Morphin

Von: Andrea Lubliner (Pharmazeutin und Fachtexterin für medizinische Fachtexte)
Letzte Aktualisierung: 21.02.2016

Allgemeines

Morphin ist ein opioides Schmerzmittel, das besonders bei starken und sehr starken Schmerzen eingesetzt wird. Dies sind beispielsweise Schmerzen nach einer Operation, einem Unfall, einem Herzinfarkt oder Tumorschmerzen bei Krebspatienten. Als Darreichungsformen gibt es Retardkapseln, Retardtabletten, Retard-Granulat, Tropfen, Zäpfchen sowie Injektionslösungen.

Welchem Zweck dient dieser Wirkstoff?

  • Schmerzen (stark bis sehr stark) lindern

Gegenanzeigen

Im Folgenden erhalten Sie Informationen über Gegenanzeigen bei der Anwendung von Morphin im Allgemeinen, bei Schwangerschaft & Stillzeit sowie bei Kindern. Bitte beachten Sie, dass die Gegenanzeigen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Wann darf Morphin nicht verwendet werden?

Morphin darf nicht angewendet werden bei:
  • Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff
  • unbehandelten Störungen der Atemfunktion
  • lebensbedrohlichen Erkrankungen im Bauchraum ("akuter Bauch") unbekannter Ursache
  • schwerer Leberfunktionsstörung
  • nicht behandelbaren Krampfanfällen (Epilepsie)
  • gleichzeitiger Einnahme von weiteren opioiden Schmerzmitteln oder Wirkstoffen, die die opioide Wirkung aufheben.
eine Anwendung als Injektion verbietet sich bei:
  • Darmverschluss (Ileus); tritt während der Behandlung ein Darmverschluss auf, muss die Morphin-Gabe sofort abgebrochen werden.
  • Patienten mit Gerinnungsstörungen oder Infektionen im Injektionsbereich (als Injektion am Rückenmark, in die Rückenmarkshaut oder den Flüssigkeitskanal eingespritzt).
Nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung durch den Arzt und unter seiner Kontrolle darf Morphin angewendet werden bei
  • Abhängigkeit von opioiden Schmerzmitteln
  • Krankheitszuständen, bei denen eine Störung des Atemreflexes und der Atemfunktion vorliegt oder vermieden werden muss
  • Zuständen mit erhöhtem Hirndruck (beispielsweise durch Wasseransammlungen im Gehirn), wenn nicht eine Beatmung durchgeführt wird
  • älteren Personen
  • gutartiger Prostatavergrößerung mit Restharnbildung sowie Harnwegsverengungen oder Koliken der Harnwege
  • Lebererkrankungen
  • Gallenwegserkrankungen
  • Verstopfung sowie Verengungen und Abschnürungen des Darmes oder chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn
  • Bauchspeicheldrüsenentzündung
  • Nierenerkrankungen.
Eine Anwendung als Injektion bedarf der besonderen ärztlichen Überwachung bei
  • Schilddrüsenunterfunktion mit Anschwellung der Augenlider und teigigen Hautveränderungen (Myxödem)
  • Patienten mit Epilepsie oder erhöhter Krampfbereitschaft des Gehirns
  • einem Tumor der Nebennierenrinde
  • niedrigem Blutdruck durch eine zu geringer Blutmenge.

Was müssen Sie bei Schwangerschaft und Stillzeit beachten?

Weil die Gabe von Morphin zu Missbildungen führen kann, sollte dieser Wirkstoff Männern und Frauen im zeugungs- beziehungsweise gebärfähigen Alter nur dann verabreicht werden, wenn eine wirksame Verhütung sichergestellt ist.

Der Wirkstoff sollte auch während der gesamten Schwangerschaft nicht angewendet werden, da er schon im Mutterleib abhängig machen und nach der Geburt Entzugserscheinungen beim Neugeborenen auslösen kann.

Der Wirkstoff darf auch nicht vor oder während der Geburt (inklusive Kaiserschnitt) gegeben werden. Er kann beim Neugeborenen Atemprobleme durch eine Atemdepression verursachen und zu lebensgefährlichen Zuständen für das Kind führen.

Morphin geht in die Muttermilch über. Obwohl dadurch eine Schädigung des Säuglings bisher nicht bekannt geworden ist, darf der Wirkstoff in der Stillzeit nicht eingesetzt werden. Bei einmaliger Anwendung ist eine Unterbrechung des Stillens in der Regel aber nicht erforderlich.

Was ist bei Kindern zu berücksichtigen?

Morphin in gespritzter Form oder als Tropfen ist durch die Möglichkeit der niedrigen Dosierung prinzipiell auch für die Anwendung bei Kindern ab einem Jahr geeignet. Tabletten oder Retardtabletten dürfen hingegen erst ab einem Alter von zwölf Jahren eingesetzt werden.

Welche Nebenwirkungen kann Morphin haben?

Im Folgenden erfahren Sie das Wichtigste zu möglichen, bekannten Nebenwirkungen von Morphin. Diese Nebenwirkungen müssen nicht auftreten, können aber. Denn jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf Medikamente. Bitte beachten Sie außerdem, dass die Nebenwirkungen in Art und Häufigkeit je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Die Stärke der Nebenwirkungen von Morphin ist direkt von seiner Dosierung abhängig. Wie häufig eine Nebenwirkung auftritt, kann je nach Darreichungsform des Morphins unterschiedlich sein.

Sehr häufige Nebenwirkungen:
Stimmungsveränderungen (sehr häufig positiv, manchmal aber auch Depressionen), Verstopfung, Pupillenverengung.

Häufige Nebenwirkungen:
Kopfschmerzen, Schwindel, Schlafstörungen, Antriebsdämpfung, Erregung, Veränderung des Entscheidungsverhaltens, Wahrnehmungsstörungen, Wahnvorstellungen, Alpträume, Übelkeit und Erbrechen (besonders zu Behandlungsbeginn), Mundtrockenheit, Pupillenverengung, Verdauungsstörungen, Geschmacksveränderungen, Störungen bei der Blasenentleerung, Schwitzen, Überempfindlichkeitsreaktionen (Nesselsucht, Juckreiz).

Gelegentliche Nebenwirkungen:
Blutdruckabfall, Blutdruckanstieg, Verlangsamung des Herzschlags, Beschleunigung des Herzschlags.

Seltene Nebenwirkungen:
Erhöhung der Bauchspeicheldrüsen-Enzyme im Blut, Bauchspeicheldrüsenentzündung, Gallenkoliken, Nierenkoliken, Bronchialkrämpfe, Entzugserscheinungen.

Sehr seltene und vereinzelte Nebenwirkungen:
Zittern, unwillkürliches Muskelzucken (insbesondere bei Injektion in das Rückenmark), Epilepsie-artige Krampfanfälle, Lähmungen (bei Infusionen in das Rückenmark durch Narbengewebe an der Katheterspitze), verspätete Atemhemmung (bis zu 24 Stunden), Atembeschwerden, Wasseransammlungen in der Lunge (bei intensivmedizinisch behandelten Patienten), Abhängigkeit, Verminderung der Libido, Potenzschwäche, verschwommenes Sehen, doppeltsehen, Augenzittern, Bauchschmerzen, Darmverschluss, Leber-Enzym-Werterhöhungen, Muskelkrämpfe, Muskelstarre, Hautausschlag und Wasseransammlungen im Gewebe (Ödeme) (bilden sich nach Therapie-Ende zurück), allergische Reaktionen, Gesichtsrötungen, Herzklopfen, allgemeine Schwäche (bis hin zum Ohnmachtsanfall und Herzversagen), Schwäche, Unwohlsein, Schüttelfrost, Ausfall der Regelblutung, Zahnveränderungen (ein ursächlicher Zusammenhang zur Morphin-Therapie konnte nicht hergestellt werden), gesteigerte Körpertemperatur, niedrige Körpertemperatur, Störung der hormonellen Regelung des Wasserhaushalts im Körper, Natriummangel im Blut.

Besonderheiten:
Die wesentlichste Nebenwirkung der Morphinbehandlung ist die Verstopfung. Diese kann und sollte mit Abführmitteln gemildert werden.

Insbesondere in hoher Dosierung kann es zu übersteigerter Schmerzemfindlichkeit kommen, die nicht mit weiter gesteigerten Dosierungen von Morphin behandelt werden darf.

Welche Wechselwirkungen zeigt Morphin?

Bitte beachten Sie, dass die Wechselwirkungen je nach Arzneiform eines Medikaments (beispielsweise Tablette, Spritze, Salbe) unterschiedlich sein können.

Wirkstoffe, die auf das Gehirn eine dämpfende Wirkung ausüben, wie Barbiturate und Benzodiazepine sowie andere opioide Schmerzmittel wie beispielsweise Fentanyl, Oxycodon, Hydromorphon oder Pethidin verstärken die Wirkung, aber auch die die Nebenwirkungen von Morphin. Vor allem Atembeschwerden durch Atemdepression können ein gefährliches Ausmaß annehmen. Gleiches gilt für den Genuss von Alkohol.

Eine Vorbehandlung von Patienten mit MAO-Hemmern gegen Depressionen, selbst wenn sie schon 14 Tage zurückliegt, kann lebensbedrohende Wechselwirkungen mit Morphin hinsichtlich der Gehirntätigkeit, der Atmungs- und Kreislauffunktion haben.

Die gleichzeitige Einnahme von Beruhigungsmitteln, Schlafmitteln, Narkosemitteln und Muskelrelaxanzien zur Muskelentspannung verstärkt die müde machende und beruhigende Wirkung von Morphin. Andererseits kann Morphin die Wirkung der Muskelrelaxanzien Pancuronium oder Vecuronium verstärken.

Schmerzmittel wie Pentazocin und Buprenorphin oder das TuberkulosemittelRifampicin verringern die schmerzlindernden Wirkungen von Morphin und können bei Opiat-Abhängigen die typischen Entzugssymptome auslösen.

Das Mittel gegen zu viel MagensäureCimetidin und der BlutdrucksenkerDiltiazem sowie andere Wirkstoffe, die den Leberstoffwechsel beeinflussen wie das Antibiotikum Erythromycin, die Pilzmittel Ketoconazol und Itraconazol oder das AIDS-Mittel Ritonavir hemmen den Abbau von Morphin und verstärken somit seine Wirkung. Sie sollten deshalb nicht gemeinsam mit Morphin angewendet werden.

Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen

  • Die Anwendung des Medikaments kann zu gehobener Stimmung und Entwicklung einer Abhängigkeit führen, wobei nach dem Absetzen des Wirkstoffs typische Entzugssyndrome auftreten.
  • Bei Patienten in höherem Lebensalter oder mit schlechtem Allgemeinzustand sollten schwächere Dosierungen eingesetzt werden.
  • Bei Patienten mit Leber- oder Nierenfunktionsstörungen sowie bei Verdacht auf einen verzögerten Magen-Darm-Durchgang sollte der Arzt besonders vorsichtig dosieren.
  • Während der Behandlung darf auf keinen Fall Alkohol getrunken werden.
  • Der Wirkstoff unterliegt in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz und ist nur auf Verschreibung auf einem speziellen Betäubungsmittel (BTM)-Rezept erhältlich.
  • Um Entzugserscheinungen bei plötzlichem Behandlungsabbruch zu vermeiden, muss die Dosierung zum Therapie-Ende hin schrittweise verringert werden.
  • Die Anwendung des Medikaments kann bei Dopingkontrollen zu positiven Ergebnissen führen.
  • Bei Jugendlichen und Erwachsenen darf das Medikament nur angewendet werden, wenn eine wirksame Schwangerschaftsverhütung sichergestellt ist.
  • Das Reaktionsvermögen ist unter der Einnahme des Wirkstoffes so weit beeinträchtigt, dass Autofahren oder das Führen von Maschinen gefährlich sind.

Manchmal lösen arzneiliche Wirkstoffe allergische Reaktionen aus. Sollten Sie Anzeichen einer allergischen Reaktion wahrnehmen, so informieren Sie umgehend Ihren Arzt oder Apotheker.

Welche Medikamente beinhalten Morphin?

Folgende Tabelle zeigt alle erfassten Medikamente, in welchen Morphin enthalten ist.In der letzten Spalte finden Sie die Links zu den verfügbaren Anwendungsgebieten, bei denen das jeweilige Medikamente eingesetzt werden kann.

Medikament
Darreichungsform
Retardtabletten
Retardtabletten
Retardtabletten
Retardtabletten
Retardkapseln
Retardkapseln

So wirkt Morphin

Im Folgenden erfahren Sie mehr zu den Anwendungsgebieten und der Wirkungsweise von Morphin. Lesen Sie dazu auch die Informationen zu den Wirkstoffgruppen opioide Schmerzmittel, Schmerzmittel, zu welcher der Wirkstoff Morphin gehört.

Anwendungsgebiet des Wirkstoffs Morphin

Morphin ist ein opioides Schmerzmittel, das besonders bei starken und sehr starken Schmerzen eingesetzt wird. Dies sind beispielsweise Schmerzen nach einer Operation, einem Unfall, einem Herzinfarkt oder Tumorschmerzen bei Krebspatienten. Als Darreichungsformen gibt es Retardkapseln, Retardtabletten, Retard-Granulat, Tropfen, Zäpfchen sowie Injektionslösungen.

Bei chronischen Schmerzen sind die retardierten Mittel zu bevorzugen, weil sie den Wirkstoff langsam freisetzen und so Schmerzfreiheit über längere Zeiträume ermöglichen. Grundsätzlich soll Morphin, da es süchtig machen kann, nur dann verwendet werden, wenn andere Schmerzmittel versagen.

Zu folgenden Anwendungsgebieten von Morphin sind vertiefende Informationen verfügbar:

Wirkungsweise von Morphin

Ursprünglich wurde Morphin ausschließlich aus dem eingetrockneten Saft der unreifen Samenkapseln von Schlafmohn (Papaver somniferum) gewonnenen. Morphin ist der wichtigste Inhaltsstoff dieses auch "Opium" genannten Saftes und stellt die Urform der opioiden Schmerzmittel dar. Alle anderen Mittel dieser Wirkstoffgruppe werden mit Morphin verglichen.

Wie Opium, jedoch wesentlich stärker, hebt reines Morphin die Stimmungslage ("euphorisiert") und betäubt Schmerzen, ohne das Bewusstsein völlig auszuschalten. Indem Morphin im Gehirn die dort befindlichen Opioid-Rezeptoren erregt (agonistische Wirkung), wird die Schmerzwahrnehmung verhindert. Daneben wirkt Morphin auch im Nervensystem des übrigen Körpers, indem es die Schmerzempfindlichkeit der Nervenenden herabsetzt und die Schmerzweiterleitung blockiert.

Neben der Schmerzhemmung hat Morphin im Gehirn noch weitere Wirkungen. So verringert es die Atmungstätigkeit und unterdrückt den Hustenreiz (antitussive Wirkung). Außerdem wirkt es zunächst erregend auf das Brechzentrum im Hirnstamm. Daher kommt es zu Beginn der Morphin-Therapie häufig zu Übelkeit und Erbrechen. Nach einiger Zeit lässt diese Nebenwirkung allerdings nach, da Morphin schließlich das Brechzentrum lähmt.

Zusätzlich zu den genannten Wirkungen verengt Morphin die Pupillen und vermindert die Ausscheidung giftiger Stoffe über den Harn, dazu senkt es den Blutdruck und verlangsamt den Herzschlag. Bedeutsam ist außerdem die lähmende Wirkung des Morphins auf den Darm, die während der Behandlung zu starken Verstopfungsbeschwerden führen kann.

Wird Morphin als Spritze verabreicht, ist der Wirkungseintritt sehr schnell. Ja nach Anwendungsart (in den Muskel, in die Vene, im Bereich des Rückenmarks) kann bereits nach fünf bis zehn Minuten die Höchstwirkung erreicht werden. Die Wirkungsdauer von gespritztem Morphin beträgt etwa drei bis vier Stunden. Mit Tabletten und Tropfen werden Wirkungszeiten von vier bis sechs Stunden erreicht. Retardtabletten oder -kapseln können sogar über zwölf Stunden wirken, allerdings eignen sich solche Morphin-Präparate nicht zur schnellen Schmerzbefreiung.

Disclaimer:
Bitte beachten: Die Angaben zu Wirkung, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen sowie zu Gegenanzeigen und Warnhinweisen beziehen sich allgemein auf den Wirkstoff des Medikaments und können daher von den Herstellerangaben zu Ihrem Medikament abweichen. Bitte fragen Sie im Zweifel Ihre*n Arzt*Ärztin oder Apotheker*in oder ziehen Sie den Beipackzettel Ihres Medikaments zurate.