Ein Arzt im Gespräch mit einem Patienten.
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Afterloading

Von: Onmeda-Redaktion
Letzte Aktualisierung: 12.10.2021

Afterloading ist ein Verfahren, das bei einer besonderen Form der Strahlentherapie eine wichtige Rolle spielt: der sogenannten Brachytherapie. Mithilfe von Afterloading platzieren Krebsmediziner strahlendes Material ferngesteuert in die direkte Nähe von Tumoren, um die Krebszellen zu bekämpfen. Gesundes Gewebe bleibt von der Strahlung weitgehend verschont. Außerdem sind Arzt und medizinisches Personal dank Afterloading keiner Strahlenbelastung ausgesetzt.

Überblick

Die Strahlentherapie hat – neben Operation, Chemo- und Immuntherapie – seit vielen Jahren einen festen Platz in der Behandlung bösartiger Tumoren.

Es gibt aber unterschiedliche Methoden der Bestrahlung:

  • Geräte wie Linearbeschleuniger senden Strahlung aus. Mediziner setzen sie ein, um Krebsgeschwulste durch die Haut hindurch zu bestrahlen.
  • Daneben gibt es auch die Möglichkeit, radioaktive Substanzen (sog. Radioisotope) dicht an den Tumor heran zu bringen. Die Strahlung, die von diesem Material ausgeht, hat nur eine kurze Reichweite. Das heißt, sie durchdringt lediglich das umliegende, kranke Gewebe und kann so den Krebs zerstören. Diese Form der Strahlenbehandlung heißt Brachytherapie.

In den Anfängen der Brachytherapie musste das medizinische Personal das strahlende Material selbst am Körper des Patienten anbringen und fixieren – und war während dieser Tätigkeit der Strahlung ausgesetzt. Dank Afterloading ist das heutzutage anders: Bei Tumoren innerer Hohlorgane wie der Speiseröhre oder der weiblichen Geschlechtsorgane kann der Arzt den Patienten einen Führungszylinder (Applikator) in die entsprechende Körperöffnung einführen. Der Applikator kommt dadurch so dicht wie möglich mit dem Tumor in Kontakt.

Patientinnen mit Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) erhalten zum Beispiel einen Applikator durch die Scheide bis an den Gebärmutterhals. Mithilfe einer Röntgenaufnahme oder von Ultraschall kann der Strahlentherapeut kontrollieren, ob sich der Applikator an der richtigen Position befindet. Arzt und radiologisches Assistenzpersonal können dann den Behandlungsraum verlassen und vom Nebenraum aus den Applikator computergesteuert mit dem strahlenden Material nachträglich beladen. Daher heißt die Methode Afterloading – zu Deutsch: Nachladetechnik oder Nachladeverfahren.

Prinzip von Afterloading

Das Prinzip von Afterloading lässt sich leichter verstehen, wenn man zuvor eine spezielle Form der Bestrahlung – die Brachytherapie – näher betrachtet: Im Gegensatz zu einer Bestrahlung von außen (z.B. mit einem Linearbeschleuniger) geht es bei der Brachytherapie darum, radioaktives Material in direkten Kontakt mit Tumorgewebe zu bringen. Mediziner verwenden in diesem Zusammenhang auch den Begriff Kontaktbestrahlung. Das Material sendet Strahlung aus, die das umliegende Gewebe nur im Zentimeterbereich durchdringen kann. Die Wirkung der Strahlen beschränkt sich damit auf das erkrankte Gewebe. Das ist auch sinnvoll, denn für "normales" Gewebe stellen radioaktive Strahlen eine gesundheitliche Belastung dar.

Bei der Kontaktbestrahlung der Haut liegt die Strahlenquelle dem Krebsgewebe einfach auf. Befindet sich das erkrankte Gewebe innerhalb eines Hohlraums im Körper (z.B. Magen-Darm-Trakt, weibliche Geschlechtsorgane), muss das radioaktive Material in die entsprechende Körperöffnung eingeführt werden. Man spricht dann von intrakavitärer oder intraluminaler Strahlenbehandlung. In manchen Fällen ist für die Bestrahlung ein Eindringen in kompaktes Körpergewebe – zum Beispiel mit kleinen Nadeln – notwendig. Diese Methode heißt dann interstitielle Strahlentherapie.

Hat ein Strahlentherapeut früher seine Patienten mithilfe der Kontaktstrahlung oder interstitiellen Bestrahlung behandelt, so waren er und sein Assistenzpersonal beim Anbringen der radioaktiven Substanzen wie Iridium (192Ir) oder Cäsium (137Cs) deren Strahlung ausgesetzt. Heute gelangt das strahlende Material ohne erhöhtes Strahlenrisiko für Arzt oder Personal in die Nähe des Tumors.

Dabei kommt das Prinzip von Afterloading ins Spiel: Bevor Iridium oder anderes strahlendes Material in die Nähe des Tumors gelangt, sind spezielle Vorbereitungen zu treffen. Wenn es sich beispielsweise um eine Frau mit einem Gebärmutterhalskrebs (Zervixkarzinom) handelt, führt der Arzt der Patientin einen speziellen Hohlzylinder – den Applikator – in die Scheide ein, bis dieser direkt am Tumor liegt. Der Applikator ist über einen Schlauch mit dem Afterloading-Gerät verbunden, in der sich die radioaktive Iridium-Quelle befindet. Je nach Krebserkrankung stehen verschiedene Applikator-Formen zur Verfügung. Bei Tumoren in Speiseröhre oder Lunge können der Applikator und der Verbindungsschlauch mit einem Endoskop kombiniert sein.

Der Arzt prüft anschließend (z.B. mit Ultraschall oder einer Röntgenuntersuchung), ob der Applikator an der richtigen Position sitzt. Liegt der Applikator gut und sind alle sonstigen Vorbereitungen abgeschlossen, können Arzt und medizinisches Personal den Behandlungsraum verlassen (Sicht- und Hörkontakt mit dem Patienten bleiben aber gewährleistet). Über einen Computer können sie vom Nebenraum aus die eigentliche Bestrahlung jetzt ferngesteuert starten: Die Strahlenquelle wandert daraufhin, geführt von einem biegsamen Draht, durch den Schlauch bis zum Applikator. Dort fährt sie den zu bestrahlenden Bereich nach einem vorher einprogrammierten Plan schrittweise ab.

Bei der sogenannten interstitiellen Bestrahlung "spickt" man einen Tumor mit kleinen radioaktiven Nadeln. Auch diese Behandlung läuft nach dem Prinzip von Afterloading ab. Beim Prostatakarzinom wiederum können mithilfe von Afterloading kleine Kügelchen (sog. "Seeds") direkt ins Tumorgewebe eingepflanzt werden, um dort radioaktive Strahlung abzugeben und den Krebs zu bekämpfen.

Anwendung

Afterloading bietet einen großen Vorteil in der sogenannten Brachytherapie. Bei dieser Form der Strahlentherapie muss der Strahlentherapeut radioaktives – also strahlendes – Material in direkte Nähe des Tumors bringen.

Die Strahlung der verwendeten Substanzen (z.B. Iridium, Cäsium oder Jod) hat eine geringe Reichweite und durchdringt somit nur das umliegende Gewebe.

So beschränkt sich die Strahlenwirkung auf den Bereich, der auch bestrahlt werden soll. Das gesunde Gewebe bleibt von der Strahlung verschont.

Damit der Arzt beziehungsweise das medizinische Personal beim Anbringen des radioaktiven Materials ebenfalls vor der Strahlung geschützt sind, läuft das Einbringen der Substanzen in Körperöffnungen oder Organe ferngesteuert ab. Das heißt konkret: Nachdem das Personal spezielle Einführinstrumente (sog. Applikatoren) am oder im Körper des Patienten platziert und dann den Behandlungsraum verlassen hat, fährt die strahlende Substanz über einen Verbindungsschlauch direkt an den Tumor heran. Dieses Nachladeverfahren – das Afterloading – ermöglicht so eine moderne Strahlentherapie, die sowohl den Patienten als auch den Behandelnden schont.

Wie bei der Bestrahlung mit einem Beschleuniger erstellen auch bei einer Strahlenbehandlung mit Afterloading ein Medizinphysiker und der behandelnde Arzt gemeinsam den optimalen Bestrahlungsplan. Sie legen dabei zum Beispiel fest, wie viele Afterloading-Behandlungen notwendig sind oder ob das Tumorgebiet auch zusätzlich noch von außen bestrahlt werden muss.

Ein Afterloading-Gerät ist etwa 1,5 Meter hoch, besitzt einen Durchmesser von ungefähr 0,5 Meter und ist auf Rollen verschiebbar. Das gut abgeschirmte radioaktive Material muss regelmäßig ausgetauscht werden, damit immer eine optimale und exakt berechenbare Bestrahlung gewährleistet ist. Iridium hat zum Beispiel eine Halbwertzeit von 74 Tagen – sein Austausch findet etwa alle 2 Monate statt.

Afterloading und Brachytherapie spielen als Behandlungsmöglichkeit unter anderem bei den folgenden Krebserkrankungen eine Rolle: