Das Bild zeigt ein Baby.
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Stammzellen aus Nabelschnurblut

Von: Onmeda-Redaktion
Letzte Aktualisierung: 29.09.2021

Stammzellen können Leben retten – und selbst Neugeborene kommen als Spender infrage: Stammzellen können nach der Geburt ohne großen Aufwand aus dem Nabelschnurblut entnommen werden. Darüber hinaus kann eine Nabelschnurblutspende auch in der Stammzellenforschung Verwendung finden und so dabei helfen, neue Möglichkeiten der Stammzellentherapie zu entwickeln.

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Allgemeines

Ursprünglich hat man Stammzellen vor allem im Krankenhaus aus Knochenmark der Spender gewonnen. Mittlerweile finden die meisten Stammzellenspenden ambulant und ohne Narkose mithilfe der sogenannten Apherese statt: Dabei filtert man die Stammzellen aus dem Blut heraus. Daneben arbeiten Ärzte auch mit Stammzellen aus Nabelschnurblut: Da man das Blut aus der Nabelschnur erst nach der Abnabelung entnimmt, ist dies die einzige Art der Stammzellenspende, bei der die Spender nicht einmal einen Pikser über sich ergehen lassen müssen.

Aber was sind Stammzellen überhaupt? Alle Stammzellen – egal ob sie aus Nabelschnurblut oder anderen Quellen stammen – sind eine Art Ausgangsform von Körperzellen: Sie erfüllen noch keine bestimmte Aufgabe, können sich aber durch Zellteilung in spezialisierte Zellen wie beispielsweise Haut- oder Nervenzellen entwickeln (d.h. sich differenzieren). Somit spielen Stammzellen im menschlichen Körper eine Rolle bei der Reparatur beschädigter Gewebe. Man unterscheidet verschiedene Typen von Stammzellen:

  • Embryonale Stammzellen finden sich nur in befruchteten Eizellen beziehungsweise Embryonen. Hier wiedreum unterscheidet man zwischen totipotenten und pluripotenten Stammzellen. Totipotente Stammzellen tragen jede Entwicklungsmöglichkeit in sich, d.h. sie können sich sowohl zu jeder Zelle des Organismus entwickeln, aber auch zu Plazentazellen (sog. extraembryonale Zellen).
  • Pluripotente Stammzellen unterscheiden sich von den totipotenten Stammzellen dahingehend, dass sie zwar zu jeder Körperzelle ausreifen können, nicht jedoch zu extraembryonalen Zellen.
  • Adulte Stammzellen sind in Gewebe ausgereifter Organe, im Knochenmark oder (in geringer Menge) auch im Blut enthalten. Sie werden als multipotent bezeichnet, d.h. sie tragen verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten in sich, aber nicht mehr alle.

Stammzellen aus Nabelschnurblut gehören also zu den adulten Stammzellen. Anders als andere adulte Stammzellen, deren Anzahl und Vitalität sich mit zunehmendem Alter verringert, sind die aus Nabelschnurblut gewonnenen Stammzellen sehr jung und vital – sie können sich noch deutlich häufiger teilen.

Neben Stammzellen, aus denen sich zum Beispiel Knorpel, Muskeln oder Gefäße entwickeln können, enthält das Nabelschnurblut vor allem sogenannte hämatopoetische Stammzellen (bzw. Blutstammzellen), die als multipotente Stammzellen in der Lage sind, sich durch Teilung in verschiedene spezialisierte Zellen zu entwickeln – zum Beispiel in rote und weiße Blutkörperchen oder Blutplättchen. Auch eine Differenzierung in Muskel-, Knochen- oder Leberzellen kann möglich sein – allerdings findet diese Fähigkeit bislang beim Menschen keine therapeutische Verwendung.

Stammzellen aus Nabelschnurblut kommen vor allem zur Therapie von Leukämie (Blutkrebs) und Erkrankungen des Lymphsystems zum Einsatz. Die Menge der Stammzellen, die das Restblut der Nabelschnur enthält, reicht in der Regel für die Behandlung eines Kindes aus. Um Erwachsene mit Stammzellen aus Nabelschnurblut zu behandeln, ist es aber möglich, mehrere Nabelschnurblutspenden zu kombinieren (sog. Tandem-Transplantation).

Die Stammzellenforschung arbeitet daran, den Einsatz von Stammzellen aus Nabelschnurblut zu erweitern: Es besteht die Hoffnung, in Zukunft zum Beispiel auch Diabetes mellitus oder Autoimmunerkrankungen (wie multiple Sklerose) sowie chronische Herzerkrankungen, Parkinson, Rückenmarksverletzungen und Alzheimer mit Stammzellen behandeln zu können. Dies basiert auf der Annahme, dass Stammzellen in der Lage sind, zerstörtes Gewebe künstlich nachwachsen zu lassen: Verletzte oder zerstörte Organe könnte man auf diese Weise theoretisch ersetzen.

Nabelschnurblut spenden

Stammzellen aus Nabelschnurblut zu spenden ist einfach: Wenn Sie sich zur Stammzellenspende entschlossen haben, können Sie das Nabelschnurblut kurz nach der Geburt entnehmen lassen. Da dies erst nach der Abnabelung geschieht, ist diese Form der Stammzellenspende für das Baby ebenso wie für die Mutter vollkommen schmerzfrei und ohne jegliches Risiko. Allerdings ist es wichtig, sich vor der Geburt zu informieren, ob im vorgesehenen Krankenhaus eine Stammzellenspende aus Nabelschnurblut möglich ist.

Dank der Stammzellenspende stehen die Stammzellen später zur Behandlung von Leukämien (Blutkrebs) oder anderen Erkrankungen des blutbildenden Systems zur Verfügung. Dabei können Sie selbst entscheiden, wem Sie die Stammzellen aus dem Nabelschnurblut spenden möchten.

So kann Ihre Stammzelenspende der Allgemeinheit dienen. In dem Fall können Sie die Stammzellen Ihres Kindes aus dem Nabelschnurblut einlagern lassen, ohne dass Kosten für Sie entstehen: Nabelschnurblut als allgemeine Spende lagern öffentliche Nabelschnurbanken in Dresden, Düsseldorf, Freiburg, Mannheim oder München kostenlos ein. Die Stammzellen stehen dann zur Behandlung von Menschen zur Verfügung, die eine Stammzelltherapie benötigen.

Sie können die Stammzellen aus dem Nabelschnurblut auch gerichtet spenden, indem Sie verfügen, dass die Stammzellen beispielsweise zur Therapie eines Geschwisterkindes oder anderer Verwandten ersten Grads bestimmt ist. Voraussetzung für diese gerichtete Stammzellenspende ist, dass der vorgesehene Empfänger bereits zum Zeitpunkt der Spende eine Erkrankung des blutbildenden Systems hat. Alternativ können Sie die Stammzellen aus dem Nabelschnurblut auch spenden, damit sie später Ihrem eigenen Kind (von dem die Stammzellen stammen) zur Verfügung stehen. Um diese sogenannte Eigenspende einlagern zu lassen, ist es nötig, schon einige Zeit vor der Geburt Ihres Kindes einen Vertrag mit einer entsprechenden privaten Nabelschnurbank zu schließen. Für eine 20-jährige Einlagerung von Stammzellen aus Nabelschnurblut fallen Kosten von etwa 2.000 Euro an.

Bei einer solchen Stammzellenspende erhalten Sie von der Nabelschnurbank ein Entnahmeset, das Sie zur Geburt mit ins Krankenhaus nehmen. Dieses Set kommt dann zum Einsatz, um Blut aus der Nabelschnur zu entnehmen und innerhalb von 24 Stunden zur Nabelschnurbank zu bringen. Dort wird das Nabelschnurblut dann aufbereitet und bei minus 196 Grad Celsius eingelagert.

Nutzen

Stammzellen aus Nabelschnurblut sind von großem Nutzen: Eine Nabelschnurblutspende kann zum Beispiel lebensrettend für Menschen mit Leukämie (Blutkrebs) sein, speziell für Kinder. Dabei hängt der Erfolg einer Stammzelltransplantation ganz entscheidend davon ab, dass die Gewebemerkmale von Spender und Patient so gut wie möglich übereinstimmen.

Aus diesem Grund ist es wichtig, dass sich möglichst viele Menschen zu einer Stammzellenspende entschließen – egal, ob die Stammzellen aus Nabelschnurblut, aus "normalem" Blut oder aus dem Knochenmark stammen. Denn bei jedem fünften Menschen, der eine Stammzelltherapie benötigt, ist keine Stammzelltransplantation möglich – weil kein passender Spender in der Datenbank vorhanden ist. In dem Zusammenhang haben Stammzellen aus Nabelschnurblut einen großen Vorteil: Dank ihrer speziellen Eigenschaften kann man sie auch transplantieren, wenn die Gewebeübereinstimmung weniger als 100 Prozent beträgt, weil die Abstoßungsgefahr nicht so hoch ist. Außerdem enthält das Blut der Nabelschnur keine Tumorzellen oder Viren, sodass das Infektionsrisiko geringer ist als bei Stammzellen aus anderen Quellen.

Ob eine private Einlagerung von Stammzellen aus Nabelschnurblut von Nutzen ist, ist hingegen immer noch umstritten. Viele Eltern glauben, dass sie ihrem Kind eine gesundheitliche Absicherung verschaffen, wenn sie dessen Stammzellen aus dem Nabelschnurblut einlagern lassen. Sie gehen zum Beispiel davon aus, dass das Nabelschnurblut etwa im Falle einer Leukämie beim eigenen Kind Verwendung finden und das Kind so heilen kann. Bekommt das Kind Leukämie, erhält es zur Behandlung jedoch normalerweise eine fremde Nabelschnurblutspende, denn: Das eigene Nabelschnurblut könnte in einem solchen Fall erkrankte Stammzellen enthalten.