Venetoclax

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 19.07.2017

Allgemeines

Venetoclax wird bei Erwachsenen zur Behandlung von Blutkrebs vom Typ chronische lymphatische Leukämie angewendet. Meist ist die Voraussetzung, dass die Patienten eine bestimmte Erbgutveränderung (17p-Deletion oder TP53-Mutation) aufweisen. Außerdem muss sich bei ihnen ein anderes Zytostatikum aus der Gruppe der Hemmstoffe des B-Zell-Rezeptor-Signalwegs als nur mangelhaft oder nicht wirksam erwiesen haben.

Welchen Zwecken dient dieser Wirkstoff?

  • Schutzfunktion der Krebszellen gegen spontanen Zelltod (die sogenannte Apoptose) umgehen
  • Apoptose einleiten

Gegenanzeigen

Im Folgenden erhalten Sie Informationen über Gegenanzeigen bei der Anwendung von Venetoclax im Allgemeinen, bei Schwangerschaft & Stillzeit sowie bei Kindern. Bitte beachten Sie, dass die Gegenanzeigen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Wann darf Venetoclax nicht verwendet werden?

Bei Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff darf Venetoclax nicht eingesetzt werden. Ansonsten bestehen bisher keine Anwendungeinschränkungen.

Was müssen Sie bei Schwangerschaft und Stillzeit beachten?

Tierexperimente legen nahe, dass von Venetoclax ein hohes Risiko für kindliche Missbildungen ausgeht. Frauen sollten daher während der Anwendung von Venetoclax und mindestens bis zu 30 Tage nach Behandlungsende nicht schwanger werden. Sie müssen eine hoch zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Derzeit ist nicht bekannt, ob Venetoclax die Wirksamkeit der "Pille" verringert. Aus diesem Grund sollten Anwenderinnen eine Schwangerschaft zusätzlich mit Kondomen oder Pessaren verhüten.

Es ist nicht bekannt, ob Venetoclax oder dessen Abbauprodukte in die Muttermilch übergehen. Ein Risiko für das gestillte Kind ist nicht auszuschließen, daher ist das Stillen während der Behandlung mit dem Wirkstoff zu unterbrechen.

Was ist bei Kindern zu berücksichtigen?

Die Sicherheit und Wirksamkeit von Venetoclax bei Kindern im Alter von unter 18 Jahren ist nicht erwiesen. Es gibt keine Erkenntnisse aus entsprechenden Studien, daher liegt die Anwendung in dieser Altersgruppe im Ermessen des behandelnden Arztes.

Welche Nebenwirkungen kann Venetoclax haben?

Im Folgenden erfahren Sie das Wichtigste zu möglichen, bekannten Nebenwirkungen von Venetoclax. Diese Nebenwirkungen müssen nicht auftreten, können aber. Denn jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Medikamente. Bitte beachten Sie außerdem, dass die Nebenwirkungen in Art und Häufigkeit je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Sehr häufige Nebenwirkungen:
Infektion der oberen Atemwege, Mangel an Neutrophilen Blutzellen, Blutarmut, Phosphatmangel im Blut, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen, Verstopfung, Erschöpfung.

Häufige Nebenwirkungen:
Lungenentzündung, Harnwegsinfektion, Fieber (infolge von Mangel an Neutrophilen und Lymphzellen), massenhaftes Absterben von Krebszellen (Tumorlysesyndrom), Überschuss an Kalium im Blut, Überschuss an Harnsäure im Blut, Calcium-Mangel im Blut, erhöhte Kreatinin-Konzentration im Blut.

Welche Wechselwirkungen zeigt Venetoclax?

Bitte beachten Sie, dass die Wechselwirkungen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Venetoclax wird durch ein leicht beeinflussbares Enzym-System verstoffwechselt.

Hemmstoffe dieses Enzym-Systems führen zu hohen Blutkonzentrationen an Venetoclax und damit zu einer Überschwemmung des Körpers mit abgestorbenen Krebszellen. Die gleichzeitige Anwendung des Wirkstoffs mit den Pilzmitteln Ketoconazol, Itraconazol, Voriconazol und Posaconazol, dem virenhemmenden MittelRitonavir sowie dem AntibiotikumClarithromycin ist daher am Anfang der Venetoclax-Behandlung verboten. Ist im späteren Verlauf der Therapie eine Kombination unumgänglich, wird der Arzt die Venetoclax-Dosierung auf ein Viertel verringern.

Weniger aktive Hemmstoffe des Enzym-Systems wie die Antibiotika Erythromycin und Ciprofloxacin, Blutdrucksenker wie Diltiazem und Verapamil oder das Pilzmittel Fluconazol dürfen, wenn unumgänglich, von Anfang an kombiniert werden. Die Venetoclax-Dosierung wird dann jedoch halbiert, und der Arzt wird den Patienten sorgfältig auf Nebenwirkungen überwachen.

Auch sollten Patienten während der Behandlung keine Grapefruit-Produkte, Bitterorangen und Sternfrüchte (Karambole) verzehren. Diese enthalten natürliche Hemmstoffe der Enzym-Systeme.

Wird das Enzym-System im Gegenteil von anderen Substanzen aktiviert, kann es zu einem schnelleren Abbau und Unwirksamkeit von Venetoclax kommen. Dies ist der Fall zusammen den AntiepileptikaCarbamazepin und Phenytoin, den virenhemmenden Mitteln Efavirenz und Etravirin, dem Antibiotikum Nafcillin, Modafinil (gegen Schlafsucht; Narkolepsie) und Bosentan (gegen Lungenhochdruck). Sie alle sollten nicht mit Venetoclax kombiniert werden.

Ein Sonderfall ist das Tuberkulose-MittelRifampicin, welches einerseits ein Enzymsystem hemmt, ein anderes aber aktiviert. In jedem Fall wird der Arzt die Kombination mit Venetoclax möglichst meiden. Sollte sie dennoch nötig sein, wird er die Wirkung und Nebenwirkungen der Therapie sorgfältig überwachen.

Auch manche Mittel zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen wie Colestyramin sollten nicht zusammen mit dem Wirkstoff zum Einsatz kommen, da sie diesen an sich binden und unwirksam werden lassen.

Seinerseits beeinflusst Venetoclax auch die Wirkung einiger Substanzen. So erhöht es die Wirkung der BlutverdünnerWarfarin und Dabigatran, wodurch es zu Blutungen kommen kann. Auch bei dem HerzglykosidDigoxin, sowie den Unterdrückern der körpereigenen Abwehr Everolimus und Sirolimus kann es zusammen mit Venetoclax zu mehr Nebenwirkungen kommen. Gleiches gilt für die Wirkstoffgruppe der Statine, deren Nebenwirkungen besonders vom Arzt zu überwachen sind, wenn sie zusammen mit Venetoclax eingenommen werden.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

  • Patienten sollten während der Behandlung keine Grapefruit-Produkte, Bitterorangen und Sternfrüchte (Karambole) verzehren.
  • Während der Anwendung und mindestens bis zu 30 Tage nach Behandlungsende ist eine Schwangerschaft zuverlässig zu verhüten. Zur Verhütung sollten sowohl Hormone, als auch Kondome eingesetzt werden.
  • Die Behandlung mit dem Medikament sollte von einem erfahrenen Krebs-Arzt überwacht werden.
  • Kommt es zu Erschöpfung, kann dies das Autofahren und das Bedienen von Maschinen gefährlich machen.

Manchmal lösen arzneiliche Wirkstoffe allergische Reaktionen aus. Sollten Sie Anzeichen einer allergischen Reaktion wahrnehmen, so informieren Sie umgehend Ihren Arzt oder Apotheker.

Welche Medikamente beinhalten Venetoclax?

Folgende Tabelle zeigt alle erfassten Medikamente, in welchen Venetoclax enthalten ist.In der letzten Spalte finden Sie die Links zu den verfügbaren Anwendungsgebieten, bei denen das jeweilige Medikamente eingesetzt werden kann.

Medikament
Darreichungsform

So wirkt Venetoclax

Im Folgenden erfahren Sie mehr zu den Anwendungsgebieten und der Wirkungsweise von Venetoclax. Lesen Sie dazu auch die Informationen zur Wirkstoffgruppe Zytostatika, zu welcher der Wirkstoff Venetoclax gehört.

Anwendungsgebiet des Wirkstoffs Venetoclax

Venetoclax wird bei Erwachsenen zur Behandlung von Blutkrebs vom Typ chronische lymphatische Leukämie angewendet. Meist ist die Voraussetzung, dass die Patienten eine bestimmte Erbgutveränderung (17p-Deletion oder TP53-Mutation) aufweisen. Außerdem muss sich bei ihnen ein anderes Zytostatikum aus der Gruppe der Hemmstoffe des B-Zell-Rezeptor-Signalwegs als nur mangelhaft oder nicht wirksam erwiesen haben.

Wenn die genannten Erbgutveränderungen nicht vorliegen, wird Venetoclax zur Behandlung einer chronischen lymphatischen Leukämie nur angewendet, wenn sowohl eine Zytostatika- wie eine Immuntherapie als auch ein Hemmstoff des B-Zell-Rezeptor-Signalwegs unwirksam waren.

Venetoclax wird ausschließlich als alleiniger Wirkstoff eingesetzt.

Zu folgenden Anwendungsgebieten von Venetoclax sind vertiefende Informationen verfügbar:

Wirkungsweise von Venetoclax

Venetoclax gehört im weitesten Sinne zur Wirkstoffgruppe der Zytostatika, also der Mittel gegen Krebs.

Normale Zellen, also auch Blutzellen, haben eine begrenze Lebensdauer, nach der sie sich selbst vernichten. Diesen Vorgang nennt man den spontanen Zelltod oder auch Apoptose. Bei den entarteten Lymphzellen, wie sie beim Blutkrebs vom Typ der chronischen lymphatischen Leukämie vorkommen, wird der Zelltod durch ein bestimmtes Eiweiß verhindert. Dies sichert das Überleben der Krebszellen, und es wird vermutet, dass es auch der Grund für die Unwirksamkeit mancher anderer Zytostatika ist.

Venetoclax bindet sich gezielt an das besagte Eiweiß, das B-Zell-Lymphom (BCL)-2-Protein. Letztlich hat das bei diesen die Einleitung des spontanen Zelltodes zur Folge.

Disclaimer:
Bitte beachten: Die Angaben zu Wirkung, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie zu Gegenanzeigen und Warnhinweisen beziehen sich allgemein auf den Wirkstoff des Medikaments und können daher von den Herstellerangaben zu Ihrem Medikament abweichen. Bitte fragen Sie im Zweifel Ihre*n Arzt*Ärztin oder Apotheker*in oder ziehen Sie den Beipackzettel Ihres Medikaments zurate.