Warzen besprechen in der Uniklinik

Von: Onmeda-Redaktion, Till von Bracht (Medizinredakteur, M.A. Sportwissenschaften)
Letzte Aktualisierung: 23.12.2021

Schulmediziner behandeln mit Sprüchen ähnlich wie "Wunderheiler". Warzen besprechen hat laut Studien sogar eine größere Erfolgschance als medizinische Methoden. Warum?

Dieser Text entspricht den Vorgaben der ärztlichen Fachliteratur, medizinischen Leitlinien sowie aktuellen Studien und wurde von Mediziner*innen geprüft.

Warzen besprechen in der Uniklinik

Warzen sind kein Hexenwerk. Verursacht werden sie durch Viren, in den meisten Fällen durch Mitglieder der großen Familie der Humanen Papillomaviren (HPV). "Übertragen werden sie von Mensch zu Mensch, allerdings können sie auch mal zwei oder drei Tage auf dem Fußboden oder auf einer Türklinke überdauern", sagt Eggert Stockfleth, Professor für Dermatologie und Direktor der Hautklinik am St. Josef-Hospital in Bochum.

Durch winzige Verletzungen oder Risse dringen die Viren in die obersten Hautschichten ein. "Dort regen sie das Zellwachstum an – denn sie benötigen ein dabei entstehendes Enzym, um sich zu vermehren", beschreibt Stockfleth den Verlauf der Virusinfektion. Die Hautwucherungen lassen manche Menschen verzweifeln. Denn Warzen halten sich oft hartnäckig. Da es bislang weder zuverlässige Therapien noch Medikamente gegen die meist durch HPV hervorgerufene Hautwucherung gibt, gehen selbst Schulmediziner alternative Wege.

Auch manche Schulmediziner behandeln Patienten mit Ritualen und Sprüchen ähnlich wie "Wunderheiler". Und die Mediziner haben in bis zu 80 Prozent der Fälle Erfolg mit dieser Methode.

Warzen besprechen plus Kochsalzlösung

"Warze alt. Warze kalt. Warze ab." Mit dieser laut gesprochenen Formel behandelt der Leiter der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie an der Justus-Liebig-Universität Gießen seine Patienten mit vulgären Warzen an Händen und Füßen. Zusätzlich gibt Professor Uwe Gieler dann noch 6-prozentige Kochsalzlösung auf die vulgären Warzen an Händen und Füßen, die nach dem Verdampfen Salzkristalle hinterlässt.

Effekthascherei, die wirkt. Natürlich hat Gieler auch immer wieder Patienten, die Warzen besprechen für Scharlatanerie halten. Dabei haben er und Kollegen anderer Kliniken die Wirkung dieser Suggestion mit Studien wissenschaftlich nachgewiesen.

Heilung mit Placebo-Methoden

Eine Studie hat Gieler selbst an der Universitäts-Hautklinik in Marburg initiiert. Dort wurde bei zehn Kindern eine Behandlung mittels Röntgenstrahlen simuliert. "Wir haben die Kinder unters Röntgengerät gesetzt, ihnen Bleischürzen angelegt und dann aber nur die lautstarke Kühlung der Maschine angeschaltet. Die Kinder hatten den Eindruck, dass etwas Bedeutendes passiert", erinnert sich Gieler. Bei 90 Prozent der kleinen Patienten verschwanden die Warzen.

Auch andere Studien mit ähnlichen Placebo-Methoden wie Hypnose an der Tulane Medical School of New Orleans ergaben bei 41 Patienten eine Heilungsrate von 70 bis 80 Prozent. "Das soll eine herkömmliche Therapie erst mal nachmachen", sagt Gieler.

Warzen besprechen für Eltern

Zumal die Behandlung von vulgären Warzen mit Lasern, Vereisern, Brennern und Skalpell mit Schmerzen und meist auch mit Narben einhergeht, was er vor allem Kindern nicht zumuten mag.

Deshalb praktizieren offenbar auch immer mehr von Gielers Kollegen die Suggestions-Methode. 50 Prozent, so schätzt er. Suggestion sei nichts anderes als das, was diejenigen, die Warzen besprechen, praktizieren und eine alt bewährte Methode in der Psychotherapie, so Gieler, der Dermatologe und Psychologe ist.

So könnten Eltern die Methode auch gut selbst bei ihren Kindern anwenden. Ihnen empfiehlt Gieler die Rituale aus der Volksmedizin mit Bindfäden und Löwenzahn um Mitternacht.

Warzen besprechen: ein Erklärungsversuch

Für Gieler lässt sich der Effekt des Besprechens auch naturwissenschaftlich erklären. Demnach aktivieren Suggestion und Erwartung des Patienten jene Bereiche des Gehirns, die unabhängig vom Bewusstsein arbeiten und über Botenstoffe das Immunsystem beeinflussen können. Die körpereigene Abwehr werde aktiviert, auch die Warzenviren zu bekämpfen.

"Allerdings", so Gieler, "haben Warzen auch eine hohe Spontanheilungsrate von bis zu 70 Prozent innerhalb von drei Monaten." 80 Prozent aller Warzen kommen im Kindesalter vor, wenn das Immunsystem noch schwach ist. In feuchten Bereichen, wo Menschen barfuß laufen wie Bädern, Saunen, Turnhallen und Umkleideräumen, ist die Ansteckungsgefahr mit den Viren am größten. Sie dringen durch Mikrorisse in die Haut ein.

Warum einige Menschen weit mehr betroffen sind als andere, ist bisher nicht geklärt. Aber auch wenn sie sich am Ende fürs Besprechen statt Operieren entscheiden, raten Gieler und Warzenbesprecher wie der Kisdorfer Egon Maack zum Arztbesuch. Denn "nicht alles, was nach Warze aussieht, ist auch eine", sagen beide. Hinter ähnlich aussehenden Hautveränderungen könnten sich ebenso Allergien oder gar Hauttumore verbergen, die nur ein Facharzt diagnostizieren und behandeln sollte.

Wie Warzen besprechen geholfen hat

So schildert der Gymnasiallehrer Gerald M., wie er drei Jahre lang vergeblich versuchte, seine Warze an der Fußsohle loszuwerden. Doch selbst schmerzhafte Therapien beim Hautarzt hätten keine Besserung gebracht. "Barfuß über eine Wiese zu laufen, war da kaum noch möglich", erinnert sich Gerald M.. Nach dreimaligem Besprechen sei die Warze "wie durch ein Wunder" in nur zwei Wochen komplett verschwunden.

Geschämt habe sie sich in der Schule und unter Freunden für ihre Warzen an den Händen, erzählt Christine W.. Mit den Mitteln aus der Apotheke habe ihr die Mutter auch nicht helfen können. Nach dem Gang zu einem alten Besprecher seien alle Warzen nach nur knapp zwei Wochen weg gewesen.

Wie sie jahrelang mit ihrer Tochter Sabine litt, berichtete Andrea B. Die 20-Jährige war an den Fußsohlen von unzähligen Warzen befallen. So etwas wie "Wunderheiler" hielt die Studentin bis dahin für "Hokuspokus". Doch als alle Heilungsversuche mit Mitteln aus der Apotheke und von Ärzten fehlgeschlagen seien, ließ sie sich doch zu einem Gang zu einer Besprecherin überreden. "Zum Glück", wie die Mutter erzählt, denn nach drei Wochen seien die Warzen abgeheilt.

Ihr Neffe, so schildert Marita St., sei an den Händen immer wieder von Warzen befallen worden. Die Methoden der Schulmedizin hätten keine Hilfe gebracht, deshalb sei sie auf die Suche nach einem Warzenbesprecher gegangen. Von einem Hautarzt habe Marita St. eine Adresse erhalten. Die Warzen des Neffen seien inzwischen dauerhaft weg.

Warzen besprechen und andere Volksweisheiten

Das Besprechen hat seine Wurzeln in der Volksmedizin des frühen Mittelalters. Als Viren noch unbekannt waren, galten Krankheiten als Folge von Verzauberung oder als Strafe erzürnter Götter. Heilung bei Warzen sollten Rituale zum Vertreiben der bösen Geister bringen:

Eine angeschnittene Zwiebel bei Vollmond über die Warzen streichen und dann eingraben. Löwenzahnsaft um Mitternacht über die Warzen streichen und sich vorstellen, wohin die Warzen wandern werden. Eine Schnecke bei Vollmond um Mitternacht über die Warzen kriechen lassen. Einen lila Bindfaden mit so vielen Knoten versehen, wie man Warzen hat, dann an einen Zweig binden oder eingraben und verrotten lassen. So viele Streichhölzer wie Warzen in eine Streichholzschachtel legen und diese dann über die linke Schulter werfen. Oder, nicht zur Nachahmung empfohlen: Eine schwarze Katze zum Warzenheilen wird in Mark Twains "Tom Sawyer" erwähnt. Dabei soll man das tote Tier bei Vollmond und um Mitternacht vergraben und Folgendes sprechen: Katze hol die Warze, Teufel hol die Katze.

Arznei statt Warzen besprechen

Stiftung Warentest hat aktuell die Wirksamkeit von rezeptfreien Medikamenten zur Behandlung von Warzen untersucht. Die Tester befanden sechs Mittel (Lösungen und Pflaster) als geeignet zum Einsatz gegen Warzen, die ausschließlich auf dem Wirkstoff Salizylsäure zum Teil in Kombination mit Milchsäure basieren: Clabin N, Clabin plus, Duofilm, Verrucid, Warz-ab N (Lösungen) sowie Guttaplast 6x9 cm (Pflaster). Dennoch sei bei keinem Präparat garantiert, dass die Warzen dauerhaft verschwinden.

Neu entwickelte sogenannte Immune-Response-Modifier, die als Creme aufgetragen werden, gehen einen anderen Weg. "Sie reaktivieren das körpereigene Immunsystem an der Stelle, an der die Warze sitzt", erläutert Dermatologe Stockfleth. "Das hat den Vorteil, dass die Behandlung nicht wehtut, keine Narben hinterlässt und es auch seltener zu Rückfällen kommt." Die Salben kommen bisher vor allem bei sehr hartnäckigem Warzenbefall zum Einsatz und müssen vom Arzt verschrieben werden.

Warzen vereisen

Eine Vereisung, so die Tester, "macht nur Sinn, wenn sie vom Arzt vorgenommen wird, der über entsprechende Geräte verfügt". Zur Behandlung sei flüssiger Stickstoff mit einer Temperatur von minus 196 Grad Celsius erforderlich, Geräte zur Heimanwendung erreichten höchstens minus 30 Grad.