Beschwerden sehr vielfältig sein können, sind oft verschiedene medizinische Fachrichtungen beteiligt.

Immunmodulatoren

Bei Haut- und Schleimhautveränderungen werden oftmals lokal wirkende, schmerzstillende und entzündungshemmende Salben und Spüllösungen verordnet.

Im Fall schwerer Verläufe oder Beteiligung anderer Organe, insbesondere der Augen, großer Gefäße und des Zentralnervensystems, kommen systemische, also im gesamten Körper wirkende Medikamente zum Einsatz: Die sogenannten Immunmodulatoren unterdrücken entzündungsfördernde Prozesse (Immunsuppressiva) oder fördern entzündungshemmende Immunreaktionen (Immunstimulanzien). Dazu gehören beispielsweise Interferon und Apremilast.

Weitere Medikamente bei Morbus Behҫet

Zu den häufig eingesetzten immunsupprimierenden Wirkstoffen bei Morbus Behҫet zählen Glukokortikoide und Azathioprin. Manchmal kommen auch Biologika, also biotechnologisch hergestellte Antikörper zum Einsatz. Bei einer Arthritis hilft oftmals Colchicin, das normalerweise in der Gicht-Therapie angewendet wird und die Zellteilung hemmt.

Wie verläuft Morbus Behçet?

Morbus Behҫet ist eine schubartig verlaufende, chronische Erkrankung. Phasen mit Beschwerden wechseln sich mit weitgehend symptomfreien Phasen ab. Bei optimaler Behandlung ist die Prognose in der Regel gut. Bei einer Beteiligung des Zentralnervensystems oder der großen Gefäße ist die Sterblichkeit allerdings erhöht. Auch ein früher Erkrankungsbeginn vor dem 24. Lebensjahr, das männliche Geschlecht sowie häufige Schübe sind mit einer ungünstigeren Prognose, schweren Verläufen und früheren Organschäden verbunden.

Unbehandelt ist die Prognose ungünstig: Betroffene haben ein hohes Risiko, im Krankheitsverlauf zu erblinden, außerdem besteht die Gefahr, dass sich Aneurysmen bilden und Gefäßwände reißen.

Kann man Morbus Behçet vorbeugen?

Morbus Behҫet lässt sich nicht vorbeugen. Für Betroffene ist es jedoch ratsam, regelmäßig Kontrolluntersuchungen wahrzunehmen, insbesondere in der augenärztlichen Praxis. Durch eine sorgfältige Beobachtung der Augen und der Haut lassen sich erneute Schübe oft frühzeitig feststellen und mögliche Komplikationen verhindern.