Glukokortikoide

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 18.02.2008

auch bezeichnet als:
Kortikoide; Kortikosteroide; Kortison-Derivate; Steroide

Wirkstoffe

Folgende Wirkstoffe sind der Wirkstoffgruppe "Glukokortikoide" zugeordnet

Anwendungsgebiete dieser Wirkstoffgruppe

Glukokortikoide werden in der Arzneimitteltherapie häufig eingesetzt: Zur Behandlung vieler Arten von Entzündungen, bei überaktivem Immunsystem (Allergien , Autoimmunerkrankungen) und bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen.

Zu den Glukokortikoiden gehören zum Beispiel Kortison, Hydrocortison, Prednison, Prednisolon, Methylprednisolon, Triamcinolon, Dexamethason und Betamethason.

Grundsätzlich kommen Glukokortikoide in zwei Formen zur Anwendung: Äußerlich, zum Beispiel als Creme oder Salbe, und innerlich, zum Beispiel als Tablette oder Injektion.

Äußerlich werden Glukokortikoide im Besonderen bei folgenden Krankheiten gebraucht:
  • in Salben und Cremes bei ekzematösen Hauterscheinungen, bei akutem Schub einer Schuppenflechte, bei allergisch bedingten Hautveränderungen sowie bei Hautentzündungen durch zu viel Talg. Für behaarte Haut gibt es entsprechende Tinkturen mit Glukokortikoiden.
  • als Augentropfen und Augengele in der Augenheilkunde bei nicht-infektiösen und bei allergisch bedingten Entzündungen, bei Verbrennungen und Verätzungen sowie nach operativen Eingriffen am Auge
  • als Nasentropfen bei Heuschnupfen mit Ausbreitung der Allergiesymptome bis in die Nasennebenhöhlen
  • als Spray zur örtlichen Anwendung in den Bronchien und der Lunge bei Asthma.
Wann es zum innerlichen Einsatz von Glukokortikoiden kommt, zeigt die nächste Auflistung: bei
  • erfolgloser Behandlung mit äußerlich eingesetzten Glukokortikoiden
  • Erkrankungen, die den gesamten Körper betreffen. Dazu gehören zum Beispiel schwere Hautkrankheiten wie eine ausgedehnte allergische Hauterscheinung (mit Befall von mehr als 20 Prozent der Hautoberfläche) und verschiedene Hautentzündungen (wie etwa Erythrodermie), aber auch bei Pemphigus, Hämangiom, Behcet-Krankheit und Pyoderma gangraenosum
  • erfolgloser Behandlung eines allergischen Schnupfens mit äußerlichen Glukokortikoiden für Augen und Nase
  • Augenkrankheiten wie der endokrinen Orbitopathie im Rahmen eines Morbus Basedow
  • Asthma bronchiale, das durch ein Glukokortikoid- oder Beta-2-Sympathomimetikum-Spray nicht ausreichend beherrschbar ist. Die Glukokortikoid-Tabletten sollten dann jedoch mit anderen antiasthmatischen Arzneimitteln kombiniert werden.
  • Lungenfibrose, bei Sarkoidose, beim Atemnotsyndrom frühgeborener Kinder und weiteren schwer wiegenden Atemstörungen (zum Beispiel dem Quincke-Ödem)
  • Hirnödem zu Vermeidung einer Hirnschädigung und bei anderen Nervenerkrankungen wie multipler Sklerose oder BNS-Krämpfen
  • allen Arten von Transplantationen (Übertragungen von Körpergewebe eines Spenders auf einen Patienten) werden unter anderem Glukokortikoide zur Immunsuppression eingesetzt. So kann man eine Abstoßungsreaktion verhindern.
  • Mangel an körpereigenen Glukokortikoiden, beispielsweise beim Morbus Addison oder dem adrenogenitalen Syndrom als Ausgleichstherapie in niedriger Dosierung
  • Rheuma, wenn herkömmliche Rheumamedikamente (nicht-steroidale Antirheumatika) keinen ausreichenden Erfolg zeigen.
  • Herzerkrankungen wie zum Beispiel Herzbeutelentzündung und Endomyokardfibrose
  • Übelkeit und Erbrechen, das bei Krebserkrankungen durch die Therapie mit Zytostatika hervorgerufen wird und in der Palliativbehandlung todkranker Patienten
  • Blutkrankheiten wie der thrombotischen Mikroangiopathie und der Eosinophilie, bei Blutplättchenmangel und verschiedenen Formen bösartiger Krankheiten des Blut- und Lymphsystems
  • schweren Infektionskrankheiten mit Vergiftungszuständen (Beispiel: Typhus) in Kombination mit Antibiotika
  • nicht durch Krankheitskeime verursachten Entzündungen des Verdauungstraktes wie Morbus Crohn, Colitis Ulcerosa und bei Speiseröhrenverätzungen
  • Lebererkrankungen
  • akutem Hörsturz
  • Schock, besonders dem allergischen Schock.
In Notfällen werden Glukokortikoide in die Vene gespritzt. Ihre Wirkung ist dann stärker und tritt schneller ein. Wenn es sehr schnell gehen muss wie bei dem allergischen Schock nach einem Insektenstich oder bei einem akuten Asthmaanfall, ist die intravenöse Gabe oft sogar die einzig mögliche Verabreichungsart. Weitere Gelegenheiten für den ausschließlichen Einsatz intravenös verabreichter Glukokortikoide sind Abstoßungsreaktionen nach Nieren- beziehungsweise Knochenmarkstransplantation, Giftgasunfälle, das Krupp-Syndrom bei Kindern, die Addison-Krise, die thrombotische Mikroangiopathie im akuten Stadium und das Postmyokardinfarkt-Syndrom.

Wirkung

Alle Glukokortikoide, die als Medikamente gebraucht werden, stammen vom körpereigenen HormonKortison ab. Glukokortikoide heißen sie, weil sie im Körper vor allem den Umbau von Eiweißen und Fetten zu Glukose (Traubenzucker) fördern.

Der wohl bekannteste Effekt der Glukokortikoide ist die Hemmung von Entzündungssymptomen. Bei Entzündungen, seien sie nun durch Rheuma oder Allergien verursacht, werden aus den Körperzellen Entzündungs- und Immunbotenstoffe freigesetzt. Diese veranlassen dann im Gewebe die typischen Entzündungszeichen von Schwellung, Rötung, Erwärmung und Schmerz. Glukokortikoide blockieren nun sowohl die Freisetzung der Entzündungs- und Immunbotenstoffe aus den Zellen wie sie auch deren Wirkungen im Gewebe hemmen. Dadurch wirken Glukokortikoide antiallergisch, antirheumatisch und dämpfend auf das Immunsystem (immunsuppressiv). Bei Krebserkrankungen können sie darüber hinaus das Wachstum von Tumoren unterdrücken.

Glukokortikoide durchdringen die Zellwand und binden sich an einen passenden Rezeptor im Zellinneren. Der so gebildete Komplex aus Wirkstoff und Rezeptor wandert in den Zellkern, wo er sich auf bestimmte Abschnitte der Erbsubstanz (DNA) setzt. Damit kann er die Entstehung vieler Eiweiße beeinflussen, welche unter anderem bei der Entstehung von Entzündungen oder im Immunsystem eine wichtige Rolle spielen. Durch diesen Mechanismus kommt es erst nach einer gewissen Zeit (mindestens 20 Minuten bis mehrere Tage) zu den erwünschten (aber auch den unerwünschten) Wirkungen.

Zusätzlich haben Glukokortikoide sofort eintretende Effekte. So scheinen sie unter anderem direkt auf die Wände der Zellen zu wirken und diese zu stabilisieren, was den Wasseraustritt in das Gewebe verhindert. Das ist besonders wichtig, wenn zum Beispiel durch allergische Reaktionen oder einen Insektenstich der Hals zuschwillt. Die genauen Mechanismen der schnellen Glukokortikoid-Wirkung, die den Notfalleinsatz ermöglichen, sind bis heute allerdings kaum bekannt.

Beim adrenogenitalen Syndrom greifen Glukokortikoide in die Entstehungsmechanismen der Erkrankung ein. Sie besteht in einer Störung des hormonellen Regelkreises. Weil die Nebenniere zu wenig Hormone wie Kortison und Androgene bildet, schüttet die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) verstärkt Corticotropin aus. Eine hohe Corticotropin-Konzentration im Blut ist für die Nebennierenrinde das Signal zur Herstellung ihrer Hormone - letztlich bis zur völligen Erschöpfung. Die Gabe von Glukokortikoiden meldet der Hirnhangsdrüse nun eine ausreichende Hormonkonzentration im Blut, sodass sie ihrerseits die Überproduktion an Corticotropin einstellt.

Bei der Behandlung des Asthma bronchiale lassen Glukokortikoide die Schleimhäute abschwellen, was die verengten Atemwege erweitert. Nebenbei wird die Zähigkeit des Bronchialschleims herabgesetzt und seine Produktion gehemmt. Glukokortikoide tragen außerdem zur Entspannung der Bronchialmuskulatur bei.

Die Nebenwirkungen der Glukokortikoide hängen direkt mit ihren Hauptwirkungen zusammen:
  • Glukokortikoide greifen in den Zucker-, Eiweiß- und Knochenstoffwechsel sowie den Wasserhaushalt des Körpers ein. Bei Einnahme hoher Dosen von Glukokortikoiden über einen langen Zeitraum können beispielsweise Nebenwirkungen wie ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel oder Osteoporose auftreten. Im Extremfall entsteht ein so genannter Morbus Cushing. Typische Zeichen dieser Erkrankung sind: Vollmondgesicht, Verfettung am Rumpf, Abbau der Knochensubstanz (Osteoporose), Bluthochdruck oder Muskelschwäche. Um diese Folgen zu vermeiden, wurde für jedes Glukokortikoid eine Dosis bestimmt (Cushing-Schwelle), ab welcher bei längerer Anwendung ein Morbus Cushing entstehen kann. Diese Schwellendosis sollte bei Langzeittherapie nicht überschritten werden. Allerdings gibt es von Patient zu Patient große Unterschiede in der Schwellendosis. Außerdem existiert keine Dosis, bei der man ganz sicher sein kann, keinen Morbus Cushing auszulösen.
  • Da Glukokortikoide den Zellen des Immunsystems die Aufnahme lebenswichtiger Stoffe erschweren, schwächen sie das Immunsystem auch in seiner Abwehrkraft gegen Krankheitskeime.
  • Eine lange und hochdosierte Therapie mit Glukokortikoiden stört auch den hormonellen Regelkreis des körpereigenen Kortisons. Da sich ständig hohe Dosen an Glukokortikoiden im Blut befinden, unterdrücken sie in der Hirnanhangsdrüse die Ausschüttung von Corticotropin. Dadurch aber wird in den Nebennieren die Bildung körpereigenen Kortisons praktisch abgestoppt. Eine Therapie mit Glukokortikoiden sollte daher niemals plötzlich abgebrochen, sondern immer mit langsamen Dosissenkungen über eine längere Zeit beenden werden. Nur so kann sich der Körper anpassen und selbst wieder ausreichend Kortison produzieren.