Ein kleines Mädchen auf dem Schoß der Mutter bei einer Ärztin.
© Jupiterimages/Wavebreak Media

Vergrößerte Rachenmandeln

Von: Wiebke Posmyk (Medizinjournalistin, Diplom-Pädagogin, M.A. Media Education)
Letzte Aktualisierung: 17.09.2021

Vergrößerte Rachenmandeln bezeichnet der Volksmund auch – nicht ganz korrekt – als Polypen oder "Wucherungen". Sie treten insbesondere bei Kindern auf. Eine vergrößerte Rachenmandel kann zu verschiedenen Beschwerden führen, so etwa zu häufigen Infekten oder einer Schallleitungsschwerhörigkeit. In diesem Fall kann der Arzt die Mandel in einem kleinen operativen Eingriff entfernen.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Nicht immer behandlungsbedürftig

Wer von einer Mandelentzündung oder einer Mandeloperation spricht, bezieht sich dabei in der Regel auf die beiden Gaumenmandeln, die bei geöffnetem Mund rechts und links sichtbar werden. Doch der Mensch besitzt mehr als nur diese beiden Mandeln: Insgesamt befinden sich im Mund-Rachenraum vier unterschiedliche Arten von Mandeln. Eine davon ist die Rachenmandel am oberen Gaumen, welche sich ebenfalls entzünden kann.

Insbesondere zwischen dem dritten und siebten Lebensjahr sind Gaumen- und Rachenmandeln oft vergrößert. Kinder in diesem Alter leiden oft unter Infekten im Bereich von Rachen und Nase, was zu chronischen Entzündungen und somit auch einer vergrößerten Rachenmandel führen kann.

Krankheitswert haben vergrößerte Rachenmandeln erst dann, wenn sie zu Beschwerden führen.

Wenn Rachenmandeln größer sind als normal, muss das nicht unbedingt ein Problem darstellen. Es kann aber auch notwendig sein, die Rachenmandel in einer Operation zu entfernen. Dies ist in der Regel nur bei Kindern der Fall – denn in der Pubertät bildet sich die Rachenmandel zurück. Bei Erwachsenen ist normalerweise keine Rachenmandel mehr sichtbar.

Rachenmandeln sind keine Polypen

Für vergrößerte Rachenmandeln verwenden Mediziner meist die Begriffe "Adenoide Vegetationen","Adenoitis" (adenoid = drüsenähnlich) oder "Rachenmandelhyperplasie". Bei einer Hyperplasie ist ein Gewebe oder Organ vergrößert.

Häufig ist umgangssprachlich auch von Polypen die Rede, wenn vergrößerte Rachenmandeln gemeint sind. Diese Bezeichnung ist jedoch irreführend: Mediziner verstehen unter Polypen Wucherungen der Schleimhaut, etwa im Darm (Darmpolypen) oder in der Nase (Nasenpolypen).

Die Mandeln: Teil der Immunabwehr

Im Rachen und Gaumen des Menschen befinden sich mehrere Ansammlungen aus lymphatischem Gewebe: die Mandeln (Tonsillen). Lymphatisches Gewebe ist reich an weißen Blutkörperchen, den Leukozyten, welche Krankheitserreger identifizieren und abwehren können.

Daher spielen die Mandeln bei der Immunabwehr eine große Rolle: Sie reagieren auf Krankheitserreger, die durch den Mund oder die Nase in den Körper gelangen. Die Mandeln sind ringförmig im Mund- und Nasenraum verteilt – Mediziner sprechen auch vom sogenannten lymphatischen Rachenring oder waldeyerschen Rachenring.

Der Mensch besitzt:

  • zwei Gaumenmandeln (Tonsillae palatinae),
  • eine Zungenmandel (Tonsilla lingualis),
  • eine Rachenmandel (Tonsilla pharyngealis) und
  • zwei Tubenmandeln (Tonsillae tubariae).

Weitere Abwehrzellen liegen in den sogenannten Seitensträngen rechts und links an der Hinterwand des Rachens.

Die beiden Gaumenmandeln sind mit bloßem Auge leicht sichtbar: Bei geöffnetem Mund erkennt man sie rechts und links in einer Schleimhautfalte der Gaumenbögen.

Die Zungenmandel liegt am Grund der Zunge, weshalb man sie manchmal auch Zungengrundmandel nennt.

Die Rachenmandel befindet sich am Dach des Rachens. Der Arzt kann sie im Rahmen einer Nasenspiegelung erkennen.

Die Tubenmandeln befinden sich etwa dort, wo die Ohrtuben in den Rachen münden.

Mögliche Symptome

Vergrößerte Rachenmandeln – sogenannte Rachenmandelhyperplasien oder adenoide Vegetationen – kommen bei kleinen Kindern häufig vor. Oft machen sie sich gar nicht bemerkbar.

Eine chronisch vergrößerte Rachenmandel kann aber auch zu verschiedenen Beschwerden führen – von der behinderten Nasenatmung bis zur Verzögerung der Sprachentwicklung.

Behinderung der Nasenatmung

Bei vielen Kinder mit vergrößerten Rachenmandeln ist der Schlaf gestört; sie leiden unter einem sogenannten obstruktiven Schlafapnoesyndrom (lat. obstruere = verschließen). Im Schlaf erschlaffen natürlicherweise die Muskeln im Gaumen. Ist die Rachenmandel vergrößert, kann sie während des Schlafs die oberen Luftwege behindern. Es entstehen Atempausen, sodass das Gehirn weniger mit Sauerstoff versorgt wird. Tagsüber wirken die Kinder müde und können sich nur schlecht konzentrieren.

Mittelohrentzündung und Schallleitungsschwerhörigkeit

Direkt neben der Rachenmandel mündet die Ohrtrompete, die auch eustachische Röhre oder Tube genannt wird. Die etwa vier Zentimeter lange Ohrtrompete verbindet das Mittelohr mit dem Rachenraum. So wird das Ohr ausreichend belüftet und der Luftdruck im Mittelohr ausgeglichen.

Wenn eine vergrößerte Rachenmandel die Ohrtrompete verdeckt, ist die Belüftung nicht mehr gewährleistet. Im Mittelohr entsteht ein Unterdruck. Dies begünstigt, dass Krankheitserreger, die sich im Nasen-Rachen-Bereich befinden, über die Ohrtrompete in das Mittelohr gelangen. Die Folge: Eine Mittelohrentzündung kann entstehen. Zudem können Sekrete, die im Mittelohr gebildet werden, nicht mehr abfließen und es sammelt sich Flüssigkeit hinter dem Trommelfell. Der Schall wird nur noch unzureichend vom Außenohr über das Mittelohr an das Innenohr weitergeleitet. Es entsteht eine sogenannte Schallleitungsschwerhörigkeit.

Besteht die Schallleitungsschwerhörigkeit über einen längeren Zeitraum hinweg, kann die sprachliche Entwicklung des Kindes verzögert oder gestört sein – insbesondere, wenn die Schwerhörigkeit in den ersten drei bis vier Lebensjahren besteht.

Erhöhte Infektanfälligkeit

Da Kinder mit chronisch vergrößerten Rachenmandeln häufig durch den Mund atmen, leiden sie wiederholt an bronchialen Infekten. Der Grund: Durch die Mundatmung gelangt kalte und trockene Luft in die Atemwege, die dann anfälliger für Krankheitserreger sind.

Facies adenoidea

Kinder mit vergrößerten Rachenmandeln weisen aufgrund der Entzündung häufig ein charakteristisches Aussehen aus – von Ärzten auch Facies adenoidea genannt. Viele Betroffenen haben

  • ein schmales, blasses Gesicht,
  • der Mund steht offen und
  • die Augen liegen zurück.

Vergrößerte Rachenmandel: Mögliche Symptome

Viele Kinder mit einer Rachenmandelhyperplasie

  • können nur schlecht durch die Nase atmen,
  • atmen daher verstärkt durch den Mund,
  • leiden häufig unter Mittelohrentzündung und Schallleitungsschwerhörigkeit,
  • sind sehr anfällig für Infekte der Atemwege und / oder
  • haben ein schmales, blasses Gesicht und zurückliegende Augen.

Zu weiteren möglichen Beschwerden zählen:

Diagnose

Vergrößerte Rachenmandeln, die Beschwerden bereiten, sind ein Fall für den Hals-Nasen-Ohrenarzt. Er achtet auf mögliche Anzeichen wie eine chronische Mundatmung, immer wiederkehrende Infekte und die typischen Gesichtszüge mit zurückliegenden Augen.

Um herauszufinden, ob es sich tatsächlich um eine Rachenmandelhyperplasie handelt, führt der Arzt verschiedene Untersuchungen durch, so etwa:

  • eine Nasenspiegelung: Mithilfe eines abgewinkelten Spiegels, den er über die Nasenhöhle einführt, kann der Arzt den Nasen-Rachen-Bereich inspizieren.
  • eine Ohrenspiegelung: Der Arzt untersucht den Gehörgang und das Trommelfell mit einem Ohrmikroskop (Otoskop).
  • eine Tympanometrie: Da eine vergrößerte Rachenmandel die Belüftung zum Mittelohr behindern kann, wird der HNO-Arzt prüfen, ob diese gewährleistet ist. Dies kann er mithilfe der sogenannten Tympanometrie. Dabei führt er eine kleine Sonde in den äußeren Gehörgang ein, die den Druck im Mittelohr im Vergleich zum Außendruck misst.
  • verschiedene Hörtests

Wann müssen Rachenmandeln raus?

Eine chronisch vergrößerte Rachenmandel sollte entfernt werden, wenn

  • die damit verbundenen Beschwerden dauerhaft anhalten oder immer wiederkehren oder
  • wenn Komplikationen auftreten.

So kann der Arzt die Operation zum Beispiel nahelegen, wenn das Kind immer wieder unter Mittelohrentzündungen leidet oder wenn schwere Atemwegserkrankungen auftreten.

Für die Therapie gilt: Vergrößerte Rachenmandeln bedürfen nur einer Behandlung, wenn sie Beschwerden bereiten.

In der Regel dauert die Entfernung der Rachenmandel etwa 5 bis 10 Minuten. Unter Vollnarkose schält der Operateur die Mandel mit einem Spezialinstrument heraus. Dieses Verfahren nennt man auch Adenotomie. Hat sich aufgrund der vergrößerten Rachenmandel viel Flüssigkeit im Mittelohr angesammelt, sodass die Belüftung gestört ist, macht der Arzt zusätzlich einen kleinen Schnitt ins Trommelfell (sog. Parazentese). So kann die Flüssigkeit abfließen. Zudem setzt er unter Umständen ein kleines Röhrchen aus Metall oder Kunststoff ein, das sogenannte Paukenröhrchen, welches eine bestimmte Zeit im Ohr verbleibt. Das Paukenröhrchen gewährleistet, dass das Ohr wieder ausreichend belüftet ist.

Nach der Operation bilden sich die Beschwerden in den meisten Fällen zurück.

Meist kann der operative Eingriff ambulant erfolgen – es sei denn, es bestehen bestimmte Vorerkrankungen oder Blutgerinnungsstörungen. In diesem Fall ist ein stationärer Aufenthalt erforderlich. Und auch, wenn der Arzt zeitgleich die Gaumenmandeln entfernen will (sog. Adenotonsillektomie), wird das Kind in der Regel stationär aufgenommen.

Manchmal kommt es vor, dass die Rachenmandel nach der Operation wieder nachwächst. In diesem Fall ist unter Umständen ein erneuter chirurgischer Eingriff notwendig.

Mögliche Komplikationen oder Begleiterscheinungen nach der Operation:

  • Schmerzen beim Schlucken für etwa zwei bis drei Tage
  • vorübergehendes Näseln
  • vorübergehende behinderte Nasenatmung
  • Paukenerguss: Ansammlung von Flüssigkeit im Mittelohr (Serotympanon)
  • Nachblutungen
  • Lockerung der Zähne durch die Operation

Nach der Operation sollte sich das Kind einige Tage körperlich schonen.