Das Bild zeigt ein Baby.
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Isolierte Lissenzephalie

Von: Onmeda-Redaktion
Letzte Aktualisierung: 18.01.2022

Die isolierte Lissenzephalie ist eine sehr seltene Entwicklungsstörung des Gehirns, die in der Regel genetische Ursachen hat. Sie führt bei Neugeborenen zu körperlichen Behinderungen.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Isolierte Lissenzephalie

Lissenzephalie ist der Oberbegriff für verschiedene Entwicklungsstörungen des Gehirns. Allen Lissenzephalie-Formen gemeinsam ist eine Fehlbildung, die um den dritten und vierten Schwangerschaftsmonat entsteht: die sogenannte Migrationsstörung. Diese verursacht beim Ungeborenen eine Fehlverschaltung der Nervenzellen (Neuronen). Als Folge dieser Fehlschaltung bildet die Großhirnrinde, der Kortex, eine glatte Oberfläche aus – bei gesunden Menschen ist die Oberfläche nicht glatt, sondern besitzt viele Furchen.

Ärzte unterscheiden zwei große Gruppen der Lissenzephalie: die klassische Lissenzephalie (früher: Typ-1-Lissenzephalie) sowie die Pflasterstein-Lissenzephalie (früher: Typ-2-Lissenzephalie). Lissenzephalien entstehen durch eine Veränderung des Erbguts (Mutation). Je nachdem, an welcher Stelle diese Mutation auftritt, teilen Mediziner die klassische Lissenzephalie in vier weitere Unterformen ein. Liegt zum Beispiel eine Veränderung des sogenannten LIS1-Gen vor, handelt es sich um eine isolierte Lissenzephalie. Da die Genmutation auf dem Chromosom 17 liegt, nennt man diese Form der Lissenzephalie auch isolierte Lissenzephalie Sequenz 17, kurz ILS17.

In manchen Fällen liegt eine isolierte Lissenzephalie vor, ohne dass Ärzte einen Gendefekt feststellen können. Bevor Ärzte diese Diagnose stellen, müssen sie aber die anderen möglichen Lissenzephalie-Formen ausschließen.

Kinder, die an einer Lissenzephalie erkrankt sind, bleiben fast alle auf der geistigen Entwicklungsstufe eines Säuglings stehen. Sie bleiben lebenslang schwere Pflegefälle mit starken geistigen und körperlichen Einschränkungen: Typische Symptome sind Schluckstörungen und eine gestörte Nahrungsaufnahme. Außerdem sind die Muskeln der betroffenen Kinder entweder besonders schlaff (sog. hypotoner Muskeltonus) oder im späteren Verlauf der Erkrankung stark angespannt (sog. hypertoner Muskeltonus). Auch Krampfanfälle (Epilepsie) können auftreten. Kinder mit isolierter Lissenzephalie haben eine geringere Lebenserwartung, die dank verbesserter Therapiemöglichkeiten jedoch gestiegen ist.

Es gibt keine Therapie, mit der die isolierte Lissenzephalie geheilt werden kann. Vielmehr dient die Behandlung dazu, die Symptome der Erkrankung zu lindern.

Definition

Die isolierte Lissenzephalie ist eine spezielle Ausprägung der Lissenzephalie – einer Entwicklungsstörung des Gehirns, bei der die natürlichen Falten des Hirngewebes (die sog. Gyri) abgeflacht sind. Schwere geistige und körperliche Beeinträchtigungen und eine geringere Lebenserwartung sind die Folge.

Die isolierte Lissenzephalie gehört zu den sogenannten klassischen Lissenzephalien – früher Typ-1-Lissenzephalien genannt. Ihr liegt eine Veränderung des Erbguts zugrunde: Das sogenannte LIS1-Gen weist eine Mutation auf, die letztlich zu der Störung führt. Da die Genmutation auf dem Chromosom 17 liegt, nennen Ärzte die isolierte Lissenze auch isolierte Lissenzephalie Sequenz 17, kurz ILS17.

In manchen Fällen leidet ein Kind an isolierter Lissenzephalie, ohne dass ein Gendefekt vorliegt. Bevor Ärzte diese Diagnose stellen, müssen sie aber ausschließen, dass das betroffene Kind nicht an einer anderen Lissenzephalie-Form leidet.

Häufigkeit

Lissenzephalien sind Erkrankungen, die sehr selten auftreten – von etwa 100.000 Personen ist eine betroffen.

Ursachen

Die isolierte Lissenzephalie kann genetische und nicht genetische Ursachen haben.

Genetische Ursachen

Die genetisch bedingte isolierte Lissenzephalie entsteht durch einen autosomal-rezessiven Erbgang. Autosomal bedeutet, dass nicht die Geschlechtschromosomen betroffen sind. Die Informationen in der Erbsubstanz sind jeweils durch Genpaare kodiert – ein Gen des Paars erbt das Kind von der Mutter, das andere vom Vater. Bei rezessiven Erkrankungen müssen beide Gene geschädigt sein, damit die Krankheit ausbricht. Vater und Mutter müssen beide ein defektes Gen besitzen, das sie an ihre Kinder weitergeben können. Kinder solcher Eltern haben ein 25-prozentiges Risiko, dass sie von beiden Elternteilen das kranke Gen erben und somit an der rezessiven Erkrankung leiden – das bedeutet, dass durchschnittlich eines von vier Kindern an isolierter Lissenzephalie erkrankt, wenn beide Eltern ein krankes Gen tragen.

Experten vermuten, dass auch eine Spontanmutation – also eine unabhängig von der Vererbung neu aufgetretene Veränderung – auf dem Chromosom 17 eine isolierte Lissenzephalie auslösen kann. In diesem Fall fehlt ein kleiner Teil einer bestimmten DNA-Sequenz auf diesem Chromosom. Dabei stammen die fehlenden DNA-Sequenzen aus dem gleichen Teil des Chromosoms 17 wie bei dem Miller-Dieker-Syndrom – einer anderen Form der klassischen Lissenzephalie.

Nicht genetische Ursachen

In manchen Fällen einer isolierten Lissenzephalie können Ärzte keine genetischen Ursachen nachweisen. Die isolierte Lissenzephalie unklaren Ursprungs gilt auch als eigene Unterform der Lissenzephalien. Allerdings stellen Mediziner diese Diagnose nur dann, wenn sie sicher ausgeschlossen haben, dass keine andere Form der Lissenzephalie vorliegt.

Symptome

Kinder, die an isolierter Lissenzephalie leiden, bleiben meist auf dem Entwicklungsstand eines Kleinkindes. Sie können weder laufen noch sprechen und müssen lebenslang gefüttert werden. Eine isolierte Lissenzephalie kann sich zudem durch folgende Symptome äußern:

  1. Schluckstörungen
  2. Fütterungsprobleme
  3. Neigung zu Lungenentzündungen, vor allem durch die Schluckstörungen, die dazu führen, dass die Kinder Nahrungsbestandteile einatmen
  4. Erbrechen
  5. Gewichtsverlust
  6. Krampfanfälle, epileptische Anfälle
  7. schlaffe Muskulatur; bei älteren Kindern häufig Verkrampfung der Muskeln (Spastik)

Diagnose

Bei Verdacht auf eine genetisch bedingte isolierte Lissenzephalie kann der Arzt die Diagnose schon vor der Geburt des betroffenen Kindes stellen – mithilfe einer Fruchtwasseruntersuchung und einer anschließenden Untersuchung der Zellen. Auch Ultraschalluntersuchungen während der Schwangerschaft können ihm erste Hinweise auf eine mögliche Lissenzephalie liefern.

Ein erster Verdacht beim Neugeborenen ergibt sich aus Auffälligkeiten wie:

  • Entwicklungsverzögerung
  • abnorme Haltung und Beweglichkeit
  • Krampfanfälle

Zur Sicherung der Diagnose kann der Arzt zudem mit bildgebenden Verfahren wie Magnetresonanztomographie (MRT) und Computertomographie (CT) arbeiten. Außerdem kann er eine Chromosomenanalyse durchführen, die Veränderungen auf dem Chromosom 17 deutlich machen kann.

Therapie

Die isolierte Lissenzephalie kann nicht geheilt werden – der Fokus der Therapie liegt darauf, die Symptome zu lindern und Komplikationen wie Lungenentzündungen zu vermeiden. So können etwa Krankengymnastik und Beschäftigungstherapie verkrampfte Muskeln lockern und Gelenkschäden vorbeugen.

Verlauf & Vorbeugen

Dank einer intensiven Betreuung ist die Lebenserwartung für Kinder mit isolierter Lissenzephalie gestiegen – besonders, weil durch die verbesserten Therapiemöglichkeiten lebensbedrohliche Komplikationen wie Lungenentzündungen oder Sepsis ("Blutvergiftung") wirksam vermieden werden können.

Die isolierte Lissenzephalie ist allerdings eine schwere Erkrankung mit ungünstigem Verlauf. Viele der betroffenen Kinder sterben in den ersten Lebensjahren.

Einer isolierten Lissenzephalie kann man nicht vorbeugen. Wenn Sie sich Kinder wünschen, aber aufgrund von Lissenzephalie-Fällen in Ihrer Verwandtschaft verunsichert sind, können Sie sich bei Ihrem Arzt über ein möglicherweise erhöhtes Lissenzephalie-Risiko beraten lassen.