Rocuronium

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 14.02.2015

Allgemeines

Rocuronium in Form von Rocuronium-Bromid wird bei der Narkose angewendet, um das Legen der Beatmungsschläuche zu erleichtern. Auch auf der Intensivstation wird es zu diesem Zweck gebraucht, wenn kurzzeitig künstlich beatmet werden muss.

Welchen Zwecken dient dieser Wirkstoff?

  • an den Acetylcholin-Rezeptor binden
  • Acetylcholin-Wirkung verhindern
  • Muskelzusammenziehung verhindern

Gegenanzeigen

Im Folgenden erhalten Sie Informationen über Gegenanzeigen bei der Anwendung von Rocuronium im Allgemeinen, bei Schwangerschaft & Stillzeit sowie bei Kindern. Bitte beachten Sie, dass die Gegenanzeigen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Wann darf Rocuronium nicht verwendet werden?

Bei Überempfindlichkeit gegen Rocuronium und auch gegen Bromid darf Rocuronium in seiner Form als Bromid-Salz nicht eingesetzt werden. Nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung durch den Arzt und unter seiner Kontrolle darf Rocuronium angewendet werden bei
  • Patienten mit deutlichen Anzeichen einer Leber- und/oder Gallenwegserkrankung und/oder Nierenfunktionsstörung, weil diese die Ausscheidung des Wirkstoffs erschweren
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen, hohem Alter des Patienten oder Wasseransammlungen im Gewebe (Ödemen), weil der Wirkungseintritt verzögert und die Wirkdauer verlängert sein kann
  • Erkrankungen der Nerven- und Muskelfunktion (Myasthenia gravis oder nach Kinderlähmung), da Ausmaß und Art der Reaktion auf den Wirkstoff in diesen Fällen sehr unterschiedlich sein kann
  • Operationen, für die der Körper unterkühlt wird, weil dies die Wirkung von Rocuronium verstärkt und die Wirkungsdauer verlängert
  • Fettsüchtigen, weil die Berechnung nach Körpergewicht zu einer Verlängerung der Wirkung und der Zeit für ihr Abklingen führt
  • Patienten mit Verbrennungen, weil diese möglicherweise nicht auf Rocuronium reagieren
  • Patientinnen, die Magnesium gegen Blutvergiftung in der Schwangerschaft erhalten, weil Magnesium die Wirkung von Rocuronium verstärkt
  • Kalium-Mangel (nach starkem Erbrechen, Durchfall oder Therapie mit Entwässerungmitteln), weil er die Wirkung verstärkt. Das Gleiche gilt für Magnesium-Überschuss im Blut, Mangel an Calcium (nach Massivtransfusionen), Mangel an Bluteiweiß, Austrocknung, Übersäuerung des Körpers, erhöhten Kohlenstoffdioxidgehalt im Blut (nach Hechelatmung) und Auszehrung.

Was müssen Sie bei Schwangerschaft und Stillzeit beachten?

Es liegen nur begrenzt Erfahrungen zur Anwendung von Rocuronium in der Schwangerschaft vor. Tierexperimente ergaben keine Hinweise auf direkte oder indirekte schädliche Wirkungen auf die Vermehrung.

Bei Patientinnen, die einen Kaiserschnitt erhalten sollen, kann Rocuronium Bestandteil einer schnellen Narkoseeinleitung ("Blitzeinleitung") sein. Voraussetzung ist, dass die künstliche Beatmung keine Schwierigkeiten macht und eine ausreichend hohe Dosis eines Schmerzmittels gegeben wurde. Auch die Anwendung nach dem Einsatz eines anderen Muskelrelaxans wie beispielsweise Suxamethonium ist möglich. Aus Proben von Nabelschnurblut geht hervor, dass Rocuronium nur sehr begrenzt den Mutterkuchen durchdringt. Beim Neugeborenen lassen sich keine unerwünschten Wirkungen beobachten.

Es ist nicht bekannt, ob Rocuronium in die Muttermilch ausgeschieden wird. In Tierexperimenten geschieht dies in nur unerheblichen Maßen. Trotzdem wird der Arzt Stillenden nur dann Rocuronium geben, wenn er den Nutzen über das Risiko stellt.

Was ist bei Kindern zu berücksichtigen?

Es können schon Neugeborene, Säuglinge, Kleinkinder und Kinder mit dem Wirkstoff behandelt werden. Sie erhalten ähnliche Dosierungen wie für Erwachsene. Allerdings ist die Wirkungsdauer der einzeln verabreichten Dosis bei Neugeborenen und Säuglingen länger als bei Kindern. Die Erfahrung mit der Anwendung von Rocuronium zur schnellen Narkose-Einleitung ("Blitzeinleitung") bei Kindern und Jugendlichen ist begrenzt, daher sollte der Wirkstoff nicht bei solchen Gelegenheiten zur Erleichterung bei der Legung des Beatmungsschlauches genutzt werden.

Welche Nebenwirkungen kann Rocuronium haben?

Im Folgenden erfahren Sie das Wichtigste zu möglichen, bekannten Nebenwirkungen von Rocuronium. Diese Nebenwirkungen müssen nicht auftreten, können aber. Denn jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Medikamente. Bitte beachten Sie außerdem, dass die Nebenwirkungen in Art und Häufigkeit je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Gelegentliche bis seltene Nebenwirkungen:
Herzrasen, niedriger Blutdruck, Reaktionen an der Injektionsstelle, Schmerzen an der Injektionsstelle, Veränderung der Wirkung anderer Substanzen (Wirkungslosigkeit, Verminderung, Verstärkung).

Sehr seltene Nebenwirkungen:
Überempfindlichkeit, allergischer Schock, schlaffe Lähmung, Kreislaufzusammenbruch, kreislaufbedingter Schock, Hautrötung, Bronchialkrämpfe, Gesichtsschwellung, Nesselsucht, Ausschlag (auch mit Rötung), Atemwegskomplikationen bei der Narkose.
Nach Langzeitanwendung auf der Intensivstation:
Muskelschwäche, Muskelerkrankung im Zusammenwirken mit Glukokortikoiden.

Welche Wechselwirkungen zeigt Rocuronium?

Bitte beachten Sie, dass die Wechselwirkungen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Folgende Substanzen verstärken die Wirkung von Rocuronium:
  • bestimmte Narkosegase wie Halothan, Enfluran, Methoxyfluran
  • die vorhergehende Anwendung von Suxamethonium zu Narkose
  • hohe Dosen der Schmerzmittel Thiopental, Methohexital, Ketamin, Fentanyl, Gammahydroxybutyrat, Etomidat, Propofol
  • andere nicht-depolarisierende Muskelrelaxanzien wie Alcuronium, Pancuronium, Vecuronium, Atracurium, Cisatracurium und Mivacurium
  • Langzeitanwendung zusammen mit Glukokortikoiden (führt zu einer verlängerten Muskelerschlaffung und Muskelerkrankung)
  • Antibiotika aus den Wirkstoffgruppe der Aminoglykoside und Lincosamide wie Lincomycin und Clindamycin), Polypeptid-Antibiotika, Acylamino-Penicilline, Tetracycline, hochdosiertes Metronidazol
  • Entwässerungsmittel, das AntiarrhythmikumChinidin, das Malaria-MittelChinin, Magnesium-Salze, Calcium-Antagonisten und Betablocker (zur Blutdrucksenkung), das AntidepressivumLithium, Mittel zur örtlichen Betäubung (Lidocain als Infusion in die Vene, Bupivacain als Rückenmarksnarkose) und die kurzfristige Verabreichung des AntiepileptikumsPhenytoin.
Folgende Substanzen schwächen die Wirkung von Rocuronium ab:
  • Vorherige Langzeitbehandlung mit den Antiepileptika
    Phenytoin oder Carbamazepin
  • Mitteln zur Behandlung der Bauchspeicheldrüsenentzündung wie Gabexat oder UlinastatinCalcium-Salze und Kalium-Salze
  • der Nervenbotenstoff Noradrenalin
  • Azathioprin (zur Verhinderung von Organabstoßungsreaktionen)
  • das AntiasthmatikumTheophyllin
  • Muskarinrezeptor-Antagonisten wie Neostigmin, Edrophonium, Pyridostigmin (die daher auch gezielt als Gegenmittel gebraucht werden)
  • Aminopyridin (Mittel gegen Multiple Sklerose).
Rocuronium selbst kann die Wirkung des örtlichen Betäubungsmittels Lidocain schneller eintreten lassen.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

  • Das Medikament darf nur von erfahrenen Ärzten, die mit der Wirkung und Anwendung vertraut sind, oder unter deren Aufsicht angewendet werden.
  • In den ersten 24 Stunden nach einer vollständigen Erholung von der Gabe des Medikaments dürfen keine Maschinen bedient oder Fahrzeuge geführt werden.

Manchmal lösen arzneiliche Wirkstoffe allergische Reaktionen aus. Sollten Sie Anzeichen einer allergischen Reaktion wahrnehmen, so informieren Sie umgehend Ihren Arzt oder Apotheker.

Welche Medikamente beinhalten Rocuronium?

Folgende Tabelle zeigt alle erfassten Medikamente, in welchen Rocuronium enthalten ist.In der letzten Spalte finden Sie die Links zu den verfügbaren Anwendungsgebieten, bei denen das jeweilige Medikamente eingesetzt werden kann.

So wirkt Rocuronium

Im Folgenden erfahren Sie mehr zu den Anwendungsgebieten und der Wirkungsweise von Rocuronium. Lesen Sie dazu auch die Informationen zur Wirkstoffgruppe Muskelrelaxanzien, zu welcher der Wirkstoff Rocuronium gehört.

Anwendungsgebiete des Wirkstoffs Rocuronium

Rocuronium in Form von Rocuronium-Bromid wird bei der Narkose angewendet, um das Legen der Beatmungsschläuche zu erleichtern. Auch auf der Intensivstation wird es zu diesem Zweck gebraucht, wenn kurzzeitig künstlich beatmet werden muss.

Der Wirkstoff entspannt die Muskulatur und wird zu diesem Zweck während operativer Eingriffe bei Erwachsenen und Kindern eingesetzt. Muss eine Narkose besonders schnell beginnen ("Blitzeinleitung"), darf Rocuronium nur bei Erwachsenen angewendet werden.

Zu folgenden Anwendungsgebieten von Rocuronium sind vertiefende Informationen verfügbar:

    Wirkungsweise von Rocuronium

    Rocuronium gehört zur Wirkstoffgruppe der Muskelrelaxanzien. Es wirkt rasch und mittellang.

    Bei allen Bewegungen erfolgt die Zusammenziehung der Muskelfasern auf einen Nervenreiz hin. Dazu setzt die Nervenendigung am Übergang vom Nerv zum Muskel den Botenstoff Acetylcholin frei. Der Botenstoff bindet sich an einen Acetylcholin-Rezeptor der Muskelfaser und löst dadurch die Zusammenziehung aus. Die stabilisierenden Muskelrelaxanzien, zu denen auch Rocuronium gehört, binden sich ebenfalls an diesen Rezeptor, lösen allerdings keine Zusammenziehung aus. Da die Bindung recht fest ist, bleibt der Rezeptor besetzt. Eine weitere Reizung durch Acetylcholin ist ausgeschlossen und der Muskel erschlafft.

    Nur Hemmstoffe des Enzyms Acetylcholinesterase wie Neostigmin, Edrophonium und Pyridostigmin können die Wirkung aufheben. Deshalb werden sie auch in der Klinik als Gegenmittel von Rocuronium verwendet.

    Disclaimer:
    Bitte beachten: Die Angaben zu Wirkung, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie zu Gegenanzeigen und Warnhinweisen beziehen sich allgemein auf den Wirkstoff des Medikaments und können daher von den Herstellerangaben zu Ihrem Medikament abweichen. Bitte fragen Sie im Zweifel Ihre*n Arzt*Ärztin oder Apotheker*in oder ziehen Sie den Beipackzettel Ihres Medikaments zurate.