Das Bild zeigt eine Zellentnahme aus einem Embryo.
© Jupiterimages/iStockphoto

Präimplantationsdiagnostik (PID)

Von: Onmeda-Redaktion
Letzte Aktualisierung: 11.03.2021

Als Präimplantationsdiagnostik (PID) bezeichnen Fachleute genetische Untersuchungen an wenige Tage alten Embryonen, die durch künstliche Befruchtung gezeugt wurden. Die PID erfolgt, bevor der Embryo in die Gebärmutter übertragen wird. Die Präimplantationsdiagnostik richtet sich an Paare, die Erbanlagen für schwere Krankheiten tragen und somit ein erhöhtes Risiko besitzen, dass ihre Nachkommen an einer Erbkrankheit leiden.

Allgemeines

Mithilfe der Präimplantationsdiagnostik können Ärzte Embryonen beispielsweise auf Fehler an den Chromosomen untersuchen, die auf ein Risiko für eine Fehl- oder Totgeburt hinweisen. Die PID ist ein sehr umstrittenes, viel diskutiertes Verfahren.

In einer Abstimmung im Deutschen Bundestag am 7. Juli 2011 hatte sich die Mehrheit der Abgeordneten für eine eingeschränkte Zulassung der PID in Deutschland ausgesprochen. Bundestag und Bundesrat stimmten dem Gesetzentwurf Ende September 2011 zu, am 21. November 2011 wurde das "Gesetz zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (PräimpG)" verabschiedet.

Das Gesetz verbietet die Präimplantationsdiagnostik grundsätzlich, erklärt die PID aber in zwei Situationen in engen Grenzen für ausnahmsweise zulässig:

  1. Es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erbkrankheit.
  2. Mittels PID soll eine schwerwiegende Schädigung des Embryos entdeckt werden, die sehr wahrscheinlich zu einer Tot- oder Fehlgeburt führen wird.

Praktische Bedeutung: Das Bundesgesundheitsministerium hat eine notwendige Rechtsverordnung erarbeitet. Diese regelt Einzelheiten, beispielsweise, in welchen Zentren die PID durchgeführt werden darf, welche Voraussetzungen diese erfüllen müssen und wie das Verfahren der Präimplantationsdiagnostik insgesamt abläuft. Für die genaue Umsetzung der PID sind dann die Bundesländer verantwortlich. Der im Juli 2012 vorgestellte "Entwurf einer Verordnung über die rechtmäßige Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik (Präimplantationsdiagnostikverordnung – PIDV)" wurde am 14. November 2012 vom Bundeskabinett beschlossen. Der Bundesrat hat der Verordnung am 1. Februar 2013 zugestimmt. Ein Jahr später, am 1. Februar 2014, trat die Verordnung dann in Kraft, das erste deutsche PID-Zentrum wurde im März 2014 in Lübeck zugelassen. Die PIDV soll die im Gesetz enthaltenen grundsätzlichen Vorgaben, wie zu verfahren ist, umsetzen.

Die Konsequenz für Paare mit der Anlage für schwere Erbkrankheiten:

  • Sie dürfen die Präimplantationsdiagnostik aus juristischer Sicht unter strengen Bedingungen nutzen, um eine Schwangerschaft mit einem gesunden Kind anzustreben.
  • Praktisch lässt sich dies aber bisher bis auf wenige Ausnahmen nicht in die Tat umsetzen.

Zum Thema Präimplantationsdiagnostik gibt es sehr unterschiedliche Meinungen:

Befürworter der Präimplantationsdiagnostik argumentieren, dass zukünftige Eltern durch diese Untersuchung vor schweren körperlichen und seelischen Belastungen geschützt werden können. Ihr Argument:

  • Die PID ermögliche diesen Paaren eine Schwangerschaft mit einem nicht von der Erbkrankheit betroffenen Kind.
  • Dank der Methode ließen sich Fehl- oder Totgeburten und sehr späte Abbrüche einer Schwangerschaft vermeiden.

Zudem könne man die Eltern dank PID vor der Sorge und der psychischen wie physischen Belastung bewahren, die ein lebendes schwer krankes Kind mit sich bringe oder der Tod eines Kindes aufgrund einer Erbkrankheit. Nicht selten hätten Eltern bereits ein schwer krankes Kind zur Welt gebracht und unter Umständen bereits den Tod eines Kinds zu beklagen.

Gegner der Präimplantationsdiagnostik sehen folgende Punkte als Argumente, die PID zu verbieten:

  • Ihre Anwendung gefährde die Akzeptanz gesellschaftlicher Vielfalt und erhöhe den sozialen Druck auf Eltern, ein gesundes Kind haben zu müssen.

Die Werteordnung des Grundgesetzes bestimme ausdrücklich, dass jeder Mensch den gleichen Anspruch auf Würde und die gleichen und unveräußerlichen Rechte auf Teilhabe besitze. Dieses Wertegefüge würde durch die Zulassung der PID nachhaltig beschädigt werden. Aus ethischen und gesellschaftspolitischen Gründen sei die PID daher abzulehnen.

Anwendungsgebiete

Mithilfe der Präimplantationsdiagnostik (PID) kann es gelingen, genetische Veränderungen zu entdecken, die auf eine zu erwartende schwere Erkrankung eines ungeborenen Kindes hindeuten. Beispiele für solche Krankheiten sind:

  • Muskeldystrophie vom Typ Duchenne,
  • Beta-Thalassämie,
  • Edwards-Syndrom (Trisomie 18, Chromosom 18 dreimal vorhanden),
  • Pätau-Syndrom (Trisomie 13, Chromosom 13 dreimal vorhanden),
  • Monosomie 21 (Chromosom 21 nur einmal vorhanden).

Experten sind sich einig, dass die Präimplantationsdiagnostik stets strengen Auswahlkriterien unterliegen muss, die für jeden Einzelfall konsequent geprüft werden müssen. Was erlaubt ist, regeln Gesetze. Keinesfalls dürfe die PID laut Fachleuten dazu missbraucht werden,

  • ein Kind ohne Krankheitsbezug lediglich aufgrund seines Geschlechts auszusuchen (sog. social sexing oder family balancing),
  • die Untersuchung vorzunehmen, weil die Eltern ein gewisses Alter überschreiten,
  • oder für reproduktionsmedizinische Maßnahmen im Allgemeinen zum Einsatz zu kommen.

Die Methode der Präimplantationsdiagnostik eignet sich – was das rein technische Vorgehen betrifft – für unterschiedliche Situationen (die gesetzlichen Bestimmungen außen vor gelassen):

  • Es besteht der Verdacht auf eine erbliche Krankheit, die in einem einzelnen Gen begründet ist, d.h., sie wird monogen vererbt.
  • Es besteht der Verdacht auf genetische Risiken für Krankheiten, die durch das Zusammentreffen vieler Ursachen (= multifaktoriell) bedingt sind.
  • Es besteht der Verdacht auf Chromosomenstörungen, entweder was ihre Anzahl betrifft (= numerische Störung) oder was ihren Aufbau betrifft (= strukturelle Störung).
  • Es geht darum, erwünschte genetische Merkmale festzustellen.

Manche Menschen befürchten, dass die PID Vorläufer einer Entwicklung hin zum sogenannten Designerbaby sein könnte. Diese Sorge ist laut Experten unbegründet, da sehr strenge Regeln und Gesetze definieren, für welche Paare eine PID überhaupt infrage kommt.

Außerhalb Deutschlands wird die PID in strengen Grenzen seit etwa 20 Jahren praktiziert. Nimmt man die internationalen Zahlen als Grundlage, bestünde in Deutschland bei circa 200 Paaren pro Jahr der medizinische Bedarf (und die juristische wie ethische Rechtfertigung), die Präimplantationsdiagnostik anzuwenden.

Ablauf der Präimplantationsdiagnostik

Voraussetzung für die Präimplantationsdiagnostik (PID) ist eine künstliche Befruchtung, bei der mehrere Embryonen entstehen. Die gängige Technik, die einer PID vorangeht, heißt In-vitro-Fertilisation (IVF). Bei diesem Verfahren werden weibliche Eizellen außerhalb des Körpers mit männlichen Samenzellen befruchtet. Vor der IVF unterzieht sich die Frau einer Hormonstimulation mit Tabletten.

Später folgt ein Eingriff (meist unter Narkose), bei dem der Arzt die gereiften Eizellen unter Ultraschallkontrolle durch die Scheide der Frau vorsichtig aus dem Eierstock saugt. Die befruchteten Eizellen entwickeln sich im Labor zu Embryonen und können mittels PID untersucht werden.

Die Schritte der IVF – etwa die Hormonbehandlung und der Eingriff – sind mit einem gewissen gesundheitlichen Risiko für die Frau verbunden (z.B. Verletzung, Blutung, Infektion, übermäßige Stimulation der Eierstöcke). Ebenso geht eine In-vitro-Fertilisation mit einer gewissen psychischen Belastung einher.

Dreierregel

Ein wichtiger Begriff, der sowohl mit der IVF als auch der Präimplantationsdiagnostik direkt zusammenhängt, ist die sogenannte Dreierregel. Hierbei handelt es sich um eine Vorgabe im Embryonenschutzgesetz (ESchG), die in Paragraf 1 ("Missbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken") im Absatz 1, Artikel Nr. 3 und 5, festgeschrieben ist.

Die Dreierregel besagt, dass sich strafbar macht, wer "es unternimmt, mehr Eizellen einer Frau zu befruchten, als ihr innerhalb eines Zyklus übertragen werden sollen" (Absatz 1, Nr. 5) und wer "es unternimmt, innerhalb eines Zyklus mehr als drei Embryonen auf eine Frau zu übertragen" (Absatz 1, Nr. 3).

Demnach dürfen in Deutschland bei künstlichen Befruchtungen maximal drei Embryonen pro Zyklus der Frau herangezüchtet werden. Die Regel soll verhindern, dass bei dem Verfahren mehr Embryonen entstehen, als pro Zyklus in die Gebärmutter übertragen werden können.

Dem Gesetz folgend werden bei einer Unfruchtbarkeitsbehandlung wie der IVF bis zu maximal drei Embryonen mithilfe eines Katheters in die Gebärmutter der Frau eingebracht. Dort sollen sie sich zu einem Kind entwickeln.

Die Bundesärztekammer fordert in ihrem "Memorandum zur Präimplantationsdiagnostik", dass der Paragraf im Embryonenschutzgesetz geändert wird. Im Hinblick auf die PID sollte er so angepasst werden, dass:

  • "dem Arzt aufgegeben wird, die Zahl der zu befruchtenden Eizellen abwägend so festzulegen, dass das Risiko des Entstehens überzähliger Embryonen geringer ist als das Risiko, keine ausreichende Anzahl transfergeeigneter Embryonen zur Verfügung zu haben. Die Festlegung einer bestimmten Höchstzahl empfiehlt sich nicht."

Dieser Vorschlag begründet sich darin, dass die Dreierregel laut Expertenmeinung einer erfolgsversprechenden, praktikablen und für die Frau nicht allzu belastenden PID im Wege steht. Grund: Statistisch gesehen würde – wenn pro Versuch nur drei Eizellen befruchtet würden – bei jeder zweiten PID kein übertragbarer Embryo übrigbleiben. Dies liegt daran, dass bei der Untersuchung von gezüchteten Embryonen von Paaren, die ein hohes Risiko für schwerwiegende Erbkrankheiten tragen, entsprechende Genveränderungen festgestellt werden. In der Folge werden die Embryonen verworfen und es eignet sich mitunter keiner dazu, in die Gebärmutter eingesetzt zu werden.

Abstimmung im Deutschen Bundestag am 7. Juli 2011

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags haben am 7. Juli 2011 darüber abgestimmt, ob die Präimplantationsdiagnostik (PID) in Deutschland zugelassen oder verboten werden soll. Im Sommer des Jahres 2010 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) den Gesetzgeber aufgefordert, die Gesetzeslage zur Präimplantationsdiagnostik im Sinne einer eindeutigen Grundsatzentscheidung neu zu regeln.

Der BGH hatte am 6. Juli 2010 ein Grundsatzurteil zur PID gefällt, das die Präimplantationsdiagnostik für straffrei erklärte, wenn sie an sogenannten nicht mehr totipotenten, sondern pluripotenten Zellen durchgeführt wird und dem Zweck dient, schwere genetische Schäden des künstlich erzeugten Embryos zu entdecken.

  • Pluripotent bedeutet, dass die einzelnen Zellen des Embryos nicht mehr in der Lage sind, zu einem kompletten Organismus heranzuwachsen.
  • Totipotente Zellen hingegen können jeweils noch alle unterschiedlichen Zellen bilden und sind in der Lage, zu einem kompletten Menschen heranzuwachsen.
  • Totipotente Zellen sind die am meisten wandelbare, früheste Form von Stammzellen.

Die einzelnen Zellen eines Embryos gelten bis zum sogenannten Acht-Zellstadium als totipotent – jede einzelne Zelle steht zu diesem Zeitpunkt rechtlich auf einer Stufe mit dem gesamten Embryo. Die Entnahme einer Zelle für die Präimplantationsdiagnostik darf demnach erst nach dem Acht-Zellstadium an dann pluripotenten Zellen erfolgen.

Bis zum Urteil des BGH im Juli 2010 galt die PID in den Augen vieler Experten als nicht mit dem Embryonenschutzgesetz vereinbar.

Das Ergebnis der Abstimmung im Deutschen Bundestag am 7. Juli 2011: Die Mehrheit sprach sich dafür aus, die PID eingeschränkt zuzulassen ("Gesetz zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik, PräimG") und dies im Embryonenschutzgesetz zu verankern.

Die Abgeordneten hatten seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs verstärkt über die Präimplantationsdiagnostik debattiert. Im Mittelpunkt stand die ethisch, rechtlich und medizinisch komplexe Frage: Dürfen Paare, in deren Familien Erbkrankheiten bekannt sind, gemeinsam mit Ärzten über Leben oder Tod der künstlich gezeugten Embryonen entscheiden? Dürfen sie selektieren und nur diejenigen Embryonen am Leben erhalten, die den bekannten Gendefekt für die Erbkrankheit nicht aufweisen?

Über die Grenzen der einzelnen Fraktionen hinaus hatten sich drei Gruppen von Abgeordneten gebildet. Jede Gruppe stellte einen Gesetzentwurf vor, für den sie am 7. Juli 2011 möglichst viele Anhänger gewinnen wollten. Folgende drei Entwürfe standen an diesem Tag zur Abstimmung im Deutschen Bundestag bereit.

  • Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (Präimplantationsdiagnostikgesetz – PräimpG)
  • Entwurf eines Gesetzes zur begrenzten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (Präimplantationsdiagnostikgesetz – PräimpG)
  • Entwurf eines Gesetzes zum Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID)

Zusammengefasst besagte der Entwurf zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik,

  • dass die PID in Ausnahmefällen zulässig sein soll.
  • dass es wichtig sei, Rechtssicherheit für die betroffenen Paare und die Ärzte herzustellen, indem das Embryonenschutzgesetz um eine Regelung ergänzt wird, die festlegt, welche Voraussetzungen für die PID gelten.
  • dass Missbrauch vermieden werden müsse und die PID nur dann zulässig sein solle, wenn eine verpflichtende Aufklärung und Beratung stattfindet und für den individuellen Fall ein positives Votum einer Ethik-Kommission vorliegt, die sich aus Experten unterschiedlicher Fachbereiche zusammensetzt.
  • dass nicht rechtswidrig handele, wer einen Embryo auf die Gefahr einer schwerwiegenden Erbkrankheit untersucht, wenn aufgrund genetischer Eigenschaften der Eltern oder eines Elternteils eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erbkrankheit für deren Nachkommen besteht.
  • dass ein oder beide Elternteile die Veranlagung für eine schwerwiegende Erbkrankheit in sich tragen und mit einer Tot- oder Fehlgeburt zu rechnen sein müsse.
  • dass vor der PID eine sorgfältige Diagnostik bei beiden Partnern nach strengen Kriterien erfolgen müsse.
  • und dass die PID an lizenzierten Zentren erfolgen solle, um einen hohen medizinischen Standard zu gewährleisten.

Bundestag und Bundesrat stimmten dem Gesetzentwurf Ende September 2011 zu, am 21. November 2011 wurde das "Gesetz zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (PräimpG)" verabschiedet.