Das Bild zeigt eine Frau auf Toilette.
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Bakterielle Ruhr (Shigellose)

Von: Onmeda-Redaktion, Dr. rer. nat. Geraldine Nagel (Medizinredakteurin)
Letzte Aktualisierung: 19.01.2022

Die bakterielle Ruhr (Shigellose) ist eine meldepflichtige Durchfallerkrankung. Ihre Erreger – verschiedene Bakterien der Gattung Shigella (sog. Shigellen) – sind weltweit verbreitet.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Überblick

Die bakterielle Ruhr ist hochansteckend, wobei warmes Klima und schlechte sanitäre Verhältnisse die Ausbreitung der ursächlichen Shigellen begünstigen. Die Übertragung der Shigellose geschieht meist direkt von Mensch zu Mensch (auch durch sexuelle Kontakte). Vor allem in wärmeren Ländern gehören außerdem infizierte Gegenstände, verunreinigte Lebensmittel, verseuchtes Trinkwasser sowie kontaminierte Badegewässer zu den möglichen Infektionsquellen.

Wenn jemand in Deutschland eine bakterielle Ruhr entwickelt, ist die Krankheit meist auf eine Ansteckung im Ausland zurückzuführen (z.B. bei Reisen nach Indien, Nordafrika oder in die Türkei).

Meist bricht die bakterielle Ruhr ein bis drei Tage nach der Infektion mit den Shigellen aus. Erste Symptome der Shigellose sind:

In schwereren Fällen können die Durchfälle nachfolgend blutig-schleimig-eitrig sein. Dann kann die bakterielle Ruhr zusätzlich starke Bauchkrämpfe, einen Flüssigkeitsmangel des Körpers (Dehydration) sowie einen Elektrolyt- und Eiweißverlust verursachen. Wenn im Verlauf der Shigellose Geschwüre im Dickdarm entstehen, kann sich der Darm im Extremfall aufweiten und durchbrechen.

In Deutschland verläuft die bakterielle Ruhr überwiegend milde. Die Krankheit kann vor allem dann schwer – auch lebensbedrohlich – verlaufen, wenn das Immunsystem geschwächt und die Behandlung unzureichend ist.

Um die bakterielle Ruhr zu diagnostizieren , sind die bestehenden Symptome und eine Stuhluntersuchung ausreichend. Zur Behandlung der Shigellose sind Antibiotika in jedem Fall empfehlenswert: Sie verkürzen die Dauer der Erkrankung, senken die Erregerausscheidung (und damit die Ansteckungsgefahr) und beugen Komplikationen vor. Daneben ist es besonders bei älteren Menschen und Kleinkindern wichtig, den mit der Darmerkrankung einhergehenden Flüssigkeits- und Elektrolytverlust auszugleichen.

Was ist das?

Die bakterielle Ruhr (auch Shigellose, Bakterienruhr oder Shigellenruhr genannt) ist eine Darminfektion, die vor allem starke Durchfälle hervorruft. Verantwortlich für die Darmerkrankung sind weltweit verbreitete Bakterien der Gattung Shigella (sog. Shigellen).

Der Durchfall bei der Shigellose ist anfangs wässrig, kann aber in blutigen oder schleimig-eitrigen Durchfall übergehen: Dies ist allgemein kennzeichnend für eine als Ruhr bezeichnete Infektionskrankheit des Darms. Da schlechte sanitäre Verhältnisse und warmes Klima die Ausbreitung der ursächlichen Shigellen begünstigen, kommt die bakterielle Ruhr besonders häufig in Entwicklungsländern vor.

Nach dem Infektionsschutzgesetz ist die bakterielle Ruhr eine meldepflichtige Krankheit. Diese Meldepflicht bezieht sowohl Verdachts- und Erkrankungsfälle als auch Ausscheider und Todesfälle ein.

Häufigkeit

In Deutschland zeigt die bakterielle Ruhr (Shigellose) seit einigen Jahren in ihrer Häufigkeit nur geringe Schwankungen: Von 2007 bis 2011 entwickelten jeweils 0,8 von 100.000 Einwohnern in Deutschland eine bakterielle Ruhr. Im Jahr 2012 waren es mit 0,6 pro 100.000 Einwohner etwas weniger, im Jahr 2013 stieg die Häufigkeit der Shigellose wieder leicht auf 0,7 Fälle pro 100.000 Einwohner an. Im Jahr 2014 wurden 552 Fälle von Shigellose gemeldet. Die Altersgruppe der 25- bis 39-Jährigen war am häufigsten mit Shigellen infiziert.

Dabei ist die bakterielle Ruhr in Deutschland überwiegend auf eine Ansteckung im Ausland zurückzuführen: Viele Betroffene stecken sich bei Reisen (z.B. in Indien, Ägypten, Marokko, Tunesien, Türkei, Dominikanische Republik) an und importieren die Shigellose bei ihrer Rückkehr nach Deutschland. Von den hier gemeldeten Fällen entstehen bis zu 46 Prozent in Deutschland selbst. Doch auch dann ist nicht immer auszuschließen, dass erst kürzlich eingeschleppte Shigellen hinter der Infektion stecken.

Ursachen

Erreger

Worin die bakterielle Ruhr (Shigellose) ihre Ursachen hat, verraten schon die Namen dieser Durchfallerkrankung: Ihre Erreger sind Bakterien der Gattung Shigella. Shigellen sind weltweit verbreitet und kommen hauptsächlich beim Menschen vor. Die Erreger sind eng verwandt mit dem Bakterium Escherichia coli; sie sind unbeweglich und sehr empfindlich gegen Austrocknung. Man unterteilt die Shigellen in vier Gruppen:

  1. Gruppe A (Shigella dysenteriae)
  2. Gruppe B (Shigella flexneri)
  3. Gruppe C (Shigella boydii)
  4. Gruppe D (Shigella sonnei)

Alle Shigellen besitzen einen giftig wirkenden Bestandteil in ihrer Zellmembran, der bei Zerfall der Bakterien frei wird (sog. Endotoxin). Dieses Endotoxin ist mitverantwortlich für die entzündliche Reizung der Darmschleimhaut bei der Shigellose. Nur ein Erreger-Typ der Gruppe A sondert zusätzlich einen Giftstoff (sog. das Exotoxin Shiga-Toxin 1) ab. Wenn dieser Erreger für die bakterielle Ruhr verantwortlich ist, kann ein schweres toxisches Krankheitsbild entstehen.

In Deutschland hat die bakterielle Ruhr ihre Ursachen jedoch meist in einer Infektion mit Shigella sonnei oder Shigella flexneri. Die anderen beiden Erreger spielen in Deutschland als Auslöser der Shigellose gegenwärtig nur eine untergeordnete Rolle. Daher verläuft die Shigellenruhr hierzulande überwiegend leichter, kann aber dennoch plötzlich und heftig beginnen und sehr ansteckend sein.

Übertragung

Zur Ansteckung mit der bakteriellen Ruhr kommt es über Schmierinfektionen – das heißt, die ursächlichen Bakterien (die sog. Shigellen) werden fäkal-oral übertragen.

Infektionsquelle für die bakterielle Ruhr ist der Stuhl (Fäzes) akut erkrankter Menschen oder auch symptomloser Menschen, bei denen sich Shigellen im Stuhl befinden (sog. Ausscheider). Die Krankheitserreger gelangen dabei über den Mund (oral) in den Körper. Demnach spielt mangelnde Hygiene bei der Verbreitung der Shigellose eine große Rolle.

Meist ist ein direkter Kontakt von Mensch zu Mensch verantwortlich für die bakterielle Ruhr. Als mögliche Ursache für die Übertragung der Shigellose gelten dabei auch sexuelle Kontakte. In wärmeren Ländern stecken sich viele Menschen darüber hinaus auch über infizierte Gegenstände und verunreinigte Lebensmittel (auch durch Fliegen) sowie über verseuchtes Trinkwasser an; hier kommen außerdem kontaminierte Badegewässer als Infektionsursache infrage.

Die bakterielle Ruhr überträgt sich sehr schnell. Ursache hierfür ist, dass Shigellen hochansteckend sind und schon in einer vergleichsweise geringen über den Mund aufgenommenen Dosis krank machen können: Bereits 10 bis 100 Keime genügen, um die bakterielle Ruhr auszulösen.

Wer die Krankheit hat, scheidet die Shigellen meist noch ein bis vier Wochen nach der akuten Krankheitsphase (sehr selten länger) aus. Während dieser Zeit ist man ansteckend, wobei das Ansteckungsrisiko in der akuten, durch Durchfall gekennzeichneten Phase der Shigellose am größten ist.

 

 

 

Inkubationszeit

Die bakterielle Ruhr hat meistens eine Inkubationszeit (= Zeit zwischen der Ansteckung und dem Ausbruch der Shigellose) von 1 bis 3 Tagen. Es kann aber auch nur 12 Stunden oder bis zu 4 Tage dauern, bis die ursächlichen Shigellen erste Anzeichen der Darminfektion hervorrufen.

typische Symptome

Die bakterielle Ruhr (Shigellose) ruft typischerweise plötzliche und heftige Symptome hervor. Während der ersten zwei Krankheitstage entsteht meist ein wässriger Durchfall. Wie sich die Darmerkrankung weiterentwickelt, hängt unter anderem vom Erreger ab: Die verschiedenen Shigellen können leichte bis schwere Erkrankungen mit mehr oder weniger stark ausgeprägten Anzeichen auslösen.

In Deutschland sind fast immer Shigella sonnei und Shigella flexneri für die bakterielle Ruhr verantwortlich und lösen meist leichtere Symptome aus. Die Krankheitszeichen verschwinden nach etwa einer Woche. Die Betroffenen können aber trotzdem sehr ansteckend sein.

In schwereren Fällen kann eine Infektion mit Shigellen jedoch Symptome auslösen, von denen die Bezeichnung der Darminfektion als bakterielle Ruhr (bzw. Bakterienruhr oder Shigellenruhr) herrührt: Der bei der Shigellose anfangs wässrige Durchfall kann in blutigen oder schleimig-eitrigen Durchfall übergehen, was eine Ruhr ausmacht.

Daneben kann eine schwerer verlaufende bakterielle Ruhr folgende Symptome hervorrufen:

In der Regel bleibt auch eine schwere bakterielle Ruhr auf den Dickdarm beschränkt. Nur vereinzelt treten komplizierte Symptome außerhalb des Darms auf. In dem Fall kann die Shigellose folgende Komplikationen hervorrufen:

Diagnose

Bei Verdacht auf eine bakterielle Ruhr (Shigellose) ist zur Diagnose eine Stuhlprobe nötig. Der Verdacht auf eine Darminfektion mit Bakterien der Gattung Shigella (sog. Shigellen) ergibt sich oft anhand der typischen Beschwerden wie plötzlich und heftig auftretende wässrige Durchfälle, Fieber und Bauchkrämpfe.

Wenn der Arzt den Stuhl unter dem Mikroskop untersucht und wirklich eine bakterielle Ruhr vorliegt, findet sich im Stuhl eine vermehrte Anzahl weißer Blutkörperchen (Leukozyten). Um die Shigellose sicher zu diagnostizieren, kann der Arzt in der Stuhlprobe die ursächlichen Shigellen im Labor nachweisen lassen. Da die Erreger sehr empfindlich sind, ist es wichtig, hierzu eine frische Probe in einem speziellen Transportbehälter sofort zum Labor zu transportieren.

Dort kann der Arzt dort auch direkt prüfen lassen, ob die nachgewiesenen Shigellen widerstandsfähig (resistent) gegen bestimmte Antibiotika sind: Dies ist wichtig, um im Anschluss festlegen zu können, wie die bakterielle Ruhr am wirksamsten zu behandeln ist.

Therapie

Gegen die bakterielle Ruhr (Shigellose) sind zur Therapie in jedem Fall Antibiotika ratsam, denn:

Auch wenn die bakterielle Ruhr nur leicht verläuft, können Antibiotika

  • die Dauer der Darminfektion verkürzen,
  • die Erregerausscheidung – und damit die Ansteckungsgefahr – senken und
  • Komplikationen vermeiden.

Gegen die bakterielle Ruhr stehen zur Therapie verschiedene Wirkstoffe aus der Gruppe der Antibiotika zur Verfügung:

Dabei ist Ampicillin vor allem geeignet, um Menschen über einen längeren Zeitraum zu behandeln, in deren Stuhl sich Shigellose-Erreger (sog. Shigellen) finden, ohne dass sie Symptome einer Erkrankung zeigen (sog. Ausscheider).

Um sicherzustellen, dass die Antibiotika auch gegen die bakterielle Ruhr wirken, kann der Arzt vor Therapie-Beginn austesten lassen, ob die im Stuhl nachgewiesenen Shigellen eine Resistenz gegen bestimmte Mittel entwickelt haben (und somit unempfindlich gegen diese Medikamente sind).

Aufgrund der Durchfälle kann die bakterielle Ruhr mit einem starken Flüssigkeits- und Elektrolytverlust einhergehen. Zur Therapie der Shigellose gehört es daher auch, diese Verluste auszugleichen. Wenn Sie sich in einem guten Allgemeinzustand befinden, kann es ausreichen, hierzu einen entsprechenden Flüssigkeitsersatz zu sich zu nehmen. Können Sie jedoch selbst nicht genug trinken, erhalten Sie die Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr per Infusion.

Solche Infusionen sind auch erforderlich, wenn eine bakterielle Ruhr bei kleinen Kindern, bei alten Menschen und bei Menschen mit bestehender chronischer Grunderkrankung auftritt. Mittel, welche die Darmbewegung (Peristaltik) hemmen (sog. Motilitätshemmer) sind zur Behandlung des Durchfalls bei Shigellose nicht empfehlenswert.

Verlauf

Rechtzeitig behandelt zeigt die bakterielle Ruhr (Shigellose) einen guten Verlauf: Die Darminfektion dauert dann etwa eine Woche und heilt vollständig aus. Ist die Infektion mit den krankheitsauslösenden Bakterien (den Shigellen) überstanden, besteht außerdem eine gewisse, zeitlich begrenzte Immunität gegenüber einer Neuinfektion.

Die bakterielle Ruhr kann auch einen symptomlosen Verlauf nehmen. Menschen, welche die Shigellen über den Stuhl übertragen, ohne selber Shigellose-Symptome zu zeigen, nennt man Ausscheider. Dabei kann es sein, dass die Erreger entweder nach vier Wochen von alleine wieder verschwinden oder sich dauerhaft im Dickdarm ansiedeln und über den Stuhl ausgeschieden werden. Menschen, bei denen dies der Fall ist, bezeichnet man als Langzeitausscheider.

Komplikationen

Die bakterielle Ruhr führt im weiteren Verlauf eher selten zu Komplikationen. Bei fehlender oder unzureichender Behandlung kann die Shigellose jedoch schwere bis lebensbedrohliche Komplikationen hervorrufen – besonders bei Kleinkindern, alten Menschen und Immungeschwächten.

Die häufigste Komplikation der Shigellose ist ein Flüssigkeits- und Elektrolytverlust durch den Durchfall. Dies kann unbehandelt im Kreislaufversagen enden. Außerdem kann die bakterielle Ruhr über die Entzündung in der Dickdarmschleimhaut dazu führen, dass dort Geschwüre entstehen. Im Extremfall kann es passieren, dass sich der Darm durch die Geschwürbildung aufweitet und die Darmwand einreißt, was zu lebensbedrohlichen Komplikationen der Shigellenruhr führt.

Meistens bleibt die bakterielle Ruhr in ihrem Verlauf auf den Dickdarm beschränkt. In seltenen Fällen können jedoch Komplikationen außerhalb des Darms auftreten: Durch die geschwürige Schädigung der Schleimhautbarriere im Darm können sich zusätzlich andere Bakterien im Körper verteilen. Wer eine entsprechende erblich bedingte Anfälligkeit (in Form des Erbmerkmals namens HLA-B27) und eine chronische Infektion hat, kann in dem Fall das Reiter-Syndrom entwickeln, das durch einseitige Entzündungen der großen Gelenke, Bindehautentzündungen und Harnröhrenentzündungen gekennzeichnet ist.

Weitere mögliche Komplikationen der bakteriellen Ruhr außerhalb des Darms sind ein hämolytisch-urämisches Syndrom (HUS), bei dem die Nieren versagen und sich die roten Blutkörperchen zersetzen, sowie arthritische Gelenkveränderungen als Reaktion auf die Infektion (sog. Infektarthritiden).

Vorbeugen

Gegen die bakterielle Ruhr (Shigellose) hilft vor allem Hygiene: Möchten Sie einer Ansteckung vorbeugen, besteht die wichtigste Maßnahme darin, sich regelmäßig die Hände zu waschen. Der Grund: Die für die Darmerkrankung verantwortlichen Bakterien (die Shigellen) übertragen sich vor allem durch direkten Kontakt von Mensch zu Mensch. Darüber hinaus ist es ratsam,

  • auch beim Umgang mit Nahrungsmitteln und Trinkwasser auf Hygiene zu achten sowie
  • Fliegenbefall zu vermeiden.

Die bakterielle Ruhr ist sehr ansteckend. Besonders in wärmeren Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen besiedeln die Shigellen schnell Gegenstände, Lebensmittel, Trinkwasser und Badegewässer, sodass sich die bakterielle Ruhr leicht ausbreitet. Zum Vorbeugen der Shigellose ist es dort also besonders ratsam, dass Sie Wasser und Nahrungsmittel vor dem Verzehr abkochen und auf alle nicht erhitzten, gekochten oder geschälten Lebensmittel (z.B. Salat) ganz verzichten.