Insulinanaloga

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 12.10.2012

auch bezeichnet als:
Insulin-Abkömmlinge; Insulin-Derivate

Wirkstoffe

Folgende Wirkstoffe sind der Wirkstoffgruppe "Insulinanaloga" zugeordnet

Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffgruppe

Insulin-Analoga werden zur Senkung des Blutzuckerspiegels bei allen Formen der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) eingesetzt. Ihre Wirkweise und Verteilung im Blut ist ähnlich dem natürlicherweise vom Körper ausgeschütteten Insulin. Sie können überhöhte Blutzuckerspiegel nicht nur normalisieren, sondern weitgehend auch vermeiden. Damit kann Folgeschäden des Diabetes an den Blutgefäßen und den Konsequenzen der Durchblutungsstörungen wie Erblindung, Amputation, Nierenversagen, Herzinfarkt und Schlaganfall vorgebeugt werden.

Insulin-Analoga werden gentechnisch hergestellt. Dabei verändert man im Vergleich zum natürlichen Insulin einzelne Aminosäuren so, dass Wirkeintritt und Wirkdauer praktisch "maßgeschneidert" sind. Die Vielzahl der vorhandenen Insulin-Analoga bietet ein breites Spektrum an unterschiedlich schnellem Wirkeintritt und unterschiedlich langer Wirkdauer. Dieses Spektrum ermöglicht heute eine individuell an jeden Diabetiker und seine Lebensweise angepasste Behandlung.

Im Wesentlichen unterscheidet man sofort wirksame und verzögert wirksame Insulin-Analoga:

  • Sofort wirksame Insulin-Analoga zeichnen sich durch einen fast schlagartigen Wirkungseintritt, aber auch kürzere Wirkdauer aus. Dadurch reichen sie recht nah an die Wirkung des menschlichen Insulins heran. Sie ermöglichen, dass fast kein Abstand zwischen der Injektion und einer Mahlzeit eingehalten werden muss. Diese größere Flexibilität dient insbesondere berufstätigen Menschen, die oftmals ihre Pausen nicht schon 30 Minuten zuvor planen können.
    Kurz wirksame Insulin-Analoga sind Insulinaspartat, Insulinglulisin und Insulin lispro.
  • Verzögert wirksame Insulin-Analoga sind die Wirkstoffe Insulinglargin und Insulindetemir. Im Unterhautfettgewebe ballen sich die Moleküle der Wirkstoffe zu größeren Gebilden zusammen. Schließlich entstehen so genannte Hexamere mit sechs Molekülen Wirkstoff, die langsam in so genannte Dimere mit zwei Molekülen zerfallen. Daraus wird schließlich das einzelne Molekül freigesetzt, das in die Blutbahn gelangen kann. Dieser Prozess verläuft derart gleichmäßig, dass der Wirkstoff in nahezu gleich bleibender Konzentration über 24 Stunden im Blut nachgewiesen werden kann. Manchem Diabetiker kann dadurch eine zweite Injektion mit Verzögerungsinsulin am Tag erspart werden.
    Insulinglargin ist - im Gegensatz zu den trüben herkömmlichen Verzögerungsinsulinen - eine klare, saure Lösung. Diese saure Lösung kann bei der Injektion ein leichtes Brennen verursachen.

  • Es gibt auch kombinierte Insulin-Analoga. Sowohl Insulinaspart als auch Insulin lispro sind als Mischinsuline auf dem Markt. In ihnen sind 25, 30 oder 50 Prozent des Insulin-Analogons als sofort verfügbare Menge enthalten, der Rest wird verzögert freigesetzt.
Insulin-Analoga werden in das Unterhaut-Fettgewebe (subkutan) gespritzt. Dazu stehen inzwischen verschiedenste Spritzhilfen (Pens) zur Verfügung. Dabei enthält 1 Milliliter Injektionslösung üblicherweise 100 Einheiten Wirkstoff.

Wirkung

Bei gesunden Menschen produziert die Bauchspeicheldrüse das Hormon Insulin in ausreichender Menge in den Betazellen der so genannten Langerhans'schen Inseln (daher der Name Insulin). Hier werden zwei Ketten von Aminosäuren mit 21 und 30 Aminosäuren zu einem Insulinmolekül verbunden. Jeweils sechs solcher Insulinmoleküle lagern sich zusammen und werden so zunächst auch in den Betazellen gespeichert. Steigende Blutzuckerspiegel verursachen dann eine Freisetzung der gespeicherten Insulinmoleküle ins Blut. Mit diesem gelangt das Insulin an den Ort seiner Wirkung.

Insulin beeinflusst maßgeblich den Zuckerstoffwechsel im Körper. Der Zucker wird aus der Nahrung in das Blut aufgenommen. Mit dem Blut wird der Zucker im ganzen Körper verteilt und steht so allen Körperzellen zur Verfügung. Das Hormon Insulin entfaltet seine Effekte hauptsächlich in den Zellen von Fettgewebe, Muskulatur und Leber. In Fettgewebe und Muskulatur werden die Zellen durch das Insulin veranlasst, Zucker aus der Blutbahn aufzunehmen und ihn zum Fettaufbau zu verwenden beziehungsweise als Energiequelle für die Bewegung zu nutzen. In der Leber, aber auch den Muskeln, fördert Insulin den Aufbau des Speicherzuckers Glycogen. Benötigt der Körper die darin gespeicherte Energie, kann das Glycogen kurzfristig wieder zu Zucker abgebaut werden, der den Zellen dann zur Verfügung steht.

Kurz gesagt, besteht die Insulinwirkung darin,
  • die ausreichende Energieversorgung der Körperzellen zu sichern
  • langfristige Energiespeicher in Form von Fett aufzubauen
  • kurzfristige Energiespeicher in Form von Glycogen anzulegen.
Bei Zuckerkranken funktionieren die Langerhans‘schen Inseln in der Bauchspeicheldrüse nicht mehr oder nur noch mangelhaft. Entweder wurden sie allmählich durch einen Angriff des körpereigenen Immunsystems zerstört (Diabetes mellitus Typ 1) oder sie haben sich durch eine jahrelange Fehlernährung erschöpft (Diabetes mellitus Typ 2). In beiden Fällen steht nicht mehr genügend Insulin für die Zuckeraufnahme aus dem Blut zur Verfügung, was zu überhöhten Blutzuckerwerten führt. Auch eine Zerstörung des Bauchspeicheldrüsengewebes beispielsweise durch eine chronische Bauchspeicheldrüsenentzündung führt durch einen absoluten Insulinmangel zu einer Erhöhung der Blutzuckerspiegel. Beim Diabetes mellitus Typ 2 reagieren zudem oft die körpereigenen Zellen schlechter auf das Insulin. So kann der Blutzuckerspiegel steigen, obwohl oftmals noch mehr Insulin als üblich von der Bauchspeicheldrüse produziert wird.

Körpereigenes Insulin wird im Anschluss an eine Mahlzeit rasch in die Blutbahn ausgeschüttet. Es veranlasst die augenblickliche Aufnahme des in der Nahrung enthaltenen Zuckers in die Körperzellen, wodurch der Blutzuckerspiegel schnell sinkt. Auch das ausgeschüttete Insulin ist nur wenige Minuten in der Blutbahn nachweisbar. Gerade die Abstimmung der Insulingabe auf die Mahlzeiten ist ein Problem bei der Diabetestherapie. Fällt der höchste Insulin-Blutspiegel nicht mit dem höchsten Blutzuckerspiegel zusammen, kommt es nach den Mahlzeiten zu so genannten Blutzuckerspitzen. Selbst wenn diese nur kurz sind, reichen sie doch auf Dauer aus, um die Blutgefäße zu schädigen. Insulin-Analoga imitieren sowohl den Wirkungsmechanismus des natürlichen Insulins wie auch seine schnelle Ausschüttung. Man kann sie daher praktisch direkt vor einer Mahlzeit spritzen. Damit ist natürlich eine leichtere Handhabung gegeben, als wenn – wie bei herkömmlichen Insulinen – stets auf einen Spritz-Ess-Abstand von 30 bis 45 Minuten geachtet werden muss.

Insulin-Analoga sind aufgrund ihres ungleich höheren Preises nur für diejenigen Diabetiker geeignet, die mit herkömmlichen Insulinen eine unbefriedigende Stoffwechseleinstellung zeigen. Eine Analyse von Langzeitstudien belegt jedoch nach dem Urteil des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Medizin keinen Zusatznutzen der kurzwirksamen Insulin-Analoga.

Wie bei natürlichen Insulinen ist die häufigste Nebenwirkung der Insulin-Analoga die Unterzuckerung mit meist typischen Begleiterscheinungen wie Zittern, Heißhungergefühl, Schweißausbruch, Sehstörungen und Verwirrtheit. In diesem Falle sollte der Betroffene sofort Traubenzucker zu sich nehmen, um den Blutzuckerspiegel umgehend zu erhöhen. Sonst drohen Bewusstlosigkeit und schwere Gesundheitsstörungen. Da es sich um eine lebensbedrohliche Komplikation handelt, kann im Zweifel auf das Messen des Blutzuckers vor der Einnahme von Traubenzucker verzichtet werden. Jeder insulinpflichtige Diabetiker sollte stets Traubenzucker mit sich führen.

Wichtig bei der Anwendung der Insulin-Analoga ist der ständige Wechsel der Injektionsstellen in einem festgelegten Rhythmus. Wird der Wirkstoff immer an dieselbe Stelle gespritzt, drohen Vernarbungen im Unterhautfettgewebe. In solche Narben gespritzt, wird das Insulin-Analogon nur schlecht und in nicht vorhersehbarer Geschwindigkeit in das Blut aufgenommen. Auch in sichtbar entzündete Stellen sollte nicht gespritzt werden.