Ein Mann liegt auf dem Bett und hat einen Arm über die Augen gelegt.
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Medikamenteninduzierter Kopfschmerz (Kopfschmerzen durch Schmerzmittel­übergebrauch)

Von: Onmeda-Redaktion, Dr. rer. nat. Geraldine Nagel (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 24.11.2021

So paradox es klingt – wer zu oft Mittel gegen Kopfschmerzen einnimmt, riskiert, dass Dauerkopfschmerzen entsteht. Ständige Kopfschmerzen durch Schmerzmittelübergebrauch treten aber nur unter bestimmten Umständen auf.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Medikamenteninduzierter Kopfschmerz (Kopfschmerzen durch Schmerzmittel­übergebrauch)

Was sind medikamenteninduzierte Kopfschmerzen?
Unter dem Begriff versteht man Kopfschmerzen, die durch den übermäßigen Gebrauch von Kopfschmerzmitteln entstehen – also durch Migränemittel (wie Triptane), Schmerzmittel (Analgetika wie Ibuprofen, Paracetamol) oder Opioide.

Medikamenteninduzierter Kopfschmerz: Ursachen

Medikamenteninduzierte Kopfschmerzen haben ihre Ursachen in einer Art Teufelskreis: Wer bei Kopfschmerzen häufig Schmerzmittel einnimmt, ohne die Angaben der Packungsbeilage bezüglich der Behandlungsdauer zu beachten, kann zusätzliche Kopfschmerzen auslösen. Wer nun (z.B. aus Angst vor weiteren Schmerzattacken und/oder Arbeitsunfähigkeit) erneut zu Schmerzmitteln greift oder die Dosis erhöht, kann aus diesem unwissentlichen Medikamentenmissbrauch schließlich Dauerkopfschmerzen entwickeln.

Egal ob Migränemittel (z.B. Triptane, Ergotamin), Schmerzmittel (Analgetika wie Ibuprofen, Paracetamol oder Acetylsalicylsäure) oder Opioide – grundsätzlich kann ein medikamenteninduzierter Kopfschmerz bei Übergebrauch durchalle Kopfschmerzmittel entstehen. Werden die Schmerzmittel jedoch gegen etwas anderes als Kopfschmerzen eingenommen, zum Beispiel gegen Rheuma oder nach einem Schlaganfall, führen diese nichtzwangsläufig zu Kopfschmerzen durch Schmerzmittelübergebrauch.

Medikamenteninduzierte Kopfschmerzen gelten als sogenannte sekundäre Kopfschmerzen. Die Ursachen liegen also immer in einer anderen Kopfschmerzerkrankung: Ohne bereits bestehende primäre Kopfschmerzen (wie Migräne oder Spannungskopfschmerz) können sich ständige Kopfschmerzen durch Schmerzmittelübergebrauch nicht entwickeln.

Video: Die wichtigsten Kopfschmerzarten und ihre Unterschiede

Meist Migräne als Ursprung

Typischerweise geht ein medikamenteninduzierter Kopfschmerz dabei aus einer Migräne (bei etwa 65 Prozent der Fälle) oder aus Spannungskopfschmerzen hervor. Clusterkopfschmerzen führt dagegen nur sehr selten zu Kopfschmerzen durch Schmerzmittelübergebrauch.

Warum manche Menschen Kopfschmerzen durch Schmerzmittel entwickeln und andere nicht, bleibt letztlich unklar. Da ein medikamenteninduzierter Kopfschmerz in den meisten Fällen aus einer Migräne entsteht, kommt als Ursache für die zusätzlichen Dauerkopfschmerzen eine erbliche Veranlagung infrage. Betroffene mit einer erblichen Veranlagung für Migräne entwickeln zudem auch häufiger Kopfschmerzen, wenn sie Schmerzmittel oder Opioide gegen anderen Schmerzarten (wie chronischen Rückenschmerzen oder Schmerzen durch eine Polyneuropathie) übermäßig einnehmen.

Bei kurzfristigerEinnahme von Kopfschmerzmitteln droht jedoch kein medikamenteninduzierter Kopfschmerz. Nur wenn die Mittel im Übermaß (d.h. über mindestens drei Monate an mindestens 10 bis 15 Tagen pro Monat) zum Einsatz kommen, können sich daraus chronische (d.h. mindestens 15 Tage pro Monat anhaltende) Kopfschmerzen durch Schmerzmittelübergebrauch entwickeln.

Medikamenteninduzierter Kopfschmerz: Symptome

Um medikamenteninduzierte Kopfschmerzen handelt es sich, wenn

  • Migräne oder Spannungskopfschmerzenbereits früher einmal aufgetreten sind und
  • die Dauerkopfschmerzen nun an 15 oder mehr Tagen pro Monat auftreten und
  • man über einen Zeitraum von drei Monaten an mindestens
    • 15 oder mehr Tagen pro Monat Analgetika (wie Ibuprofen, Paracetamol oder Acetylsalicylsäure) bzw.
    • 10 oder mehr Tagen pro Monat Migränemittel (wie Triptane, Ergotamin) oder Opioide eingenommen hat bzw.
    • 10 oder mehr Tagen pro Monat Schmerzmedikamente bei akuten Migräneanfällen kombiniert hat.

Symptome oft abhängig vom Schmerzmittel

Bei Kopfschmerzen durch Schmerzmittelübergebrauch unterscheiden sich die Symptome oft abhängig davon, welche Art von Schmerzmittel oft eingenommen wird:

  • Triptane: Bei Menschen mit Migräne, die Triptane übermäßig einnehmen, treten Migräneanfälle anfangs immer häufiger auf. Meist setzen diese morgens ein. Im Laufe der Zeit verändert sich der Migräneschmerz hin zu pulsierend-klopfenden Kopfschmerzen, die mit Übelkeit einhergehen können.
  • Analgetika: Sind Analgetika die Auslöser der Dauerkopfschmerzen, erleben Betroffene häufig einen diffusen, dumpf-drückenden Kopfschmerz, der im gesamten Kopf spürbar ist und eher Spannungskopfschmerzen ähnelt. Übelkeit oder ähnliche Begleiterscheinungen treten meist nicht auf.
  • Opioide: Kopfschmerzen durch einen Übergebrauch von Opioiden ähneln einem dauerhaften Spannungskopfschmerz. Bei den Betroffenen liegen zudem oft auch andere chronische Schmerzerkrankungen vor.

Medikamenteninduzierter Kopfschmerz: Diagnose

Medikamenteninduzierter Kopfschmerz ist eine Diagnose, die in der Regel leicht zu stellen ist. Meist genügen allein die Angaben der Betroffenen, um herauszufinden, ob die Kopfschmerzen durch einen übermäßigen Gebrauch von Schmerzmitteln entstehen.

Wer häufig Kopfschmerzen hat, kann ein Kopfschmerztagebuch führen und so die Diagnose erleichtern. In das Kopfschmerztagebuch trägt man über mehrere Wochen hinweg Angaben wie diese ein:

  • Schweregrad, Dauer und örtliche Eingrenzung der Kopfschmerzen
  • Begleitsymptome der Kopfschmerzen (wie Augenflimmern, Übelkeit)
  • besondere, nicht alltägliche Vorkommnisse (wie Stress, Aufregung, Diät, veränderte Schlafzeiten)
  • eingenommene Medikamente (welche, wie viel, wie oft)

Diese Angaben liefern bei Dauerkopfschmerzen bereits wichtige Hinweise zur möglichen Ursache. Ein medikamenteninduzierter Kopfschmerz entsteht meist aus einer Migräne und/oder einem Spannungskopfschmerz – für deren Diagnose bietet das Kopfschmerztagebuch eine gute Orientierung. Mithilfe solch eines Tagebuchs kann der Arzt zudem prüfen, ob die Kopfschmerzen durch die angegebenen Schmerzmittel entstanden sein können.

Besteht der Verdacht, dass ein medikamenteninduzierter Kopfschmerz vorliegt, folgen eine allgemeine und eine neurologische Untersuchung. Außerdem nimmt der Arzt Blut ab, um anhand der Laborwerte zu prüfen, ob die Medikamente Leber oder Nieren schädigen beziehungsweise schon geschädigt haben.

Medikamenteninduzierter Kopfschmerz: Therapie

Um medikamenteninduzierte Kopfschmerzen zu behandeln, klären Ärzte Betroffene zuerst darüber auf, dass ihre Kopfschmerzen mit der Einnahme von Schmerzmitteln in Zusammenhang stehen. Ziel der Behandlung ist zunächst, die Einnahme von Schmerzmitteln möglichst zu verringern:

  • Analgetika (wie Ibuprofen, Paracetamol oder Acetylsalicylsäure) sollten an weniger als 15 Tagen pro Monat eingenommen werden.
  • Migränemittel (Triptane), Opioide oder kombinierte Schmerzmittel sollten an weniger als 10 Tagen pro Monat eingenommen werden.

Daneben sollte man auch den ursprünglichenKopfschmerzbehandeln (also z.B. Migräne und/oder Spannungskopfschmerz). Dies geschieht im Rahmen einer Langzeittherapie. Ist der medikamenteninduzierte Kopfschmerz aus einer Migräne hervorgegangen, können im Rahmen einer sogenannte Migräne-Prophylaxe zunächst der Wirkstoff Topiramat oder Botulinumtoxin zum Einsatz kommen. Wichtig sind hier neben der medikamentösen Prophylaxe auch nicht-medikamentöse Methoden, zum Beispiel progressive Muskelentspannung.

Sinkt die Häufigkeit der Kopfschmerzen durch diese Behandlung, lässt sich der übermäßige Schmerzmittelgebrauch leichter beenden. Bleibt der Behandlungsversuch jedoch erfolglos, ist eine Medikamentenpause ratsam. Oft ist die Medikamentenentwöhnung ambulant oder in einer Tagesklinik möglich. Solch eine Entwöhnung dauert etwa zehn Tage bis zwei Wochen. Eine Ausnahme bilden Opioide, die schrittweise ausgeschlichen werden müssen.

Die Schmerzen verstärken sich möglicherweise anfangs durch den Verzicht (sog. Rebound-Phänomen). Diese Phase kann einige Tage bis drei Wochen andauern. In den ersten Tagen nach Absetzen der Schmerzmittel treten unter Umständen weitere Absetzsymptome auf (wie Übelkeit, Schlafstörungen, Nervosität). Gegen die absetzbedingten Kopfschmerzen und die Übelkeit kann der Arzt jedoch Medikamente verabreichen.

Unter Umständen kann aber auch ein stationärer Entzug unter fachmännischer Aufsicht sinnvoll sein – zum Beispiel, wenn der medikamenteninduzierte Dauerkopfschmerz seit mehreren Jahren auftritt, zusätzlich Depressionen bestehen und frühere Absetzversuche erfolglos waren. Eine begleitende Verhaltenstherapie ist notwendiger Bestandteil des Entzugs.

Hat der übermäßige Schmerzmittelgebrauch nicht nur medikamenteninduzierte Kopfschmerzen, sondern auch weitere Schäden wie Magengeschwüre, Magenblutungen, Blutarmut, Leber-, Nieren- oder Blutgefäßschäden oder Krebserkrankungen hervorgerufen, müssen diese ebenfalls behandelt werden.

Medikamenteninduzierter Kopfschmerz: Verlauf

Bei angemessener Behandlung nimmt ein medikamenteninduzierter Kopfschmerz überwiegend einen guten Verlauf: Nach dem Entzug der Schmerzmittel bleiben etwa zwei Drittel der Betroffenen frei von Dauerkopfschmerzen.

Komplikationen

Ohne Behandlung können Kopfschmerzen durch Schmerzmittelübergebrauch zu Komplikationen führen. Die übermäßige Einnahme Schmerzmitteln gegen Kopfschmerzen kann auf Dauer schwerwiegende Folgen haben, wie zum Beispiel Schädigungen der Leber oder Nieren oder wiederkehrende Magengeschwüre und Zwölffingerdarmgeschwüre.

In vielen Fällen sind Kopfschmerzen durch Schmerzmittelübergebrauch zudem mit depressiven Beschwerden verbunden. Diese bessern sich häufig, sobald die Betroffenen die ursächlichen Medikamente absetzen.

Medikamenteninduzierter Kopfschmerz: Vorbeugen

Medikamenteninduzierten Kopfschmerzen können Sie vorbeugen, indem Sie Schmerzmittel nur in vorgegebener Dauer und Dosierung einnimmt. Nehmen Sie Schmerzmittel möglichst nicht in Eigenregie über die vorgeschriebene Zeit hinaus ein. Scheint eine längere Einnahme oder eine höhere Dosierung notwendig, sollten Sie Rücksprache mit Ihrem Arzt halten.

Greifen Sie außerdem nicht sofort zu Schmerzmitteln, wenn Sie nur leichte Kopfschmerzen haben. Hier können zum Beispiel Entspannungsübungen die Beschwerden oft schon bessern. Denn häufig entwickeln sich Kopfschmerzen bei Stress als Folge von Muskelverspannungen.

Ein medikamenteninduzierter Kopfschmerz geht meist aus einer Migräne oder aus Spannungskopfschmerzen hervor, gegen die regelmäßig Schmerzmittel zum Einsatz kommen. Daher ist es sinnvoll, den Kopfschmerzverlauf in einem Kopfschmerztagebuch festzuhalten. Solch eine Selbstbeobachtung erleichtert es, die Art der Kopfschmerzen zu diagnostizieren. Außerdem können Sie so Ihre Medikamenteneinnahme überwachen.

Damit ein medikamenteninduzierter Kopfschmerz gar nicht erst entsteht, gilt grundsätzlich die Regel: Nehmen Sie bei Kopfschmerzen nicht mehr als zehn Tage pro Monat und maximal drei Tage hintereinander Schmerzmittel beziehungsweise Migränemittel ein.