Sulfonamide und Trimethoprim

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 01.10.2007

auch bezeichnet als:
Folsäure-Antagonisten

Wirkstoffe

Folgende Wirkstoffe sind der Wirkstoffgruppe "Sulfonamide und Trimethoprim" zugeordnet

Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffgruppe

Die Sulfonamide und Trimethoprim sind Antibiotika. Sie werden bei bakteriellen Infektionen eingesetzt. Das erste Sulfonamid wurde zunächst als Farbstoff hergestellt. 1935 entdeckte dann Gerhard Domagk seine bakterienhemmende Wirkung. Wenig später setzte die gezielte Entwicklung der Sulfonamide als Antibiotika ein. Nach den Penicillinen waren sie die zweite bakterienhemmende Wirkstoffgruppe, die in die Therapie eingeführt wurde. Weil die Sulfonamide schon so lange im Einsatz sind, haben zahlreiche Bakterienstämme eine Resistenz gegen sie gebildet. Sulfonamide können daher praktisch nicht mehr als Einzelsubstanzen eingesetzt werden, sondern müssen entweder mit Trimethoprim oder Antibiotika anderer Wirkstoffgruppen kombiniert werden. Durch Kombination eines Sulfonamids mit Trimethoprim (auch als Diaminopyrimidin) erzielt man mehrere günstige Effekte: Die Wirkung wird verstärkt, da gleichzeitig an zwei Stellen in den Folsäureaufbau eingegriffen wird. Es bilden sich weniger Resistenzen, wenn man beide Stoffe gemeinsam gibt. Schließlich wird auch das Wirkspektrum (also gegen welche Keime ein Antibiotikum wirkt) erweitert.

Sulfonamide und/oder Trimethoprim kann man in Tablettenform einnehmen. Da die Wirkstoffe überwiegend über die Nieren ausgeschieden werden, reichern sie sich im harnableitenden System an. Darum liegt dort auch der wesentliche Einsatzbereich der Sulfonamide und des Trimethoprims. Die folgende Übersicht zeigt die Einzelstoffe und die Erkrankungen, bei denen sie und ihre Kombinationen eingesetzt werden:
  • Trimethoprim kann nur bei einfachen Harnwegsinfektionen als alleiniger Wirkstoff (Monosubstanz) verwendet werden.
  • Sulfamethoxazol und Trimethoprim werden nur noch in fester Kombination als Co-trimoxazol eingesetzt und stellen den wichtigsten Vertreter der Kombinationen dar. Co-trimoxazol wird überwiegend bei Harnwegsinfektionen eingesetzt. Weiterhin kann es bei Infektionen der Luft- und Atemwege sowie im Hals-Nasen-Ohren-Bereich angewendet werden. Auch bei Infektionen im Bereich der Genitalorgane und des Magen-Darm-Trakts wie Typhus, Shigellose (Bakterienruhr) und Reisedurchfall kann Co-trimoxazol eingesetzt werden.
  • Die Kombination von Sulfadiazin und Trimethoprim wird bei Infektionen der Niere, Harnwege, Geschlechtsorgane, Luftwege, des Magen-Darm-Trakts sowie bei Typhus und Paratyphus verabreicht.
    Sulfadiazin wird noch manchmal als Monopräparat gegen Toxoplasmose verabreicht. In Kombination mit Silber, das eine zusätzliche antiseptische Wirkung hat, wird Sulfadiazin-Silber äußerlich zur Wunddesinfektion verwendet.
  • Sulfacetamid kommt bei Augeninfektionen zum Einsatz, ist hierbei allerdings kein Mittel der ersten Wahl.
  • Dapson zählt vom Wirkmechanismus her zu den Sulfonamiden und wird vor allem gegen Lepra eingesetzt, aber auch bei einigen Autoimmunerkrankungen, schwerem Rheuma und Lungenentzündung durch den Keim Pneumocystis jirovecii
  • Sulfasalazin gehört zwar von der Struktur her zu den Sulfonamiden, ist aber kein Antibiotikum. Es wird zu den Aminosalicylaten gerechnet und bei entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn eingesetzt.


Wirkung

Sulfonamide und Trimethoprim sind künstlich hergestellte Antibiotika. Sie verhindern in den Bakterien den Aufbau der für die Erreger lebenswichtigen Folsäure. Daher werden Sulfonamide, Dapson und Trimethoprim auch Folsäure-Antagonisten (Gegenspieler) genannt. Allerdings greifen Sulfonamide und Trimethoprim an verschiedenen Stellen des Herstellungswegs ein:
  • Sulfonamide und Dapson hemmen dabei den ersten Aufbau-Schritt. Sie verhindern, dass das Enzym Dihydropteroinsäure-Synthetase aus Para-Aminobenzoesäure und Dihydropteridin die Dihydrofolsäure herstellt. Allerdings ist von den Sulfonamiden eine hohe Konzentration nötig, um die Para-Aminobenzoesäure vollständig von dem verarbeitenden Enzym zu verdrängen. Daher muss man Sulfonamide recht hoch dosieren.
  • Trimethoprim hemmt den zweiten Aufbau-Schritt. Es blockiert das Enzym Dihydrofolsäurereduktase, welches aus Dihydrofolsäure das wirksame Endprodukt Tetrahydrofolsäure macht.
Folsäure ist ein für jede Zelle lebenswichtiger Stoff. Er wird für die Herstellung der Erbinformation benötigt. Für Menschen und Tiere sind Folsäure-Antagonisten weitgehend ungiftig. Sie brauchen zwar genauso wie Bakterien die Folsäure für ihren Stoffwechsel, stellen diese aber nicht selbst her. Da Menschen und Tiere ihren Folsäurebedarf über die Nahrung decken, wird ihr Stoffwechsel durch eine Folsäureaufbauhemmung nicht beeinträchtigt.
So sind Sulfonamide und Trimethoprim nur bei Bakterien wirksam: Wird die Folsäurebildung gehemmt und somit der Aufbau der Erbinformation, kann das Bakterium weder wachsen noch sich vermehren. Diese Wirkung tritt jedoch verzögert ein, da jedes Bakterium einen gewissen Vorrat an Folsäure besitzt.

Sulfonamide sind von der chemischen Struktur her mit einigen oralen, also über den Mund aufgenommenen Antidiabetika (Sulfonylharnstoffe) und wasserausscheidenden Arzneimitteln (Thiazide) verwandt. Ebenso sind einige Mittel zur örtlichen Betäubung den Sulfonamiden strukturell ähnlich. Mit diesen Arzneimitteln kann es daher zu Wechselwirkungen kommen. Dazu zählen verstärkte Blutzuckersenkung oder auch Aufhebung der bakterienhemmenden Wirkung.

Wichtig zu beachten ist, dass ernste und lebensbedrohliche Nebenwirkungen häufiger bei älteren, über 60-jährigen Patienten auftreten.